Silent Blobb blubberte. Stu, Barbiel und ich, wollten wissen, was Blobb zu sagen hatte.
»Mensch, nimm doch einen Schreibblock!«, pöbelte ich ungehalten. Immerhin konnte Blobb schreiben...
»Blobb sagt«, meinte Dracon, »dass wir wenigstens ein paar Fahndungsfotos von den beiden Knilschen ´aben. Das ist immer´in schon etwas, n'est ce pa?«
»Das ist einen Scheißdreck wert!«, bemerkte ich. »Haarfarbe, Augenfarbe, Gesamterscheinung, all das kann jemand, wenn er ein wenig geschickt ist, leicht verändern. Nein, so tappen wir weiterhin im Dunklen. Wir brauchen eine andere Lösung. Haltet mich für verrückt, aber ich habe da so einen Verdacht! Könnt ihr euch noch an den Tag entsinnen, als alles Geld der Welt plötzlich verschwand?«
»Natürlich!«, nickten alle unisono.
… Niemand wird so einen Tag jemals vergessen, der beinahe weltweit zur totalen Anarchie geführt hätte. Sämtliche Konten zeigten plötzlich eine runde Null an; die Menschen wurden daraufhin regelrecht panisch, als selbst die Börsen zusammenbrachen und jedem drohte, vor dem Nichts zu stehen. Daraufhin kam es in mehreren Metropolen zu Unruhen durch Plünderungen...
»C'est exact. Zu diesem Zeitpunkt waren wir gerade in Papua Neuguinea«, bemerkte Dracon äußerst erfreut.
… Kein Wunder, denn dort behandelten und verehrten ihn die Eingeborenen wie einen wahren Gott. Diese Apotheose war ihm durchaus in angenehmer Erinnerung geblieben...
»Stimmt!«, bemerkte Barbiel. »Danach flogen wir nach Australien, Barcaldine, und hatten kaum genug Kohle dabei, um mit dieser üblen Schrottkiste namens Aetna zu fliegen. Dort lernten wir Zac, den Flying Dutchman kennen, Zachary Hollander.«
»Blulululuuubbb!«, blubbte Silent Blobb.
»Oui, dieser alte Voll-Chaot!«, übersetzte Dracon grinsend und nahm Maß bei Stu. Endlich hatte der Halbdrache wieder ein williges Opfer für seine selbstgestrickten Pullover gefunden. Unser Team sträubte sich stets, von seinen bestrickenden Künsten Gebrauch zu machen.
Nachdenklich nickte Barbiel und untersuchte Ernestines Krallen, ganz so, als würde dort die Lösung stehen. »Okay, Ragnor, worauf willst du hinaus? Raus mit der Sprache …Moment… Meinst du etwa, Loki könnte dahinter stecken?«, fragte er verwundert.
»Ja, Loki!«, erwiderte ich.
»Was, zur Hölle, ist ein Loki?«, fragte Special Agent Dent.
»Ich sah zu Dent rüber. »Mit der Hölle liegst du gar nicht verkehrt. Loki ist ein alter Nordischer Gott.«
»Ah, den kenne ich. Das ist doch der Kerl aus den Avengers-Kinofilmen«, nickte er.
»Nein, mit dem kannst du ihn nicht vergleichen. Er ist nicht annähernd so sympathisch, wie dieses Milchgesicht aus dem Kino. Loki ist hinterfotzig hoch vier. Die lange Zeit der Gefangenschaft hat ihn verbittert. Er ist nicht nur ein bösartiger Bumsfehler, und verrückt wie ein zweiköpfiges Huhn, zudem auch noch so lästig wie Rotz am Ärmel.«
Barbiel verzog das Gesicht. »Argh, ich liebe deine deftige Sprache! Diese Bilder werde ich so schnell nicht wieder los!«
»Dann poliere dir halt die Hirnhaut, du Emotionsbrötchen, und unterbrich nicht ständig, wenn Erwachsene miteinander reden!«, blaffte ich zurück.
»Jetzt spuckst du wieder große Töne, du, du... Rambi!«
»Rambi? Was ist das?«, fragte ich irritiert.
»Na, eine Mischung aus Rambo und Bambi!«
»Aua, der war echt… Scheiße! Selbst ausgedacht?«
»Ja, vergiss es!«, winkte Barbiel ab. »Und was willst du diesbezüglich unternehmen? Loki ist nach wie vor in der Hölle, bewacht von Azraels Handlangern«, entgegnete der Engel.
»Wer weiß? Schließlich bist du bereits selbst aus der Hölle entkommen. Wir müssen uns Gewissheit verschaffen, dass Loki sich noch immer dort befindet und nicht wieder entfleucht ist, um Chaos zu stiften. All das verschwundene Gold; das ist haargenau seine Handschrift!«, erläuterte ich.
