1 ...8 9 10 12 13 14 ...22 Eins war mir vollkommen klar: In seiner, oder in der Haut der anderen, wollte ich garantiert nicht stecken. Ehe die feinen Herren ihre Orgie feierten, hätten sie sich über die Herkunft der Gespielinnen Gewissheit verschaffen sollen. Früher oder später würde die Administrative das diskrete Liebesnest der hohen Herren ausheben – und dann: Prost Mahlzeit!
»Dass sie euch die Zahlencodes auf diesem Wege entlocken konnten, liegt durchaus im Bereich des Möglichen. Kannst du mir die Damen etwas genauer beschreiben? Irgendwelche äußerlichen Auffälligkeiten?«
Parks überlegte: »Keine Ahnung. Da war eine Blondine, eine Rothaarige, eine Brünette und eine Schwarzhaarige. Sie waren unglaublich schön, beinahe wie griechische Göttinnen. Deshalb konnten wir unser Glück gar nicht fassen.«
»Ernsthaft? Das ist alles? Überleg mal genauer.«
»Wie gesagt, die Erinnerungen an sie sind wie weggewischt. Aber an eines erinnere ich mich genau, denn davon bekomme ich noch immer eine Gänsehaut: Sie waren sehr kühl. Ich rede jetzt nicht vom Frigide sein, sondern sie waren ungewöhnlich kalt. Das haben auch die anderen Jungs bestätigt. An mehr kann ich mich wirklich nicht erinnern.«
»Immerhin wissen wir, dass es vier Damen waren. Gibt es in der Lobby eine Kamera, oder einen Portier? Und hat der eventuell etwas gesehen? Waren die verdächtigen Damen mit einem Wagen da? Oder sind sie per pedes unterwegs gewesen?«
Dick wirkte ernsthaft beunruhigt. »Das Seltsame an dieser Geschichte ist, dass der Portier sie nicht eingelassen hat. Wir können Rob trauen, vor allem, was die Diskretion betrifft. Er hat gelernt, in den richtigen Momenten nicht so genau hinzusehen. Rob berichtete, keine der Damen sei weder auf dem Hin-, noch auf dem Rückweg an ihm vorbeigekommen. Und an Rob geht kein Weg vorbei, um zum Lift, oder ins Treppenhaus zu gelangen«, behauptete er. »Wie kamen sie also ins Gebäude? Sie können unmöglich in den zwölften Stock geflogen sein!«
»Vielleicht waren sie Mitglieder im Alpinen Club, keine Ahnung, Mann. Wie ist das Gebäude beschaffen? Hat es eine Tiefgarage? Gibt es irgendwelche Arkaden, oder Laubengänge?«
»Nein, keine Tiefgarage. An der Frontseite besitzt das Gebäude Arkaden, durch die der Gang zu unserem Apartment führt. Jedoch ist der Gedanke so abwegig, dass ich ihn mir lieber nicht bildlich vorstellen möchte. Obwohl… Wir sehen ja, wozu Halunken und Erpresser fähig sind«, bestätigte Dick.
»Okay...«, durchblätterte ich meine Notizen. »Hm, da fällt mir etwas auf. Vier… ihr wart zu viert. Du sagtest: Willy, Joe, Stan und du. Nichtsdestotrotz, zum Öffnen der Stahltür werden fünf Personen benötigt. Was ist mit dem Fünften?«
»Oh, Joseph Hopkins? Ihm geht es seit geraumer Zeit nicht so prächtig. Eigentlich ist er noch immer nicht im Dienst. Er scheint an einer äußerst seltenen Form von Blutkrankheit zu leiden«, erklärte Richard Parks.
Das machte mich hellhörig: »Was für eine Blutkrankheit? Ist es etwa Leukämie?«, hakte ich nach.
»Puh… Da fragst du mich etwas… Zuerst verstarb seine Frau Johanna. Danach ging es mit seiner Gesundheit bergab. Wir schätzen, dass er einfach nicht mehr ohne sie weiterleben will. Zuletzt erzählte mir Stanley, der alte Joe leide an einer heftigen Blutarmut. Die Ärzte konnten bisher nicht feststellen, wohin sein Blut entweicht. Inzwischen geben sie ihm mit schöner Regelmäßigkeit Infusionen. Doch auf Dauer scheint das keine Lösung zu sein. Er verfällt zusehends. Zudem erzählte er mir heute, ihn würden ständige Albträume quälen. Armer Kerl.«
»Das klingt wirklich haarsträubend. Vielleicht sollte ich Joe einen kleinen Besuch abstatten, was meinst du? Wärst du so nett und würdest mir seine Adresse geben?«, fragte ich Dick.
Bereitwillig nahm er Schreibblock samt Kugelschreiber und notierte für mich Joes Adresse.
Ich nahm den Block an mich und las: »Aha, frag mich nicht, wo das ist. Zum Glück gibt es heutzutage Navigationssysteme. Wenn man fremd in der Stadt ist, wirken sie wahre Wunder. So, wenn dir nichts Wichtiges mehr einfällt, würde ich vorschlagen, wir beenden nun unser konspiratives Treffen. Soll ich dich zu deinem Wagen bringen?«, fragte ich mein Gegenüber.
