Horst Bosetzky - Das Duell des Herrn Silberstein

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Mitte des 19. Jahrhunderts ist die Jüdische Gemeinde in Berlin so stark angewachsen, dass der Bau einer neuen Synagoge unumgänglich wird. Ausreichend Platz soll das neue Gotteshaus in der Oranienburger Straße bieten, und repräsentativ muss es sein. Die Gemeinde beschließt, den Auftrag auszuschreiben. Der Architekt Friedrich Silberstein, bisher nur mäßig erfolgreich, wittert die Chance seines Lebens. Selbst Mitglied der Gemeinde, sieht er sich entscheidend im Vorteil. Doch eines Morgens wird Silberstein erschossen auf dem Baugrundstück aufgefunden. Neben dem ehrgeizigen Kommissarius Schlötel stellt auch Aaron, der Sohn Silbersteins, Nachforschungen an. War es ein Konkurrent des ermordeten Architekten, Friedrich August Stüler vielleicht? Oder ist das Motiv in der konfessionell gespaltenen Gemeinde zu suchen? Und welche Rolle spielt Silbersteins Frau, die schöne Sarah? Erfolgsautor Horst Bosetzky ist es gelungen, in einem packenden Roman Berliner Geschichte lebendig werden zu lassen. „Das Duell des Herrn Silberstein“ ist ein spannender Doku-Krimi um den Bau der Neuen Synagoge, eines der schönsten Gotteshäuser Berlins.

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Horst Bosetzky

Das Duell des

Herrn Silberstein

Roman

Jaron Verlag

Taschenbuchausgabe

1. Auflage dieser Ausgabe 2016

© 2005 Jaron Verlag GmbH, Berlin

Alle Rechte vorbehalten. Jede Verwertung des Werkes und aller seiner Teile ist nur mit Zustimmung des Verlages erlaubt.

Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Medien.

www.jaron-verlag.de

Umschlaggestaltung: Bauer + Möhring, Berlin, unter Verwendung eines Gemäldes von Emil de Cauwer

(Die Synagoge in der Oranienburger Straße, 1865)

Satz und Layout: Pinkuin Satz und Datentechnik, Berlin

E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH 2016

ISBN 978-3-95552-228-5

Nehmen wir Gewesenes und Seiendes für das,

was es ist: für ein Spiel; traurig oder schön …

immer nur für ein Spiel, dessen Sinn wir nicht kennen.

Georg Hermann, Henriette Jacoby

Inhalt

Cover

Titel Horst Bosetzky Das Duell des Herrn Silberstein Roman Jaron Verlag

Impressum Taschenbuchausgabe 1. Auflage dieser Ausgabe 2016 © 2005 Jaron Verlag GmbH, Berlin Alle Rechte vorbehalten. Jede Verwertung des Werkes und aller seiner Teile ist nur mit Zustimmung des Verlages erlaubt. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Medien. www.jaron-verlag.de Umschlaggestaltung: Bauer + Möhring, Berlin, unter Verwendung eines Gemäldes von Emil de Cauwer (Die Synagoge in der Oranienburger Straße, 1865) Satz und Layout: Pinkuin Satz und Datentechnik, Berlin E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH 2016 ISBN 978-3-95552-228-5

Zitat Nehmen wir Gewesenes und Seiendes für das, was es ist: für ein Spiel; traurig oder schön … immer nur für ein Spiel, dessen Sinn wir nicht kennen. Georg Hermann, Henriette Jacoby

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Danksagung

Anmerkung zu den hebräischen Begriffen

Literatur

Ebenfalls im Jaron Verlag erschienen

Kapitel 1

»IHR BERLINER braucht unbedingt eine neue große Synagoge!«, sagte Tharah Seligsohn.

»Wieso? Die in der Heidereutergasse wird doch gerade ausgebaut.« Aaron Silberstein, sein um sechs Jahre jüngerer Schwager, war in dieser Sache nicht leicht zu begeistern.

»Auch nach dem Ausbau werden die Plätze nicht reichen. Ich werde noch einmal mit dem Gemeindevorstand reden, am besten mit Heymann selber.«

»Wie das?« Aaron Silberstein war mehr als erstaunt, denn Aron Hirsch Heymann zählte ebenso wie Tharah Seligsohn zu den Orthodoxen. »Ich denke, ihr seid gegen einen Neubau, weil ihr denkt, dass die Reformer da das Sagen haben werden?«

»Dein Vater könnte sie entwerfen.« Tharah Seligsohn hatte leuchtende Augen bekommen. »Mein Schwiegervater.«

Aaron Silberstein ließ sich nicht anstecken. »Der Name Friedrich Silberstein steht für Wasserwerke und für Amtsgebäude. Setz ihm da bloß keinen Floh ins Ohr!«

»Ich meine es gut mit ihm.«

»Ich auch.«

Ihren Dialog führten sie in der Notsynagoge Auguststraße, unweit des alten Jüdischen Krankenhauses und des Jüdischen Waisenhauses für Mädchen.

