Horst Bosetzky
Das Attentat
auf die Berliner U-Bahn
Roman
Jaron Verlag
Taschenbuchausgabe
1. Auflage dieser Ausgabe 2015
© 2008 Jaron Verlag GmbH, Berlin
Alle Rechte vorbehalten. Jede Verwertung des Werkes und aller seiner Teile ist nur mit Zustimmung des Verlages erlaubt.
Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Medien.
www.jaron-verlag.de
Umschlaggestaltung: Bauer+Möhring, Berlin, unter Verwendung eines Fotos vom Siemensarchiv München
Satz: Pinkuin Satz und Datentechnik,
1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2015
ISBN 978-3-95552-212-4
Sich zu mühen und mit dem Widerstande
zu kämpfen ist dem Menschen Bedürfniß,
wie dem Maulwurf das Graben.
Arthur Schopenhauer
Cover
Titel Horst Bosetzky Das Attentat auf die Berliner U-Bahn Roman Jaron Verlag
Impressum Taschenbuchausgabe 1. Auflage dieser Ausgabe 2015 © 2008 Jaron Verlag GmbH, Berlin Alle Rechte vorbehalten. Jede Verwertung des Werkes und aller seiner Teile ist nur mit Zustimmung des Verlages erlaubt. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Medien. www.jaron-verlag.de Umschlaggestaltung: Bauer+Möhring, Berlin, unter Verwendung eines Fotos vom Siemensarchiv München Satz: Pinkuin Satz und Datentechnik, 1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2015 ISBN 978-3-95552-212-4
Zitat Sich zu mühen und mit dem Widerstande zu kämpfen ist dem Menschen Bedürfniß, wie dem Maulwurf das Graben. Arthur Schopenhauer
Eins - 1877
Zwei - 1878
Drei - 1879
Vier - 1880
Fünf - 1881
Sechs - 1883
Sieben - 1891
Acht - 1893
Neun - 1894
Zehn - 1895
Elf - 1896
Zwölf - 1896
Dreizehn - 1897
Vierzehn - 1898
Fünfzehn - 1899
Sechzehn - 1900
Siebzehn - 1900
Achtzehn - 1901
Neunzehn - 1901
Zwanzig - 1902
Nachwort zur Originalausgabe 2008
Literatur
Ebenfalls im Jaron Verlag erschienen
»Berlin braucht dringend eine Hochbahn!«, rief Germanus Cammer und erregte sich bei diesem Thema derart, dass er sich verschluckte und erst nach einem heftigen Hustenanfall fortfahren konnte. »Sonst erstickt es an seinem Straßenverkehr so wie ich an meinem Stück Buttercremetorte.«
Jeder, der an der Kaffeetafel saß, lachte auf und hielt das Ganze für ein Hirngespinst à la Jules Verne.
»Stellt euch bloß mal vor, Unter den Linden fährt ’ne Hochbahn!« Gustav Mahlgast, das Geburtstagskind, konnte sich darüber köstlich amüsieren. »Und wenn da ’n Rad abgeht, fällt es dem Alten Fritzen auf den Dreispitz.«
Germanus Cammer murmelte, sein Schwager möge nur aufpassen, dass bei ihm kein Rad ab sei, wurde dann aber wieder sachlich und verwies darauf, dass man in London schon seit vierzehn Jahren Dampfzüge durch Tunnelröhren fahren ließ, um auf den Straßen Platz für Menschen und Pferdefuhrwerke zu haben. »Aber ein Tunnel ist schnell verqualmt, und die Wände sind verrußt. Dem entgeht man, wenn man die Züge hoch über der Straße verkehren lässt, und so wird man in New York schon bald dampfbetriebene Hochbahnen haben.«
Hertha Mahlgast wies zum Belle-Alliance-Platz hinüber. »Ich möchte nicht, dass mir von dort Ruß und Dampf ins Zimmer gepustet werden. Und dazu der Lärm der Lokomotiven!«
»Das fällt alles weg, wenn wir die Züge mit einem elektrischen Antrieb versehen.« Germanus Cammer war Ingenieur und hielt den Anwesenden nun einen längeren Vortrag. Mit 33 Jahren, 1865, war er in die Firma Siemens & Halske eingetreten. Wie der Firmengründer selbst kam er vom Militär, hatte als Offiziersanwärter bei der Brandenburgischen Artillerie begonnen, war zur Artillerie- und Ingenieurschule nach Berlin entsandt worden und hatte dort seine Liebe zur elektrischen Telegraphie entdeckt. Ihr hatte er auch seine militärische Karriere geopfert und all seine Hoffnung auf Siemens gesetzt. Er war dabei, als Werner Siemens 1866 das dynamoelektrische Prinzip entdeckt und darauf basierend den Elektromotor entwickelt hatte. Schnell hatten Siemens und seine Ingenieure begriffen, dass man mit einem solchen Motor auch die Achsen schienengebundener Fahrzeuge antreiben konnte, wenn es denn gelang, sie während der Fahrt mit Strom zu versorgen. Bis dahin war es aber noch ein weiter Weg. Die Akkumulatoren, die man zur Verfügung hatte, waren viel zu schwach und so riesig, dass für die Passagiere kaum noch Platz geblieben wäre. Hier neue Lösungen zu finden wurde Germanus Cammers neue Leidenschaft, und so schwärmte er auch heute wieder von den ungeheuren Möglichkeiten der elektrischen Bahnen.
