Sie schaute Felix mit ihren smaragdgrünen Augen an.
„Da möchte ich hin Bär. Diese Wachsfiguren sind legendär.“ Reitschuster lächelte wohlwollend und nahm sie in den Arm.
„Nun lass uns doch erst einmal ankommen. Dann werden wir bei einem Glas Sekt unsere Ausflüge planen.“ Sie schaute sich die vorbeiziehenden Häuser und Brücken an. Ab und zu erblickte sie eines der Ausflugsboote, die angesichts der geringen Durchfahrtshöhen der Brücken sehr flach und breit waren. Nach etwa 15 Minuten hielt das Fahrzeug vor dem „Van Laars Huis.“
Es war ein kleines uriges Hotel, das von außen aussah wie ein Fachwerkhaus. Es bestand komplett aus roten Backsteinen. Die Wände wurden von schwarzen Balken durchkreuzt und vor dem Hotel befanden sich Gaslaternen, die das Hotel in einem sehr warmen Licht erscheinen ließen. Vor dem Haupthaus waren große Kastanienbäume, Buchsbaumbüsche sowie ein sehr schön angelegtes herbstliches Blumenbeet.
Ein gemütlicher Biergarten perfektionierte das herzliche Ambiente dieser romantischen Herberge.
Sie hätten dort gerne ein oder zwei Weizen getrunken, doch leider war dieser Biergarten jahreszeitlich bedingt geschlossen. Der Fahrer lud das Gepäck aus dem Vito und brachte es zur Rezeption. Als Pong sich anschickte zu gehen, gab ihm Reitschuster einen Fünfeuroschein, um sich für den Service zu bedanken.
In der kleinen gemütlichen Lobby herrschte, trotz der geringen Ausmaße des Hotels, ein reges Treiben. Eine kleine Reisegruppe aus Japan mit holländischen Fähnchen, Französisch sprechende junge Damen und eine Familie aus den Staaten, mit ihren typischen bunten Outfits.
„Guten Tag, Frau und Herr Reitschuster.“ Jasmin kicherte wieder. Sie fand es amüsant, als Frau Reitschuster angesprochen zu werden. Skeptisch schaute er den Rezeptionisten an. „Woher ich es weiß, nun Frau Piringer hat Sie recht gut beschrieben, als sie das Zimmer für Sie reservierte“, sagte der Concierge freundlich. Reitschuster war sichtlich erfreut, über die persönliche, professionelle Art und Weise, wie er hier empfangen wurde.
Nachdem Reitschuster die Anmeldung für sich und Jasmin ausgefüllt hatte, klingelte der Portier nach dem Kofferträger. Er übergab ihm die Schlüsselkarten und wünschte einen schönen Aufenthalt. Sie fuhren mit dem Fahrstuhl in den dritten Stock. Die Fahrstuhltüren öffneten sich und sie folgten dem Kofferträger, bis sie vor dem Zimmer 317 stoppten. „Das wäre dann Ihr Zimmer.“ Der Kofferträger öffnete die Tür, stellte das Gepäck ab und machte eine kleine Führung. Die frisch Verliebten sahen sich in einem sehr geschmackvoll eingerichteten Raum, mit Alkoven, bewundernd um. Dann zeigte er ihnen noch das Bad. „Ich wünsche Ihnen einen schönen Aufenthalt hier im Van Laars Huis.“ Er machte eine Verbeugung und schickte sich an zu gehen. Jasmin hielt ihn auf, gab ihm ein Trinkgeld und bedankte sich.
Jetzt holte Reitschuster den mitgebrachten, noch kühlen Sekt aus seinem Koffer.
„Du überrascht mich immer wieder, mit deinen lieben Einfällen.“ Lächelte sie erstaunt und streichelte ihm sanft seinen Nacken. Reitschuster schenkte ein, sie prosteten sich zu, lagen sich in den Armen, küssten und liebten sich bis zum frühen Abend.
In Krumbach gab es seit der Aufklärung des »Phantom-Falls«, nichts Neues. Es kehrte die normale Polizeiarbeit zurück. Schaller arbeitete seine und Reitschusters Berichte durch, ab und zu stand er auf, um aus dem Fenster zu schauen. Draußen war es nasskalt. Der Regen prasselte auf die Autodächer.
„Was für ein trostloser Wochenausklang“, sagte er laut. Carlo Kreuzleitner und Alois Obermayr, beides Polizeimeister, wurden wieder der Schutzpolizei unterstellt. Sie mussten wieder arme Parksünder verdonnern, Geschwindigkeitsüberschreitungen ahnden, manchmal Verkehrsunfälle aufnehmen oder Streife fahren. Auch ihnen fehlte die Zusammenarbeit mit Kriminalhauptkommissar „Bär“, Felix Reitschuster. Dieser wurde seit seiner Jugend so genannt, wegen seines massigen Aussehens. Der Kommissar war 49 Jahre alt, maß knapp zwei Meter und war Leiter der Kripo Krumbach. Reitschuster war im Urlaub. Mit ihm auch das Verbrechen, so schien es.
