-„Whisky Soda on the Rocks, bitte.” Er kramte bereits einige Münzen hervor, als er ihren überraschten Blick bemerkte.
-„Tut mir leid, aber Alkohol haben wir nicht im Angebot. Wie wäre es mit einem Tee?“
Unwillkürlich musste er lachen. Wie konnte er nur vergessen, dass Alkohol in diesem Land verboten war! Und der Vorschlag „Tee“ schien auch nicht verwunderlich, immerhin war es das beliebteste Getränk Libyens. Die junge Frau schien sein Lachen missverstanden zu haben. Sie lächelte zwar, fragte aber „Keinen Tee?“, und blickte ratlos unter den Tresen.
-„Könnte ich vielleicht einen Espresso bekommen?“
Die Miene der Rezeptionistin hellte sich auf.
-„Natürlich. Espresso ist kein Problem.“
Sie verschwand wieder durch die Tür, durch die sie gekommen war und Fox nahm kopfschüttelnd eine Zeitung aus dem Ständer. Die gesamte erste Seite der Times war voll mit Berichten über den drohenden Zusammenbruch Europas. Es schien kein anderes Thema mehr zu geben. Während er lustlos einige Artikel überflog, wurde sein Espresso gebracht. Immerhin würde der ihm über seine Müdigkeit hinweg helfen.
-„Milch oder Zucker?“, fragte die Frau.
-„Keins von beiden.“ Fox wollte schließlich die volle Wirkung des „Wachmachers“.
Die Rezeptionistin nickte und verschwand wieder durch die Tür in das Hinterzimmer. Eine Weile saß er nur so da und trank seinen Espresso. Er genoss es, einfach mal an gar nichts zu denken. Nicht an seinen Job und die anstehende Reise nach Budapest. Nicht an Lavinia oder irgendwen sonst aus seinem Privatleben. Und auch nicht an irgendetwas anderes auf der Welt, das ihn vielleicht beschäftigt hätte. Die Gelegenheit, sich auf diese Art zu entspannen, bot sich ihm nicht oft. Diese wenigen Minuten in der Hotelbar des Tibesty-Hotels in Benghazi waren vermutlich die ruhigsten und auch erholsamsten Minuten der letzten Jahre.
Als Fox sich gerade etwas fitter fühlte und fast zwangsläufig wieder an seinen Auftrag dachte, vibrierte sein iPhone in der Hosentasche. Obwohl sich die Hotelbar weiterhin vollkommen verlassen darstellte, ging er die wenigen Schritte nach draußen, um vor dem Haupteingang des Hotels den Anruf anzunehmen. Er meldete sich mit einem kurzen „Hey“.
-„Und wie ist es so in Nordafrika, allein mit einer bezaubernden Mitarbeiterin des Innenministeriums?“, meldete sich die eifersüchtig klingende Stimme von Lisa Maytree am anderen Ende der Leitung.
-„Nicht so schön, wie es mit Dir wäre“, sagte er nach einem kurzen Moment, in dem er sich diese Antwort zurechtgelegt hatte. Mit so einer Begrüßung hatte Fox nicht gerechnet, auch wenn er ihre Nummer auf dem Display gesehen hatte. „Aber Du rufst mich doch sicher nicht an, weil Du mit mir über meine hübsche Begleitung sprechen willst.“
-„Warum denn nicht?“, fragte sie schnippisch. „Immerhin hast Du ja behauptet, Du wärst mit einem Mann in Libyen. Wenn Du mir schon solche Lügen erzählst, muss da doch wohl ein ernsterer Hintergrund bestehen.“
Fox konnte es nicht fassen. Da sollte seine persönliche Assistentin ihm die letzten Instruktionen für die bevorstehende Operation in Budapest geben und dann diskutierte sie mit ihm über seine Begleitung. Mal abgesehen davon, dass ihm dieser plötzliche Anfall von Eifersucht in gewisser Weise schmeichelte, kam er sich bei diesem Gespräch ganz schön in seiner Autorität untergraben vor. Er war ihr doch keine Rechenschaft schuldig, noch dazu, wo er von der eigentlichen Tatsache, nämlich, dass er von einer Frau begleitet werden würde, im Voraus überhaupt nichts gewusst hatte.
