1 ...6 7 8 10 11 12 ...26 „Wenn man diesen Job hier macht, dann bekommt man nicht von jedem die Hand. Was kann ich für Sie tun?“
Knoop grinste. „Was für Leute sind hier untergebracht? Nationalitäten meine ich.“
Niedrighaus atmete tief durch. Dann bewegte er bei der Nennung jeden Namens einen Finger seiner rechten Hand. „Iraker, Syrer, Eritreer und Afghanen. Wir hatten auch mal Somalier hier, aber die sind nun in Wesel. Die haben sich immer mit den Eritreern gefetzt. Weiß der Teufel warum. Die Restlichen sind aber friedlich.“
„Ist doch klar“, mischte sich Höfftner in das Gespräch ein. „Die beiden Länder befinden sich im Kriegszustand.“
Keiner ging aber auf ihre Bemerkung ein.
„Können wir eine Liste aller Bewohner haben?“
Werner Niedrighaus kratzte an seinem Mongolenbart. „Welche wollen Sie?“
Knoop zog seine Stirne in Falten. „Ich verstehe nicht. Können Sie...“
„Wissen Sie. Wir haben hier Betten für 40 Personen. Aber es kann sein, dass sich hier mehr Personen aufhalten. Es handelt sich um Fremdschläfer, wie wir sagen. Das können Freunde, Bekannte oder Familienangehörige sein. Die kommen aus anderen Heimen. Weiß der Teufel, wie die hier an Ihre Adressen kommen. Es kann aber auch sein, dass sich hier nur 15 Menschen aufhalten.“
„Und wie viele haben sich in den letzten Tagen hier aufgehalten?“ Die Stimme gehörte zweifelsfrei Höfftner.
„Das kann ich nur schätzen. Im Moment könnten es 45 sein. Genau weiß ich es nicht. Das immer zu kontrollieren wäre ein zu großer Aufwand.“ Niedrighaus zuckte mit den Schultern. „Ich bin hier alleine. Tut mir leid, ehrlich.“
„Geld?“, mutmaßte Ingrid Höfftner. Sie unterstrich mit einer zählenden Handbewegung ihre Worte.
Der Hausmeister schüttelte seinen Kopf. „Nein, wir sind kein Gefängnis. Wir haben hier keine 24-stündige Zugangskontrolle. Auch Asylanten dürfen sich frei bewegen. Wenn auch nur in einem angeordneten Kreis. Residenzdingsbums heiß das. Nee, wer will das denn kontrollieren? Wir kontrollieren auch nicht das Geld unserer Bewohner. Ich weiß, dass man hier Zigaretten klaut, auch gibt es hin und wieder kleinere Diebstähle. Meist werden die Sachen dann versilbert. Aber von mir haben Sie das nicht.“ Werner Niedrighaus legte seine zigarettenfreie Hand auf den Mund.
„Wie sieht es hier mit Gewalttätigkeiten aus“, wollte Knoop wissen?
Niedrighaus zog die Enden seines Mongolenbarts lang. „Das ist nicht einfach zu beantworten. Meist geschieht hier nichts.“
„Sie wollen uns doch nicht erzählen, dass hier die friedlichste Asyl-Unterkunft Deutschlands ist.“ Höfftners Stimme wurde lauter.
Der Hausmeister räusperte sich. „So war das nicht gemeint. Ich dachte hier eher an Mord und Totschlag. Aber Schlägereien nach einer Sauferei, das gibt es hier schon.“
„Können Sie Namen nennen?“ Diesmal war es Laurenzo, der sich einmischte. Er hielt dem Mann im grauen Kittel dabei sein Smartphone hin, bei dem er die Sprachaufzeichnung eingeschaltet hatte. Der Angesprochene überlegte. „Also, ich kann nur etwas sagen über Zusammenstöße, bei denen ich eingreifen musste. Es sind immer Männer, die randalieren. Mir fällt da Bozam Kharadel ein, ein irakischer Sunnit.“ Bozam ist ein lieber Kerl, wenn er keinen Alkohol intus hat. Er will nicht warten, bis Allah ihm die Jungfrauen zuführt. Er will sie jetzt, jetzt gleich und in doppelter Menge.“ Ein Hustenreiz unterbrach die Schilderung. „Aber an Frauen kommt er wohl nicht ran. Aus Frust säuft er. Dann war da ein Apan Okolele mit beteiligt. Apan kommt mit seinen zwei Frauen und fünf Kindern aus Somalia. Beide, also Bozam und er, haben sich mit Stuhlbeinen verdroschen. Worum es bei solchen Streitigkeiten geht?“ Niedrighaus zuckte mit den Achseln. „Man versteht ja nicht, worum es sich dabei handelt. Ich gehe einfach dazwischen. Vor mir haben die Respekt.“ Er zeigte seinen Bizeps, während er erneut hustete. „Dann hören die schon auf, wenn ich die am Genick habe. Wenn die Köpfe knallen, dann werden sie alle friedlich.“
„Gibt es sonst noch jemanden, der gewalttätig ist?“ Es war wieder Ingrid Höfftner, die sich einmischte.
