»Na, deine Partnerin. Du bist Mulder, und sie ist Scully! Mensch, hast du noch nie Akte X gesehen?«, rollte ich mit den Augen. »Ehe du antwortest, einen kleinen Moment, Stu.«
…Apropos, wo wir gerade von den X-Akten sprachen…
In der Cafeteria sah es aus, wie in Chalmun's Kantine in Mos Eisley.
Star Wars Fans kennen sicherlich diese Szene vom Wüstenplaneten Tatooine. Allerdings konnte man bei dem Anblick, der sich bot, denken, Tatooine sei aus unerfindlichen Gründen mit Tolkiens Mittelerde kollidiert. Um uns herum saßen Orks, Zwerge, Elben, und die ganze Palette an Mischwesen, die man sich nur vorstellen kann: Zentauren, Faune, Minotauren usw.
Zumindest wirkten Silent Blobb und seine Begleitung darin ausnehmend außerirdisch. Offensichtlich flirteten sie ungehemmt miteinander. … Blobb flirtete? Das war neu!
Ich sah mich um und winkte Dracon, der gerade seinen gebratenen, halben Hahn mit einem gezielten Feuerstoß in ein Stück Kohle verwandelte. »Hey, Dracon. Wer ist das, mit dem Silent Blobb dort dermaßen massiv turtelt?«, wollte ich wissen.
»Das ist Mister Gray«, beantwortete er meine Frage.
»Das ist gar kein Mister, denn es hat Möpse! Und grau ist dieses Wesen auch nicht, sondern grün!«, stellte ich fest. »Kommt es vom Mars?«
»Wo du wieder ´in guckst… Na und? Was ´eißt das schon? Namen sind Schall und Rauch!«, zuckte Dracon mit den Achseln. »Nein, nischt vom Mars. Isch glaube von Gliese 581d«, gab er zurück. »Folglisch ist sie also Glieserianerin«, sprach´s und verspeiste seinen verkokelten Gockel mit einem Happs.
Mit dieser Antwort musste ich mich zufrieden geben und wandte meine volle Aufmerksamkeit wieder Agent Dent zu. Nebenbei fragte ich mich, warum ihn die Gesellschaft, die ihn umgab, nicht im Mindesten beunruhigte. Offensichtlich war er schon etwas länger ein speziell ausgesuchter Verbindungsoffizier von Salomons Ring. Möglicherweise war auch er nicht ganz das, was man zuerst meinte, in ihm zu sehen.
»Okay, Stu, bin jetzt ganz Ohr!«
»Isla begutachtet den Tatort«, sagte Stu. »Bevor du fragst… Sie untersucht den neuen Tatort. Dort herrscht nichts anderes als an dem vorherigen: Gähnende Leere. So viel Dreistigkeit ist uns bisher noch nicht untergekommen! Während du quasi nebenan lagst, um zu genesen, haben unsere Freunde erneut einen ganz großen Coup gelandet.«
»Das verstehe ich nicht. Habe ich irgendetwas verpasst? Reden wir beide etwa über Area fifty-one?«, fragte ich leicht irritiert.
Mein Gegenüber nickte. »Ganz genau.«
»Was haben sie diesmal gestohlen? Geheime Alien-Technologie?«
»Nein. In Fort Knox erwähnte ich bereits, dass nur die Hälfte des Goldes dort deponiert sei; die andere befände sich an einem anderen geheimen, gut bewachten Ort. Tja, woher sie das wussten, bleibt mir nach wie vor ein Rätsel«, sagte Stu und trank den Rest seines Kaffees in einem Zug.
»Okay, ich weiß inzwischen, woher sie ihre Informationen beziehen. Offensichtlich spähen sie ihre vermeintlichen Opfer gezielt aus. Wenn sie über die Vorlieben und Gewohnheiten des Beschatteten Bescheid wissen, arrangieren sie ein Treffen und horchen ihn aus. Mittels ihrer Geisteskräfte kann sich besagtes Opfer hinterher nicht mehr an die Einzelheiten dieser Zusammenkunft erinnern. Mein Informant, den es inzwischen zerlegt hat, erzählte von mysteriösen Damenbesuch. Es waren vier an der Zahl: Eine Blondine, eine Rothaarige, eine Brünette und eine Schwarzhaarige. Quasi decken sie damit die gesamte Geschmackspalette ab. Für jede Vorliebe ist etwas dabei. Wenn wir die zwei anderen Knaben dazu zählen, die wir auf den Aufnahmen ausmachen konnten, wissen wir, dass mindestens sechs Personen daran beteiligt sind«, beendete ich meine Ansprache.