Ein Stückchen vor ihnen saß Meir Rosentreter und murmelte andauernd dasselbe: »Hütet euch, dass ihr nicht vergesset den Bund des Ewigen eures Gottes, den er mit euch geschlossen, und euch machet ein Bild, Abbild von irgendetwas, worüber dir der Ewige dein Gott geboten.«

So stand es im 5. Buch Mose, im 4. Kapitel, Vers 23, aber die anderen konnten sich keinen rechten Reim darauf machen, warum sich Rosentreter ausgerechnet an dieser Textstelle der Tora festgebissen hatte. »… und euch machet ein Bild …«

Tharah Seligsohn stieß seinen Schwager an. »Rosentreter ist einer meiner besten Freunde, aber … er muss Angst haben vor dem Zorn des Herrn. Manchmal ist er mir richtiggehend unheimlich. Er trägt irgendein Geheimnis in sich. Hoffentlich ist er in keine finsteren Machenschaften verwickelt.«

»Psst. Es ist abgesprochen, dass ich seine Tochter heirate.«

»Wir sehen uns ja alle zu Pessach.« Und Tharah Seligsohn fuhr fort im Morgengebet: »Dein Wille sei es, Ewiger, unser Gott und der Gott unserer Väter, gewöhne uns an deine Lehre, lass uns anhangen deinen Geboten, lass uns nicht zu Sünde, Vergehung und Schuld, nicht in Versuchung und nicht in Schande kommen, lass den bösen Trieb nicht über uns herrschen, halte uns fern von bösen Menschen, von bösen Gefährten …«

DIE SELIGSOHNS wohnten in Strausberg, am nordöstlichen Ufer des Straussees. Tharah Seligsohn handelte mit seidenen Stoffen und Westen und hatte es, obwohl erst 36 Jahre alt, schon zu einigem Wohlstand gebracht. Er war immer bemüht, ein vorbildliches jüdisches Leben zu führen, und hütete das Erbe seiner Väter wie einen Schatz. Das schuldete er schon seinem Vornamen: Denn Tharah war es, der Abram beziehungsweise Abraham gezeugt hatte. Seine Frau Rahel, die acht Jahre jünger war als er, hatte er im Hause des orthodoxen Rabbiners Esriel Hildesheimer kennen und lieben gelernt. Zwei Kinder waren ihnen bisher geschenkt worden: Rebekka, die gerade neun Jahre alt geworden war, und Haran, der zu Purim seinen siebenten Geburtstag gefeiert hatte. Beide wurden von einem Hauslehrer erzogen und gaben zu den besten Hoffnungen Anlass.

Pessach sollte an die Befreiung der Kinder Israels aus der Knechtschaft in Ägypten vor mehr als dreitausend Jahren erinnern. Rahel Seligsohn, unterstützt von Rebekka und ihrem jüdischen Dienstmädchen, hatte mit den Pessach-Vorbereitungen alle Hände voll zu tun. Das Einkaufen war mühsam, denn es mussten alle Lebensmittel vermieden werden, die Chamez enthielten, also Gesäuertes. »Denn wer Gesäuertes isst, die Seele wird aus Israel vernichtet, vom ersten Tage bis zum siebenten Tage.« Chamez war jede der fünf Getreidearten – Weizen, Roggen, Gerste, Hafer und Spelt –, wenn sie für mindestens achtzehn Minuten mit Wasser in Kontakt gekommen war, weil von solcherlei Korn oder Mehl angenommen wurde, dass der Säuerungsprozess begonnen hatte. Nur Mazzot durften gegessen und im Hause aufbewahrt werden: ungesäuerte und auf spezielle Art gebackene dünne Brotscheiben.

Alle Öfen und Herde mussten für Pessach gekaschert , das heißt durch bestimmte Maßnahmen wieder koscher gemacht werden. Bei Gefäßen und Geräten geschah dies mit heißem Wasser, bei Bratpfannen und -spießen, Backblechen, Backöfen und Herden dadurch, dass man sie »glühte«, also der Hitze des Feuers aussetzte.

Als Tharah Seligsohn in der Nacht vor Pessach nach Hause gekommen war, begann die zeremonielle Suche nach Chamez. An ihr hatten die Kinder immer große Freude, denn sie durften vorher Brotstücke verstecken, damit sicher war, dass Chamez auch wirklich gefunden wurde. Tharah Seligsohn zündete eine Kerze an und ging mit ihr von Zimmer zu Zimmer, um Chamez zu suchen. Dann folgten Keller und Dachboden, denn auch hier war vielleicht gegessen worden. Alle Krümel wurden mit einer Feder zusammengefegt und kamen auf einen großen Holzlöffel, um am nächsten Morgen verbrannt zu werden.

»Wie viele Stücke hast du gefunden?«, fragte Rebekka ihre Mutter.

»Vier.«

»Stimmt.« So viele Brotstücke hatten sie versteckt.

Tharah Seligsohn konnte nun Bittul sagen: »Aller Sauerteig und alles Chamez, das in meinem Besitz ist, welches ich nicht gesehen und nicht vernichtet habe, soll nichtig und besitzerlos sein wie der Staub der Erde.«

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