Im Jet setzten sie sich einander gegenüber auf zwei Fensterplätze. Leonie Krüger begann in ihrer Handtasche zu kramen. Amüsiert schaute Fox ihr zu, bis die Maschinen des Fliegers starteten und sie die Tasche resigniert auf den Platz neben sich stellte.
-„Dann setzen Sie mich doch mal in Kenntnis. Was werden wir heute unternehmen, um den Anschlägen auf den Grund zu gehen?“ Sie stützte ihren Kopf auf die gefalteten Hände und blickte interessiert in sein Gesicht.
-„Haben Sie wirklich noch keine Informationen bekommen?“ Fox konnte es nicht fassen, dass er nun eine Lagebesprechung abhalten musste.
-„Das Einzige, das ich weiß, ist, dass ich Sie nach Libyen begleiten soll und dass wir auf die Suche nach Hinweisen zu den Terroristen gehen.“
-„Man hat Sie also nicht eingewiesen? Sie wissen nicht, dass wir in das Rekrutierungsgebiet der Libysch Islamischen Kampfgruppe fahren, die Verbindungen zu Al Kaida unterhält?“
Sie blickte ihn etwas hilflos über die kleine Rose auf dem Tisch hinweg an.
-„Tut mir leid. Mir wurde nichts Genaues erzählt. Es war sowieso von Anfang an ein Streit der Ministerien. Jeder wollte einen Mitarbeiter von sich dabei haben. Der Verteidigungsminister hat sogar eine ganze Truppe bereitgehalten. Aber Außenministerium, Kanzleramt und mein Ministerium haben beschlossen, die Sache diplomatisch anzugehen. Im Endeffekt wurde ich dann losgeschickt, weil der Innenminister wohl die besten Argumente hatte.“
Aber offensichtlich auch allerhand Wichtigeres zu tun, bei dem er seine besten Mitarbeiter brauchte, dachte Colin. Und dass die Politiker rein gar nichts von Außeneinsätzen verstanden, wurde erneut offensichtlich, da es sicherlich keine gute Entscheidung war, Büroangestellte ins offene Feuer zu schicken.
-„Ich kann Ihnen jetzt keinen kompletten Lage- und Instruktionsbericht geben. Aber wir werden ab Benghazi mit einem Jeep und einer Einheit des örtlichen Militärs in das Kyrenaika-Gebirge Al-Jabal Al-Akhdar fahren und uns dort umsehen. Es ist gut möglich, dass wir ins offene Feuer fahren, deshalb werden Sie mit schusssicherer Weste ausgestattet.“
Leonie Krüger schluckte. Offensichtlich war es ihr nun doch etwas mulmig zumute, da sie jetzt wusste, was kommen würde. Schnell setzte sie aber wieder ihr selbstsicheres Lächeln auf.
-„Tragen Sie denn keine Weste?“, fragte sie besorgt.
-„Doch, aber nicht zwingend eine kugelsichere. Ich werde während des Fluges noch mit einer Waffe ausgestattet und erhalte wie die Soldaten in Benghazi ein Maschinengewehr. Es kann sein, dass es dort auch noch Schutzwesten für die Truppe gibt, aber zwangsläufig dürfen wir nicht davon ausgehen. Sie gelten als Zivilist und werden dementsprechend geschützt.“
-„Zivilistin“, verbesserte sie ihn, was allerdings im Lärm der Motoren unterging, die sich lautstark meldeten, als die Maschine den Boden verließ. „Ist das denn nicht zu gefährlich für Sie?“, fragte sie dann aber viel freundlicher und mit leicht zur Seite geneigtem Kopf, was Fox unglaublich anziehend fand.
Zuerst wusste er nicht, ob er sich ärgern oder freuen sollte, dass sie diese Frage stellte. Dann entschied er sich aber dafür es positiv aufzufassen.
-„Machen Sie sich etwa Sorgen um mich?“, grinste er.
-„Ach wo, Sie werden das schon machen. Obwohl..., eigentlich kenne ich Sie ja überhaupt nicht...“
-„Und dazu werden Sie bei einem Einsatz in Libyen auch kaum eine Gelegenheit bekommen“, gab er zurück.