Skeptisch warf mir der Engel einen Blick zu: »Das beantwortet längst nicht, die an dich gestellte Frage. Also, was willst du unternehmen?«
»Sagte ich bereits! Mich davon überzeugen, dass Loki noch dort ist, wo er hingehört. Und dafür brauche ich dich! Wer in die Hölle will, muss mit einem Engel dorthin, oder warten, bis er stirbt und selbst hinabfährt. Das wäre allerdings dämlich, weil es dann kein Zurück mehr gibt! Also, hilfst du mir?«
Agent Dent schaltete sich ein: »Jetzt sehe ich es… Wieso jetzt erst? Special Agent Marx ist ein echter Engel! Er hat tatsächlich Flügel!«, sagte er ehrfürchtig erstaunt.
»Hat er es dir nicht gesagt? Nun gut, dann weißt du jetzt Bescheid. Seine Flügel werden erst sichtbar, wenn jemand von seinem Status erfährt. Außerdem ist er kein gewöhnlicher Engel, sondern einer der sieben Erzengel«, erklärte ich. »Barbiel hat sogar einen Heiligenschein, den er wie eine Nachttischlampe ein- und ausschalten kann. Trotzdem bin ich erstaunt, dass dich wirklich noch irgendetwas erschüttern kann. Du wirktest so abgebrüht.«
»Ähm, ich wurde katholisch erzogen«, gab Stu etwas kleinlaut von sich.
»Macht doch nichts, kann doch jedem passieren«, grinste ich.
»Nein!«, sagte Barbiel trotzig.
»Wie, nein? Er hätte genauso gut evangelisch, buddhistisch, oder jüdisch sein können!«, widersprach ich ihm.
»Ach, das meine ich doch gar nicht!«, fauchte Barbiel genervt. »Das war lediglich meine Antwort auf deine Frage, ob ich dich in die Hölle begleite. Tut mir leid, Ragnor, aber ich werde niemals wieder diesen schrecklichen Ort betreten! Nur über meine Leiche!«
»Das, mit deiner Leiche, dürfte für mich kein Problem sein!«, knurrte ich zurück. »Toll, du Schisser! Ich war schon mal in der Hölle, und habe trotzdem Orte auf dieser Welt gesehen, die weitaus schlimmer sind! Z. B. Disney World. Du weigerst dich also? Und wie soll ich jetzt in die Hölle kommen?«
Augenrollen vonseiten Barbiels: »Ich verweigere dir doch gar nicht die Zusammenarbeit! Ich sagte lediglich, dass ich dort nie wieder hingehen werde. Wenn du in die Hölle willst, bitteschön, dann ist das deine eigene Entscheidung! Ich werde für dich etwas arrangieren. Das ist alles, was ich für dich tun kann. Deine Nerven will ich haben! Jemand, der sich freiwillig in die Hölle begibt, hat nicht mehr alle Tassen im Schrank!«, schimpfte der Engel. Seine Nervosität war ihm deutlich anzumerken.
»Nun hab dich mal nicht so!«, winkte ich ab, und da die anderen auch nicht gerade sehr begeistert guckten: »Keine Bange, niemand von euch muss mich begleiten. Na, die werden Augen machen. Hoffentlich evakuieren sie den Laden nicht!«
… Wahrscheinlich bin ich der Einzige, dem dort ein Hausverbot ausgesprochen wurde. Wie bereits erwähnt, ging ich einst freiwillig in die Hölle, und zwar ausgerechnet für Barbiel, weil Satan den Flüchtigen zurückforderte. Er ließ uns die Wahl, das Ganze untereinander auszumachen. Meine Tochter Mara ist mit Barbiel liiert, also meldete ich mich an seiner statt. Doch nach kurzer Zeit, warf man mich wieder hochkantig hinaus.
… Na, das wird ein freudiges Wiedersehen…
*
Wer den Teufel an die Wand malt, spart Tapete.
(Unbekannt)
Ein Sprichwort sagt: Es führt nur ein Weg in den Himmel, viele dagegen in die Hölle. Wie wahr!
Allein die Vorbereitungen fingen bereits alles andere als gut an, eher betont höllisch. Für mich bedeutete es weitestgehend schon ein gutes Stückchen Hölle, offen das Erkennungszeichen für Barbiels Verbindungsmann tragen zu müssen.
»Ernsthaft? Ich soll wirklich eine Bommelmütze aufsetzen? Pudelmützen sind für Loser und Deppen!«, fauchte ich ungehalten. »Kann ich sie nicht einfach lässig in der Hand halten?«
Dieser gruselige Strick-Unfall wäre eher etwas für meine Stieftochter Sascha gewesen. Zudem sah der Bommel aus, als hätte sich ein des Lebens überdrüssiger Hase kopfüber in die Mütze gestürzt und nur sein Puschelschwänzchen guckte noch heraus. Und wieso beschlich mich der Verdacht, Barbiel hätte seine diebische Freude daran, mich dermaßen bloßzustellen? Zum Glück waren Dracon, Silent Blobb und Stu ihren eigenen Angelegenheiten nachgegangen und nicht mehr dabei, als Barbiel mit dieser grotesken Kopfbedeckung auftauchte.
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