Elli täuschte sich jedoch gewaltig. Karin legte sehr wohl großen Wert auf ihre Reisen, aber sie zeigte nicht, wie verletzt sie über die Bemerkung ihrer Kollegin war. Das war bewusste Taktik. So gönnte sie ihrer degenerierten, perversen Zwangsgenossin keine abartige Freude, sondern zwang sie, sich eine neue Gemeinheit ausdenken zu müssen, die jedoch mit der bewährten, meist zynischen Mindest- Kommunikation wieder wie ein Bumerang zu ihr zurückkehrte. Und da Karin meist den längeren Atem hatte, waren ihre Peiniger immer gezwungen, sich ein anderes Mobbing-Opfer auszusuchen. Mit dieser Methode hatte sie am wenigsten Kraft- und Energieverlust und mutete ihren Tätern mehr Frust zu, als ursprünglich ihr zugedacht war.
Elli hatte jedenfalls im Moment keine Lust, weiter darüber nachzudenken, mit was sie diese resistente Karin noch beleidigen könnte. Da wandte sie sich lieber dem Herrn Nachtnebel zu. Der war offenbar das Gegenteil von Karin. Da er offenbar mit seinem Gehalt nicht auskam, hatte er einen Nebenjob als Nachtwächter. Naturgemäß war er daher tagsüber nicht ausgeschlafen. Er schlief daher öfters während der Arbeit ein. Sie hatte ihn schon einmal dabei beobachtet. Zuerst flackerten die Augenlider mit immer größerer Geschwindigkeit auf und zu, bis sie ganz geschlossen blieben. Dann wanderte der Kopf cm für cm immer weiter Richtung Tischplatte bis es schließlich dort landete. Das Endstadium war dann ein Schnarchkonzert, das fallweise so laut war, dass man es bisweilen durch mehrere Zimmer hören konnte.
Als Elisabeth Rotrammel wieder in ihr Büro zurückgekehrt war, hörte sie bereits das typische Schnarchen. Ja, jetzt war der richtige Augen-blick, um sich ihre hoffentlich nicht einzige berechtigte Freude - oder sollte man sagen Schadenfreude? - abzuholen. Sie klopfte zuerst sehr vorsichtig. Als keine Reaktion erfolgte, wurde sie etwas fordernder, und riss gleichzeitig die Tür auf.
Mit einem Mal war Herr Nachtnebel aufgewacht, nahm mit seinem Stempel Anlauf und erschlug damit fast das Stempelkissen. Als er jedoch Frau Rotrammel bemerkte, war Schluss mit lustig.
"Frau Rotrammel, sind Sie sich eigentlich dessen bewusst, dass sie mich wahrscheinlich völlig unnötigerweise aus meinem ersten Tiefschlaf geholt haben?"
"Oh, das tut mir aber leid. Das wollte ich bestimmt nicht."
"Es ist schon schlimm genug, wenn man von Kunden gestört wird, aber
Sie als Kollegin könnten doch etwas Rücksicht nehmen. Also, was wollen Sie?"
"Eigentlich wollte ich Sie nur an die Überwachungskamera erinnern, damit Sie durch Schlafperioden nicht zu viel an Arbeitszeit verlieren. Sie wissen ja, dass dann ein Monat Zwangsurlaub droht. Und Sie werden sich damit noch schwerer als andere tun."
"Kümmern Sie sich um Ihren eigenen Scheiß! Sonst noch was?"
"Ich wollte Ihnen ja nur einen guten Ratschlag geben um Ihnen damit zu helfen."
"Raus!"
Und ehe sie sein Büro noch verlassen konnte, traf sie am Rücken der Gesetzes-Kodex. Aber das war ihr die Sache wert. Endlich konnte sie einen Kollegen so richtig schön ärgern. Aber wenn sie es sich recht überlegte, hatte er ihr mit dem Buch die Möglichkeit geboten, "Rache" an ihm zu nehmen. Und so konnte man das Spielchen endlos in die Länge ziehen. Irgendwo musste man sich ja eine dauerhafte „Freude“ sichern.
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