„Also allmählich bekomme ich Hunger“, sagte Jasmin, als sie aus der Dusche kam. Sie hatte einen Hauch von nichts an. Reitschuster hätte sie am liebsten wieder ins Bett gezogen, doch sein Hunger war stärker.
„Das habe ich auch, meine Liebe. Wollen wir uns zum Hafen fahren lassen? In gemütlicher, romantischer Atmosphäre, mit Blick auf den Hafen, ein extravagantes Fischgericht zu uns nehmen?“, fragte er und ging in Richtung Dusche.
„Super Idee“, sagte sie und gab ihm einen Klaps auf seinen blanken Po. Reitschuster blickte sie verschmitzt an.
„He! Super ist mein zweiter Vorname“, sie lachten unbeschwert.
Eine Stunde später hielt das Taxi vor dem „Kapitän Nemo Huis.“
Beim Eintreten war Jasmin sofort begeistert von den Schätzen der Meere. An den Wänden, teilweise auch an der Decke, befanden sich Bilder der holländischen Flotte aus der antiken Seefahrt sowie präparierte Fische und andere Accessoires aus der Seefahrt. Auch Reitschuster war anzusehen, dass er sich sichtlich wohlfühlte, zumal Jasmin so herrlich aufgeregt war. Es war 19:30 Uhr, und nur wenig los zu dieser noch frühen Abendzeit. Sie bekamen einen schönen Tisch an der Fensterfront mit Blick auf den Hafen. Er bestellte einen guten Chardonnay.
Sogleich wurde der Wein in einem Weinkühler gebracht. Sie studierten gemeinsam die Speisekarte.
Als sie das Passende gefunden hatten, prosteten sie sich zu und schauten sich dabei tief in die Augen. Jasmin ist schon ein echter Hingucker, dachte er. Ihre smaragdgrünen Augen leuchteten und funkelten, er bekam Herzklopfen. Unauffällig tastete er nach dem Kästchen. Dieses war noch an seinem Fleck.
„Haben Sie sich für etwas entschieden?“, fragte der Ober freundlich.
„Wir hätten gerne zweimal als Vorspeise, den Shrimpscocktail mit Knoblauchbaguette“, sagte Jasmin.
„Anschließend hätten wir gerne die Fisch-Gourmet-Platte, für zwei Personen“, vollendete Reitschuster die Bestellung. „Mit dem Nachtisch warten wir noch“, sagte Jasmin.
„Eine sehr gute Wahl“, bedankte sich der Ober, wechselte die Kerzen aus und nahm die Karten mit.
In einem Gasthof im heimischen Schwaben saßen in Edelstätten zwei Männer. Sie tranken Rotwein und unterhielten sich.
„Glaubst du, dass die Ausstellung, hier in Schwaben zu sehen sein wird?“, fragte der Jüngere der beiden. Dieser war Anfang vierzig, groß, schlank und wirkte sehr durchtrainiert. „Sagen wir mal so. Es wäre für uns ein Leichtes, dort zuzuschlagen“, sagte der ältere. Dieser war Anfang fünfzig, hatte graues, kurz geschnittenes, braunes Haar und eine wie Leder gegerbte Haut. Auch er machte einen gestählten Eindruck. „Das sind Kunstschätze von unermesslichem Wert, die dort ausgestellt werden. Wenn wir uns entscheiden, den Auftrag anzunehmen, wird das ein echtes Kabinettstück. Wir hätten ausgesorgt!“
Die beiden Männer haben schon oft Aufträge dieser Art ausgeführt.
Sei es für Versicherungen, um zu testen, ob die baulichen Gegebenheiten sicher waren, oder so wie in diesem Fall, einen echten Kunstraub zu begehen. „Nun warten wir erst einmal ab, wie entschieden wird. Sollte die Ausstellung tatsächlich in Krumbach stattfinden, werden wir leichtes Spiel haben. Sag mal, arbeitet dein Onkel immer noch bei dieser Überseespedition?“, fragte der Ältere.
„Onkel Ivan. Na klar! Der könnte gar nix anderes machen. Die Schiffe im Hafen würden ihm fehlen. Warum fragst du danach?“
„Es ist immer gut, so jemanden zu kennen. Für den Fall, dass man mal flüchten muss.“ Sie tranken aus und verließen das Lokal.
Schaller frühstückte ausgiebig. Beim Einräumen der Frühstücksutensilien schaute er auf die Postkarte. Sollte er sich wirklich bei ihr melden? Er kämpfte mit sich, schaute zum Telefon, doch er hatte nicht den Mut, sie anzurufen. Schaller packte seine Einkaufstasche mit dem Leergut und ging einkaufen. Der Samstag verging unspektakulär vor dem Fernseher.