Niedrighaus spitzte die Lippen. „Ja, - da war noch ein Vorfall. Er ist aber schon über eine Woche her. Abdul, Youssef und Aiman hatten eine Schlägerei. Abdul, er heißt eigentlich Abdulbaki Kiryiaki, hatte den Fernseher des Raumes aus dem Fenster geworfen. Er hat den anderen beiden vorgehalten, schweinische Filme zu sehen. Man muss dabei wissen, Abdul ist ein gläubiger Schiit aus Syrien.“ Während er sich erneut eine Zigarette ansteckte, hustete er mehrfach in die Hand, die das Feuerzeug hielt. „Entschuldigung! Er betet fünfmal am Tage und schaut nur saubere Sender, was immer das zu bedeuten hat. Youssef und Aiman haben die Vorwürfe natürlich bestritten. Sie behaupteten, Abdul erlaube ihnen nicht, Sportübertragungen zu sehen. Wenn beim Fußball ein Spieler sein Trikot auszieht, dann sieht Abduhl rot. Youssef ist Libanese und ein moderater Moslem. Aiman, der Iraker, ist da strenggläubiger, wenn auch nicht so schlimm wie Abdul. Sonst ist nichts. Bis auf das tägliche Geblöke beim Duschen, Kochen und Toilettengang.“
„Was können Sie uns über Nomfunda Mafalele sagen?“ Mikael Knoop hatte wenig Interesse an Tratsch, aber hier gehörte das dazu. Er trat gegen einen Kieselstein, der über die Bordsteinplatten humpelte und in einem Rasenstück verschwand.
„Nomi meinen Sie?“
Knoop nickte.
„Na, ja. Das erste, was mir einfällt, die glaubte an Geister und so´n Scheiß. Schwafelte von einem Gespenst, das sie häufig aufsuchte. Die hat doch glatt verlangt, ein anderes Zimmer zu bekommen. Als ob wir hier im Hotel wären und man sich die Zimmer aussuchen kann?“ Die Stimme klang entrüstet. „Die hatte so eine Puppe, aus Stroh meine ich, die wurde immer mit Nadeln traktiert.“ Er hustete anhaltend, inhalierte dann mehrmals wieder tief. „Was mir noch einfällt: Selbstbewusst war sie, sehr selbstbewusst. Sie ließ sich nichts gefallen. Bei den zwei Mitbewohnerrinnen auf dem Zimmer hatte sie das Sagen. Ja, die hatte ihre Mannschaft im Griff. Regelte aber für die auch alles. Wenn ich ein Problem habe, ääh ich meine hatte, dann habe ich immer sie angesprochen.“
Carlos schaute auf das Display, um es dem Wart erneut hinzuhalten. „Was ist mit Prostitution?“
Niedrighaus grinste schmierig. „Das habe ich auch gehört, aber nie gesehen. Hier im Haus geht so was überhaupt nicht. Also, müsste sie Hausbesuche gemacht haben oder wie die Karnickel im Busch.“ Er lachte laut über seine eigene Wortwahl. „Man sagt, Sie machte es wohl für Geld. Aber sie machte es nicht mit jedem. Habe ich jedenfalls gehört.“
„Das müssen Sie uns erklären.“ Ingrid Höfftner zog mit den Fingerspitzen ihre fettigen Haare lang. Dabei richtete sie ihren Blick auf das Gesicht des Angesprochenen.
Werner Niedrighaus räusperte sich. „Na ja, sie machte es wohl für Geld. Aber sie suchte sich die Männer aus. Man könnte sagen, ´ne Edelnutte, wenn sie nicht schwarz wäre.“ Er grinste wieder. „Mehr weiß ich aber auch nicht.“
Es trat eine Pause ein. Knoop überlegte, ob er etwas auf die Verunglimpfung antworten sollte, ließ es dann aber bleiben. Seine beiden Kollegen legten eine Denkpause ein. Es war Höfftner die den Faden wieder aufnahm.
„Wo ist denn das Geld? Wir haben nichts auf Ihrem Zimmer gefunden.“
Der Hausmeister zuckte mit den Schultern. „Ich habe auch nie gesehen, dass sie Geld hatte. Für sich hat sie es jedenfalls nicht ausgegeben. Man munkelt, es gäbe da einen Zuhälter. Habe den aber nie gesehen.“
Laurenzo spielte die Sprachaufzeichnung noch einmal ab, bevor er sie ausschaltete. „Wen nehmen wir uns denn jetzt vor? Ich schlage vor, wir fangen bei dem Syrer an. Meint ihr nicht auch?“
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