Besagter Milton nickte und sagte: »Rarrrrwufffff!«
»Na ja, Milton riecht auch nicht gerade wie einer. Eher wie ein Köter, der sich in Kacke wälzte. Nichts für ungut. Okay, ich überlege es mir. Seid ihr stets um diese Zeit im Central Park?«
»Jepp, wir wohnen hier. Und dort, beim Bootshaus, verbringen wir die Nacht«, nickte Seamus und deutete mit seinem Pfötchen die Richtung an.
»Wie ist das passiert?«, wollte ich wissen.
»Äh... was passiert?«, fragte der dreifarbige Terrier.
»Na, dieses seltsame Body Switching.«
»Sagte ich doch bereits, Dude! Es war ´ne Flasche, die wir dort am Ufer des Sees gefunden hatten. Sie war schmutzig und ich rieb dran, da erschien darin so´n Flaschengeist. Er bat mich, ihn freizulassen. Eigentlich wollte ich ihm drei Wünsche abnötigen, leider konnten wir uns lediglich auf einen Wunsch einigen. Der Geist in der Flasche nahm an, wenn ich drei bekäme, würde ich nur Unsinn damit machen. Außerdem hätte er nur noch einen einzigen davon übrig. Sagte, sein Wunsch-Staub wäre alle. Hinterlistiger Mistkerl!«, schimpfte Seamus. Sein Mensch Milton knurrte erbost und fletschte die Zähne. »Rarrrr!«
»Die Dschinn sind, ganz ohne Frage, ziemlich hinterhältige Wesen. Sie drehen dir jedes Wort im Mund herum. Deinen Wunsch solltest du quasi in Anwesenheit deines Anwalts formulieren«, bestätigte ich aus eigener Erfahrung. »Zudem haben sie ein Faible für teure Perserteppiche, die sie nur ungern und dazu unrettbar ruiniert, zurückbringen. Äh, selbstredend meine ich die Dschinn, nicht die Anwälte.«
»Ja, genau so etwas ist uns passiert, nicht wahr Milton? Ich meine das, mit den Worten im Munde verdrehen. ´N Teppich konnten wir uns nie leisten. Nicht mal ´ne Strohmatte.«
»Wuff!«, bestätigte der Mensch.
»Dabei wünschte ich mir eigentlich nur ein besseres Leben. Weißte, Dude, es ist echt nich leicht, ganz unten zu sein. Ganz nebenbei erwähnte ich dem Dschinn gegenüber, selbst meinem Hund ginge es besser als mir. Tja, und ehe ich mich versah, war ich der Hund und mein Hund der Mensch. Ich wollte reklamieren, jedoch war der Dschinn inzwischen längst auf und davongeflogen. Wenn ich den erwische, diesen Scheißkerl!«, schimpfte der Terrier angepisst.
»Hm, vielleicht könnte ich dem Magier Ambrosius Pistillum Bescheid sagen. Möglicherweise kann er euch helfen?«
»Nee, lass mal stecken, Dude. Mit dieser unzuverlässigen Magie wollen wir nichts mehr zu tun haben. Denn egal, wie man es dreht oder wendet, unser Leben bleibt beschissen. Und so schlecht ist ein Hundeleben nu auch wieder nich. Wenigstens guckt niemand verächtlich, wenn mein Arsch juckt und ich ihn im Gras schubbere. Dann mach´s mal gut, Dude. Wir holen uns jetzt was zu spachteln und hauen uns anschließend aufs Ohr!«, sagte Seamus und nickte seinem Menschen zu. »Los Milton, alter Kumpel, schnappen wir uns ein paar Hotdogs!«
»Wuff!«, sagte sein Mensch und wackelte absurd mit dem Hintern. Wahrscheinlich würde er sich nie daran gewöhnen, nicht mehr mit dem Schwanz wedeln zu können.
Amüsiert sah ich dem imposanten Duo hinterher, wie es Kurs auf die Central Park West nahm.
Kaum waren sie aus den Augen, ertönte hinter meinem Rücken ein immer lauter werdendes Knattern. Zuerst glaubte ich, zu dieser späten Stunde wären noch ein paar fleißige Gärtner unterwegs, die das herabfallende Laub aufkehrten. Jedoch hatte der Fahrer dieses seltsamen Gefährts keinerlei Ähnlichkeit mit einem Gärtner. Es sei denn, er war schon lange verblichen.
Gevatter Tod, alias der Todesengel Azrael, winkte lässig. »Moin, Ragnor!« Dann nahm er mich kritisch in Augenschein und stellte kopfschüttelnd den Motor ab: »Was hast du denn da für eine schwule Bommelmütze auf deinem Schädel? Pink-farbig, mit einem Herzchen aus glitzernden Pailletten? Übrigens, der Bommel sieht aus, als übe unter deiner Mütze ein Karnickel Yoga. Was soll dieser alberne Aufzug? Bist du etwa geisteskrank?«, glättete er seine schwarze Kapuzenkutte.