-„Wie schade. Da gäbe es sicher eine Menge kennenzulernen.“
-„Aber unbedingt. Für eine Frau jederzeit.“
-„Andererseits könnte sich eine Frau auch durch ihr leicht arrogantes und teils chauvinistisches Benehmen irritiert oder sogar abgestoßen fühlen.“
-„Was mich nachdenklich und vor allem traurig stimmen würde.“
-„Womit eine Frau doch das erreicht hätte, was sie wollte. Entschuldigen Sie mich bitte für den einen Moment.“
Leonie Krüger verschwand und Fox hatte Zeit, aus dem Fenster zu sehen. durch ihren kleinen Wortwechsel hatte er gar nicht gemerkt, dass sie den Bodensee bereits überquert und hinter sich gelassen hatten. Unter ihnen lag das Fürstentum Liechtenstein, eine der Steueroasen Europas und mit rund siebzigtausend Einwohnern auch eins der kleinsten Länder der Welt. In einer Stunde schon würden sie nach Passieren des Schweizer Luftraums die italienische Küste und die Adria erreichen. Dann wären es nochmal etwa hundert Minuten bis zur libyschen Küstenstadt.
Über den Auftrag nachdenken mochte er nicht schon wieder. Er würde schon noch früh genug wieder vollkommen adrenalingeladen in die Mission einsteigen. Jetzt war Zeit für ein bisschen Entspannung. Es gab da allerdings noch etwas, das ihn beschäftigte.
Nun gut, seine Begleiterin hatte ihm Arroganz und Chauvinismus vorgeworfen. Aber das war eigentlich das erste Mal, dass er auf diese Haltung aufmerksam gemacht wurde. Es hatte ihn zwar nachdenklich gestimmt, aber das war nicht des Rätsels Lösung bei seinem Lavinia-Problem. Denn grundsätzlich war er nicht arrogant und chauvinistisch. Im Gegenteil. Diese besondere Art hatte erst in den letzten Monaten einen Frühling gefunden, vermutlich seines Frustes wegen. Aber Lavinia kannte ihn schon eine ganze Weile länger und sie hatte seine aufkeimende Arroganz nie zu spüren bekommen. Was ihm aber durch die mahnenden Worte von Leonie Krüger viel deutlicher wurde, war, dass er der vielleicht anspruchsvollste junge Mann der ganzen Welt war. Immerhin hatte er reihenweise Gelegenheiten eine feste Beziehung zu führen oder, wenn er wollte, etwas Flüchtiges anzufangen. Aber keine Frau der Welt war ihm gut genug. Er hatte nur Lavinia im Sinn. Selbst die Annäherungsversuche von Miss Maytree, die ihn bei ihrer ersten Begegnung im Service noch mit herablassenden Blicken gestraft hatte, waren ihm egal. Und auch seine Begleiterin war zwar sehr nach seinem Geschmack, aber eben auch nicht mehr. Früher wäre er die Sache schon ganz anders angegangen.
Leonie Krüger kam gerade zurück und setzte sich wieder auf ihren Platz ihm gegenüber, da trat aus dem Cockpit ein muskulöser, großgewachsener und trotzdem leicht dicklicher Typ in khakifarbenem Hemd und abgewetzter Jeans. Er hielt Fox eine Walther PPQ vor die Nase.
-„Hier, nur das Feinste vom Ausrüster persönlich. Irgendwas hat Opal Gamma da noch dran verändert. Aber fragen Sie mich nicht was! Ach ja, und die Schutzweste liegt bereits bei Ihrem Gepäck, Ma’am.“ Der Mann drehte sich um und ging zurück ins Cockpit.
Fox steckte sich die PPQ in das Halfter, das er bereits vor der Abreise umgelegt hatte und schaute dem Mann mit einem Kopfschütteln nach.
-„Joa, solche Mitarbeiter hat der Service also auch“, lachte er. Sie lächelte zurück.
-„Die Weste bei meinem Gepäck habe ich gerade auch schon gesehen. Sieht so aus, als wären Ihre Leute zumindest gut vorbereitet.“
„Sie sind sogar so gut vorbereitet, dass ich ihnen jetzt zutraue uns sicher bis nach Libyen zu bringen, während ich meine Kräftetanks auflade und mich so lange aufs Ohr haue.“ Er stellte seinen Sitz zurück, blickte ein letztes Mal dem Lächeln seiner Begleiterin entgegen und fiel dann nach wenigen Minuten in einen tiefen Schlaf.
Er träumte von jungen Frauen, die sich um ihn stritten, dann aber alle gemeinsam mit ihm ins Bett gingen. Danach erzählte er ihnen von seinen bisherigen Abenteuern und dass er einmal eine ganze Terroristengruppe allein zur Strecke gebracht hatte. Doch während die jungen Frauen an seinen Lippen hingen und jedes einzelne seiner Wörter aufsogen, erschien Lavinia im Raum und sah ihn entsetzt an.
In diesem Moment erwachte er. Fox blickte in das besorgte Gesicht von Leonie Krüger. Sie sagte nichts und er schaute verlegen aus dem Fenster. Sie setzten bereits zur Landung an. Unter ihnen erkannte man die Küste Libyens und die typisch nordafrikanischen Bauten von Benghazi.
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