»Gut, dann wissen wir schon mal, wie ihre Vorgehensweise funktioniert. Zudem haben wir eine Spur. Wenn sie von Kentucky bis Nevada geschlagene 2000 Meilen fuhren, und ich glaube nicht, dass sie einen Flieger nahmen, mussten sie sieben Bundesstaaten durchqueren. Die einzige Strecke, die dafür in Betracht kommt, ist durch Maut gebührenpflichtig. Dort sind für gewöhnlich Kameras installiert. Wir sollten einen Fotoabgleich davon machen, wer allesamt diese sieben Mautstellen passierte. Und wenn sie wirklich zu sechst fuhren, sollten wir nach einem Wohnmobil, einem großen Van, oder Lieferwagen Ausschau halten«, gab sich Stu optimistisch.
Der Kaffee schmeckte grauenvoll. Nicht nur deshalb verzog ich das Gesicht. »Achtet auf lichtdicht beklebte Scheiben. Bisher waren sie nur nachts aktiv. Was mich ankotzt: Wir hinken dieser illustren Truppe stets einen Schritt hinterher. Wenn wir ihre genaueren Motive wüssten, könnten wir bestimmen, wo sie als Nächstes zuschlagen. Vorausgesetzt, sie tauchen nicht wieder ab, und verschwinden für immer in der Versenkung. Dann stünden wir ziemlich angemüllert da!«
»Sollten sie wieder zuschlagen, müssen wir das in Kauf nehmen. Dennoch durch ein gezieltes Profiling bekommen wir möglicherweise Gewissheit über ihren nächsten Schritt. Sie werden sich ihres Tuns immer sicherer, um letztendlich einen gravierenden Fehler zu machen. Und dann schnappt die Falle zu!«, prognostizierte Special Agent Dent.
»Sie können überall zuschlagen, wo große Mengen Gold gelagert werden, denn das ist, was sie umtreibt. Wir sollten sämtliche Banken warnen, die große Golddepots besitzen.«
Und während wir unseren Kaffee tranken, ging anderen Ortes bereits wieder die Post ab…
*
Diplomatie heißt, den Kuchen so zu teilen, dass die anderen mit den Krümeln zufrieden sind.
(Queen Mum)
»Étienne? Wieso kommst du mit diesem Weib hierher? Habe ich dir erlaubt, eine Begleiterin mitzubringen? Du riskierst viel!Du solltest allein kommen!«, sagte das Wesen im Dunkel. Es wirkte gereizt. Lediglich zwei eisblaue Augen funkelten aus dem im Schatten liegenden Gesicht. Der Schatten, der es umgab, hatte eine nahezu dichte, stoffliche Konsistenz, gleich einer sich stetig bewegenden, flimmernden Tarnkappe, sodass selbst die Vampire ihn nicht zu durchschauen vermochten. Dieser Umstand wirkte alles in allem äußerst beunruhigend. Dazu dieser abgefahrene, blasphemische Treffpunkt: Eine alte, verlassene und nicht weniger verfallene Kirche.
Étienne beugte das Haupt: »Herr, das ist Marcy«, sagte er und schluckte laut. Sein Kehlkopf gab ein Geräusch von sich, als quake eine Kröte aus seinem Hals »Sie glaubt mir nicht. Deshalb soll sie sich selbst davon überzeugen, wie mächtig du bist. Und vor allem, dass du dein Wort hältst«, fügte er leiser hinzu.
»Fürchte dich nicht, Étienne. Mein Mittler erzählte mir bereits alles. Ich bin sehr zufrieden mit dir. Vor allem, was du mit dem Verräter und deinem Verfolger getan hast«, lobte das Wesen. Dann wandte es sich abrupt Marcy zu. »Du, Weib! Meine Zeit ist kostbar. Darum sprich!«
»Hallo, eigentlich sagte Étienne schon alles«, bemerkte Marcy, die eher skeptisch, als ängstlich wirkte.
»In Ordnung, soll sich die kleine Zweiflerin überzeugen!«, wandte sich die leise zischende Stimme wieder Étienne zu. »Schon immer empfand ich ein großes Vergnügen daran, Ungläubige mit meinen Ideen und Taten einzunehmen.«
Marcy wusste nicht, was sie im Moment widerlicher fand: Diese Stimme, oder die blauen Augen, die so kalt wie Eis wirkten. Möglicherweise war es wohl die Kombination aus beidem. Nein, wenn sie genauer darüber nachdachte, waren es die Worte an und für sich. Unerhörte Arroganz tönte daraus hervor. Und dazu waren sie persönlich sehr beleidigend. Jedes Wort traf sie wie ein schmerzender Peitschenhieb. Sie fühlte sich durch diese Erniedrigung klein und wehrlos. Das war wohl auch der Zweck.
Die blauen Augen musterten sie hungrig, lauernd. Und obwohl Marcy weder Gesicht, noch irgendein Geräusch ausmachen konnte, wusste sie instinktiv, dass ihr Gegenüber sie verspottete. Dieses dunkle Wesen berauschte sich an seiner Macht und labte sich förmlich an ihrer Gekränktheit, wie ein Verdurstender an einer Quelle frischen Felswassers.
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