»Verdammt!«, nahm ich die Mütze ab und warf sie in den Mülleimer. »Als wenn ich es nicht längst ahnte, dass Barbiel mich verarschen will!«, sah ich meinen Verdacht bestätigt.
»Na, so ein Scherzkeks! Ha, ha! Mach dir nichts draus. Zur fortgeschrittenen Stunde sind bei diesem garstigen Wetter glücklicherweise kaum Leute unterwegs. Lädt ja nicht gerade zum Lustwandeln ein. Hey, was sagst du zu meinem Agria-Einachsschlepper Type 2400L?«, zeigte er auf sein seltsames Vehikel. Wie immer, war sein Transportmittel mit gelben und roten Flammen verziert. Dort, wo normalerweise der Rasenschnitt im Anhänger lag, standen dicht an dicht, säuberlich aufgereiht, helle und dunkle Urnen. Sie enthielten die Seelen der jüngst Verstorbenen. Deutlich war zu bemerken, dass wir uns in einer Millionen-Metropole befanden. So viele Behältnisse hatte der Schnitter bisher noch nie dabei. Offensichtlich wollte Azrael sie zu ihren Bestimmungsorten bringen. Die hellen Urnen kamen nach oben, in den Himmel, die dunklen, leerte er in der Hölle.
»Cool«, nickte ich anerkennend. »Mal was anderes als ein Tuk-Tuk, oder Quad.«
»Nun ja, wir befinden uns in New York, dazu im November, sozusagen im Depressionshoch. Upps, für die Betroffenen wohl eher das absolute Tief«, kicherte er. »Da habe ich alle Hände voll zu tun und stoße mit einem Tuk-Tuk schnell an meine Kapazitätsgrenzen«, bestätigte Azrael. »Nun mal Butter bei die Fische, Vampir! Was willst du von mir? Mich wieder mit einer nicht vorhandenen Katzenseele an der Nase herumführen? Diesen Vorfall in Hameln, habe ich dir noch längst nicht vergeben! Immerhin bin ich schwer beschäftigt!«, machte er mir zum Vorwurf. Ich konnte nicht interpretieren, welche Mimik er dazu vollführte, weil Totenschädel keine Spur davon besitzen.
»Hey, warum tun eigentlich alle so, als hätte ich mir einen Scherz damit erlaubt?«, beschwerte ich mich. »Immerhin ging es um das Wohl der Kinder! Magier Bovis setzte mir gewissermaßen die Pistole auf die Brust: Entweder ich verwandle seinen räudigen Kater in einen Vampir, oder er verweigert mir die Mitarbeit. Was hätte ich tun sollen? Ich weiß selbst, dass es ein schwerer Regelverstoß ist. Anstatt froh über meinen persönlichen Einsatz zu sein, ernte ich nur Verachtung! Zur Strafe muss ich für den Vampir-Rat den Handlanger spielen, und du bist auch noch sauer auf mich! Hey, aufwachen, Azrael! Immerhin habe ich die Kinder fressende Hexe erledigt!«
Der Todesengel änderte plötzlich seine Gestalt. Vor mir stand nun ein hochgewachsener Bursche, der mich ein wenig an meinen abhandengekommenen Sohn Wally, alias Mjølnir, erinnerte. Er trug eine Rüstung, die mit Totenköpfen und rot-gelben Flammen verziert war: »Okay, dir sei verziehen. Was wäre ich für ein Engel, wenn ich auf Rache sinnen würde?«
»Ein Racheengel?«, entgegnete ich.
»So gesehen, hast du recht. Okay, was willst du von mir?«, fragte er, holte einen Taschenspiegel aus seiner Tunika und ordnete sich die roten Korkenzieherlocken.
»Es geht um Loki. Es geschehen Dinge, die nur allzu sehr seine bekannte Handschrift tragen.«
Azrael sah zu mir und steckte den Spiegel wieder zurück. »Dieser alte Trickster schmort nach wie vor in der Hölle; bewacht von meinen vier Schattenwächtern.«
»Ach ja? Bist du dir da hundertprozentig sicher?«, fragte ich daraufhin.
»Natürlich kann man sich niemals hundertprozentig sicher sein. Aber immerhin führt Satan bei ihm die Aufsicht und sorgt dafür, dass er nicht wieder an die Oberfläche kommt, um erneut die Apokalypse auszulösen.«
»Halt mich nicht für den ungläubigen Thorsten...«
»...Thomas, es heißt Thomas, nicht Thorsten!«, unterbrach er.
»Scheißegal! Und du traust dem obersten Boss der schlimmsten Dämonenschar, die die Welt jemals zu Gesicht bekam?«, konterte ich.
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