Das Telefon klingelte: „Kripo Krumbach, Schaller, Grüß Gott.“
„Staatsanwalt Dr. Hieber hier, Herr Schaller. Sie sind die Vertretung von Hauptkommissar Reitschuster. Habe da gerade eine Anfrage per E-Mail bekommen. Herr Schaller, machen Sie sich doch bitte mal Gedanken über eine Örtlichkeit hier in Krumbach, wo man eine Kunstausstellung zeigen könnte“, sagte Hieber ein wenig gequält.
„Darf ich dann ein Konzept ausarbeiten, wegen der Absicherung dieser Exponate?“ Schaller war froh über jede Art von Beschäftigung.
„Ja, Herr Schaller, scheint so, dass Sie der richtige Mann sind für diese Aufgabe“, stellte Hieber erfreut fest.
„Ganz gut, ganz gut, Herr Schaller. Dann machen Sie mal. Schönes Wochenende.“ Schaller war etwas verwirrt. Er glaubte jedoch den Staatsanwalt in der Kernaussage, richtig verstanden zu haben.
Dann wurde es 15:00 Uhr. „Frau Wimmer, ich denke, wir werden hier heute nicht mehr gebraucht. Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende.“
„Gleichfalls Herr Schaller“, gab sie freundlich zurück.
In seinem Lupo legte Schaller eine CD ein, von Sting in Concert Live 2009 – An English Man In New York.
So entspannt machte er sich auf den Heimweg.
Wie gewohnt leerte er seinen Briefkasten, da fand er eine Postkarte vom Chiemsee. Er erinnerte sich an den letzten Fall. Reitschuster und er fuhren damals an den Chiemsee, um eine Verdächtige zu befragen. Es war eine sehr attraktive Frau namens Mathilde Heyer. Sie war Anfang vierzig. Damals heizte sie ihm so richtig ein. Nun waren einige Wochen vergangen. Er dachte gar nicht mehr an diese hübsche Frau. Schaller fühlte sich geschmeichelt, als er die Zeilen las:
„ Wenn es Ihnen so geht wie mir, dann sollten Sie sich so schnell wie möglich melden. Glück hat der, der schnell ist! Liebe Grüße Mathilde!“
Schaller rief sich ihr strahlendes Aussehen ins Gedächtnis. Sie war schlank, zierlich, braun gebrannt, mit langen, schönen Beinen. Diese waren noch dazu mit halterlosen Strümpfen spärlich bedeckt. Schaller musste schmunzeln bei diesen Gedanken. Die Telefonnummer hatte sie auf die Karte geschrieben, doch sollte er sich wirklich melden? Er heftete die Karte an seinen Kühlschrank. Dort würde er wenigstens ab und zu daran erinnert werden, wenn er eine Flasche Schwarzbräu herausnehmen würde. Heute wollte er noch in die Sauna gehen. Den Abend würde er im „Kupferdächle“, ausklingen lassen. Vielleicht kämen auch Obermayr und Kreuzleitner hinzu.
Als Schaller am Morgen des Samstags erwachte, hatte er sehr schlecht geschlafen. Einerseits, weil es ein sehr geselliger Abend war, andererseits dachte er immer an diese Frau vom Chiemsee. Er entschied sich dafür, eine Runde zu joggen. „Dein Organismus braucht frischen Sauerstoff, der ist ja völlig unterversorgt“, sagte er zu sich selbst. Er zog einen seiner Jogginganzüge an. Vielleicht würde ihm eine Lokalität ins Auge springen, während seines Lauftrainings. So lief er in seiner unbedarften Art los. Von seiner Wohnung in der Mindelheimer Straße lief er hinüber zum Wachsmuseum. Dann in die Bergstraße zum ehemaligen Wasserschloss. Von dort aus lief er zum Schloss Krumbach.
Er schaute sich den beeindruckenden dreistöckigen Bau an. Das wäre die geeignete Lokalität für eine Ausstellung, gleich welcher Art, dachte Schaller.
Schloss Krumbach wurde 1030 erbaut und ist ein Renaissancebau. 1213 – 1301 gehörte es zu den Markgrafen Burgau. Dann hatten es die Habsburger bis 1805 für 500 Jahre in den Händen. Danach wurde es ein Regierungsgebäude, ja es wurde sogar ein Gefängnis mit angebaut, das wusste Schaller noch genau aus dem Geschichtsunterricht. 1972 wurde es dann zum Amtsgericht des Landkreises. Schaller bekam nun wieder Luft und joggte weiter, bis er zum Heimatmuseum Krumbach kam. Da entschied er sich, die passende Lokalität gefunden zu haben! Staatsanwalt Dr. Hieber würde beeindruckt sein. Schaller hatte es nun nicht mehr weit bis zu sich nach Hause. Beim Kaiserbeck nahm er noch ein paar Semmeln mit.
Читать дальше