Am Sonntag schaute er sich das Fußballspiel des TSV Krumbach gegen die Spielfreunde Aalen im heimischen Stadion an. Dies war zwar nur ein Freundschaftsspiel, aber so kam er wenigstens unter Leute. Soziale Kontakte zu pflegen fiel ihm, wie Tausenden anderer Polizisten, eher schwer. Der ständige Schichtwechsel, zu unregelmäßigen Zeiten, war mörderisch. Deshalb war er froh, der Kripo Krumbach unterstellt worden zu sein.
Beim sonntäglichen Fußballspiel trafen sich alle Sportbegeisterten. Auch Mitglieder des Stadtrats fand man unter den Zuschauern. Schaller war in Sachen Diplomatie noch ein Grünschnabel, und so platzte es aus ihm heraus, als er mit Frau Gehbauer ins Gespräch kam. „Guten Morgen Frau Stadträtin. Was für ein spannendes Spiel, da passt heute wirklich alles, finden Sie nicht auch?“ Er versuchte, sie in ein Gespräch zu verwickeln. „Ja das sehe ich genauso. Ich wünsche Ihnen auch einen schönen Tag, Herr Schaller.“ Sie zeigte sich von Schallers Redeschwall wenig beeindruckt.
„Ach, wo ich Sie gerade hier treffe. Staatsanwalt Dr. Hieber hat mich beauftragt, nach einer passenden Örtlichkeit zu suchen. Glaube wegen einer Ausstellung. Sie wissen nicht, so rein zufällig, um was es da genau geht?“, bohrte Schaller weiter.
Einer der Krumbacher Spieler wurde unsanft vom Ball getrennt. Deshalb gab es wegen der Schiedsrichterentscheidung Tumult. Sie pfiff sehr schrill, weil sie ebenfalls nicht einverstanden war.
„Junge, die pfeift wie ein Mann, Respekt“, dachte er. Dann lief das Spiel weiter.
„Um auf Ihre Frage zurückzukommen. Es handelt sich um seltene Gemälde aus längst vergessenen Epochen. Wir erwarten zu dieser Ausstellung hochrangige Besucher aus Politik und Fernsehen. Krumbach wird der Nabel Deutschlands werden für diese Zeit“, sagte sie mit Stolz geschwellter Brust, was Schaller sehr imposant fand.
„Wann wäre der Zeitraum für diese Ausstellung?“
„Beginn ist der 28.12. Die Ausstellung endet am 15.01. Ich war ja bei der Abstimmung dafür, dass es zu einer Dauerausstellung wird, um den Tourismus anzukurbeln. Die Betreiber der Galerie waren leider dagegen. Sie möchten, dass es bei einer Wanderausstellung bleibt. Im nachhinein halte ich es für eine gute Entscheidung, da sie den gesamten Süden bereisen werden“, sagte die attraktive Stadträtin. „Ich bedanke mich bei Ihnen, Frau Gehbauer. Schönen Sonntag.“ Jetzt hatte er die wichtigen Informationen. Schaller ging in sich. Wie wohl sein Chef entscheiden würde? Jedenfalls hatte er sich für das Heimatmuseum entschieden! Doch es blieb abzuwarten, wie Reitschuster sich Montagmittag dazu äußern würde. Schließlich wusste er von der Ausstellung noch nichts.
In Amsterdam wurde unterdessen fürstlich gespeist. Der Hauptgang kam. Es roch fantastisch, als der Ober die Teller mit den edlen Meeresfrüchten und Fischen belegte. Sie tranken Wein, lachten, waren einfach gut drauf. Jetzt war für Reitschuster der richtige Moment gekommen.
Er nahm das Kästchen unauffällig aus der Sakkotasche. Geschickt öffnete er es unter dem Tisch und entnahm den Ring. Dann hielt er ihre rechte Hand, schaute ihr in die Augen. „Liebe Jasmin, seit ich dich das erste Mal sah, war es um mich geschehen. Jeder Tag mit dir ist seitdem etwas ganz Besonderes für mich geworden. Bei dir fühle ich mich verstanden, ja direkt angekommen. Jasmin ich liebe dich. Ich möchte, dass du meine Frau wirst. Willst du mich heiraten?“
Reitschuster war in seinem Leben schon oft aufgeregt, doch noch nie so schön aufgeregt.
„JA!“, schmetterte es aus ihr heraus. Die anderen Gäste schauten lächelnd zu ihnen hinüber. „Ja, ich will deine Frau werden.“ Sie gab ihm einen leidenschaftlichen Kuss. Reitschuster streifte ihr den Diamantring über den linken Ringfinger. „Was für ein bezaubernder Ring“, sagte sie entzückt. Sie konnte die Tränen nicht mehr aufhalten.
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