»Nein, mach dir keine Mühe, er steht dort vorn«, zeigte er auf seinen schwarzen Mercedes-Benz GLS. »Ich werde jetzt noch eine Zigarette rauchen und aufs Wasser starren. Meine Frau mag es nicht, wenn ich im Wagen rauche. Und zuhause erst recht nicht. Da baut man den Weibern ein wahres Traumhaus, und zum Dank, muss man zum Rauchen vor die Tür gehen. Wie gesagt, ich sollte damit ein für alle Male aufhören. Tja, man sieht sich. Und danke«, nickte er mir zu und zündete sich wieder einen dieser widerlichen Glimmstängel an.
In Gedanken versunken, machte ich mich wieder auf den Rückweg. Hätte ich vorher gewusst, dass man direkt am Wasser parken kann, säße ich längst wieder im Wagen.
Unterwegs passierte mich ein Jogger… »Wenn du zurückgehst, kannst du ihn eventuell noch retten!«, sagte er hämisch, drehte sich kurz zu mir, grinste und entblößte seine Eckzähne.
Sofort versuchte ich, mir diesen Burschen zu greifen, doch ehe ich ihn erreichte, teleportierte er sich einfach davon.
»Verdammte Scheiße!«, fluchte ich gereizt.
Abrupt drehte ich mich wieder um und huschte in Vampir-Geschwindigkeit zurück zum Pier…
»Dick! Nicht den Motor starten!«, riss ich hastig die Wagentür auf, und griff ins Auto, um ihn herauszuziehen. Leider war er längst angeschnallt. Der Gurt verhinderte einen raschen Ausstieg. Das alles passierte innerhalb von Millisekunden. Er wusste nicht wie ihm geschah und sah mich entsetzt an, als bereits der Motor startete und ein eher untypisches Klicken ertönte...
Es bedeutete nichts anderes als:...Tick, tack...Tod...
Die Explosion erwischte mich hart wie ein Vorschlaghammer. Gleich einen Schild, hielt ich die abgerissene Wagentür des Geländewagens in meiner Hand. Körperteile und Feuer umhüllten mich… Zuletzt dachte ich: Jetzt hat Dick das Rauchen doch noch ein für alle Male aufgegeben… Hey… Das ist aber eine verdammt große Hand, sieht aus wie meine!… Sie flog einfach an mir vorüber…
Sekunden später fühlte ich höllische, nie gekannte Schmerzen. Danach nahm eine gnädige, alles umhüllende Schwärze stattdessen deren Platz ein…
*
»Ach du heilige Scheiße!«, entfuhr es dem Erzengel Barbiel, als er den Feuerschein und die ölig schwarze Wolke erblickte, die wie ein kleiner Atompilz über dem Ort des Geschehens aufstieg. Der dazugehörige Knall folgte kurz darauf, da der Schall langsamer als das Licht, seinen Weg zu Barbiel fand. Seit einer geraumen Weile hatte der Engel bereits Ragnor von weiter oben, am Himmel kreisend, observiert. Schleunigst griff er zu seinem Smartphone.
»Hier spricht Barbiel Marx... Natürlich sind das Windgeräusche, was denn sonst? Immerhin fliege ich gerade! Leute, wir haben ein Problem. Einer unserer Männer, Ragnor McClane wurde soeben von einer Autobombe zerrissen! Ja, genau am Kai, unweit der Belle of Louisville. Richtig, und zwar pronto! Seid zuerst dort und gebt euch als Leute von der CIA zu erkennen, ansonsten könnte es problematisch werden! Ja, ein Spürhund wäre fein, damit wir grob die Einzelteile aussortieren können. Zwar glaube ich nicht, dass allzu viel von ihm übriggeblieben ist... Trotzdem, bereitet schon mal alles vor. Das wird ein wahrlich vertracktes Puzzle ergeben!«
*
In der alten, leicht verfallenen viktorianischen Villa bewegte sich Marcy, nachdem sie die Explosion vernahm, entsetzt und dennoch lautlos, vom Fenster fort.
Seit die Immobilienblase im Jahre 2009 platzte, und allen um die Ohren geflogen war, gab es viele leerstehende Häuser dieser Art, mit einem For Sale-Schild im Vorgarten. Und eben viele dieser verlassenen Häuser fanden keinen passenden Interessenten mehr, da sie längst im Verfall begriffen waren. Die Farbe blätterte von den meist aus Holz gefertigten ehemaligen Prachtbauten ab, während sich die Natur das zurückholte, was ihr einst vor Jahren entrissen worden war. Das ideale Versteck für Lebewesen, die ohnehin kein Licht oder Elektrizität benötigten: Ratten, Kakerlaken - und neuerdings sogar Vampire. Manchmal war es durchaus sinnvoll, im Dunklen verborgen zu bleiben.
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