Mochten die Erwachsenen alldem auch noch so skeptisch gegenüberstehen, die beiden Knaben lauschten am Katzentisch mit heißem Herzen, denn Hermann und Ludolf waren leidenschaftlich angetan von allem, was auf Schienen fuhr.
Hermann Mahlgast, im Februar elf Jahre alt geworden, war eine behagliche Natur. Es gab Menschen, die ihn träge nannten, doch da irrten sie, es dauerte nur eine Weile, bis er sich in ungewissen Situationen einen Überblick verschafft und die optimale Reaktion herausgefunden hatte. Wie kein anderer verkörperte er das Prinzip »Erst wägen, dann wagen«. Dieser Charakterzug hatte sich schon in frühester Kindheit abgezeichnet, und er wurde immer ausgeprägter, je älter Hermann wurde. Seine Verwandten, Lehrer und Nachbarn führten es auf die Vererbung zurück, denn sein Vater, Archivsekretär im Preußischen Innenministerium, war die Ruhe selbst und gab mit feiner Selbstironie die Schnecke als sein Lieblingstier an. Seine Mutter kam von einem Bauernhof im Oderbruch, und von ihr hatte er das Bodenständige und die blonden Haare geerbt.
Ludolf Tschello, ein knappes Jahr älter als Hermann, war ein gefühlsbetonter und mitunter sehr impulsiver Mensch. Sprunghaft nannten ihn seine Lehrer, und oft genug bekam er für seine Vergehen gegen die Schuldisziplin die Haselrute zu spüren, oder er musste in der Ecke stehen und nachsitzen. Andererseits war er in der Auffassungsgabe allen anderen überlegen und wurde bei den allfälligen Visitationen des Herrn Oberschulrates gern als Musterschüler präsentiert. Hoch aufgeschossen war er, fast schon mager, und vom Typ her südländisch, was daher kam, dass seine Vorfahren väterlicherseits aus Österreich kamen. Sein Vater war Geiger in der Kapelle von Benjamin Bilse, seine Mutter war die Tochter eines Gutsverwalters aus der Gegend um den Schwielochsee.
Die beiden Jungen kannten sich von der Wiege an, denn schon ihre Mütter waren gemeinsam zur Schule gegangen.
Endlich war das förmliche Kaffeetrinken zu Ende, und sie hörten die erlösenden Worte, auf die sie schon so lange gewartet hatten: »Ihr könnt jetzt spielen gehen.« Und sofort waren sie im Treppenhaus und fegten auf die Straße hinunter. Das, was man ihnen hinterherrief, nahmen sie schon gar nicht mehr wahr, es war ja auch immer dasselbe: »Und passt auf, dass ihr nicht in den Kanal fallt!«
Gustav und Hertha Mahlgast, die besorgten Eltern, wohnten seit drei Jahren in der Tempelhofer Vorstadt, genauer gesagt in der Villensiedlung Wilhelmshöhe an der Tivoli-Brauerei, also da, wo die »besseren Leute« zu Hause waren: Beamte, Offiziere, Akademiker, Kaufleute und Handwerksmeister. Von der Belle-Alliance-Straße hatten es die beiden Jungen nicht weit bis zum Schöneberger beziehungsweise Tempelhofer Ufer und den Brücken, auf denen die Potsdamer, die Anhalter und seit kurzem auch die Wannseebahn die Straße überquerten. Natürlich war es strengstens untersagt, auf den Bahndamm zu klettern, um die vorbeihuschenden Züge aus nächster Nähe zu bestaunen, aber was scherte sie das. Und wenn sie auch nicht wussten, wann Julius Caesar ermordet worden war, wie die Hauptstadt Schwedens hieß und wie cucullus non facit monachum zu übersetzen war, so hatten sie doch alles im Kopf, was die Berliner Bahnen betraf.
Читать дальше