-„Jetzt beruhig Dich doch erst mal, Maytree“, sagte er spöttisch. „Auch wenn es Dir eigentlich egal sein könnte: Ich habe Dich nicht angelogen. Ich habe auch erst am Flughafen erfahren, dass der Beamte eigentlich eine Beamtin ist. Was im Endeffekt aber keinen Unterschied gemacht hat; Leonie hat sich vollkommen professionell verhalten.“
-„Oh, Ihr seid also schon per Du.“
-„Schluss jetzt, Maytree. Es gibt weitaus Wichtigeres als diese kindische Diskussion. Außerdem ist mein Interesse an ihr rein beruflicher Natur“, log er.
Fox hörte ein verächtliches Schnauben am anderen Ende der Leitung, auf das eine relativ lange Pause folgte.
-„Also gut“, meldete sich Lisa Maytree erneut zu Wort. „Dann wird es Dir ja vermutlich auch egal sein, dass Deine Leonie Dich nicht nach Ungarn begleiten wird. Das Innenministerium scheint das Interesse an unseren Erkenntnissen allmählich verloren zu haben. Stattdessen schickt der Bundesnachrichtendienst einen Agenten, der Dich begleiten soll. Mit Einzelarbeit wird es wohl nichts mehr bei diesem Fall.“
Er atmete einmal tief durch und schloss für einen Moment die Augen. Dass er wieder nicht ohne Begleitung würde arbeiten können, war ihm im Grunde gleichgültig, auch wenn er es vorzog, seine Aufträge alleine auszuführen. Aber die Nachricht, Leonie würde diese Begleitung nicht sein, löste auf unergründliche Weise etwas in ihm aus, das seine Stimmung trübte. Da er nicht antwortete, fuhr seine persönliche Assistentin fort:
-„Wenn ich die Zeitverschiebung richtig einkalkuliert habe, dann hast Du noch gut drei Stunden bis zum Abflug in Benghazi. Ich habe einen Platz auf einem Sonderflug nach Istanbul für Dich gebucht. Die Maschine fliegt um fünf vor sieben. Am Flughafen in der Türkei wartet dann auch der BND-Agent. Von dort aus fliegt Ihr mit Flug TK1035 nach Budapest. Alles in allem beträgt die Reisezeit rund fünf Stunden, die Ankunft in der ungarischen Hauptstadt ist also nach Einrechnung der Zeitverschiebung für zehn Uhr kalkuliert. Ich sag Dir das so genau, weil Du bei Deiner Ankunft eine Nachricht von einem Agenten des ungarischen Inlandsgeheimdienstes AH erhalten wirst. Er hat Deine Nummer erhalten und observiert seit heute Antonin Slota. Das ist alles mit Opal Alpha abgesprochen. Ein möglichst schnelles Treffen mit diesem Agenten ist angedacht, deshalb die Nachricht. Ich habe leider auch nicht alle Informationen, deshalb muss Dir das vorerst genügen.“
-„Fürs Erste ist das ja auch genug. Gibt es sonst noch irgendwas Neues?“
-„Im Grunde nichts Wichtiges, das Du noch nicht weißt. Abgesehen vielleicht von der Tatsache, dass Opal Gamma und sein Freund aus Berlin, dieser Conrad Hartmann, den wir in Friedrichshafen abgeholt haben, mit der Untersuchung einiger Sprengstoffüberreste begonnen haben. Wirklich neue Erkenntnisse haben sie aber, soweit ich informiert bin, noch nicht gewonnen.“
-„Wenn man mal von Deinem Eifersuchtsanfall absieht, bist Du wirklich gut, das muss ich Dir lassen.“
-„Vielen Dank für die Blumen.“ Miss Maytrees Stimme bekam einen verführerischen Unterton. „In etwas Anderem bin ich aber noch besser.“
Irgendwie amüsierten Fox diese sich mehrenden Annäherungsversuche in letzter Zeit. Fast war es mit seiner Arbeit vergleichbar. Ein Spiel mit verdeckten Karten. Wobei bei diesem speziellen Spiel eine Seite drauf und dran war ihre Karten aufzudecken.
-„Wenn ich es schon wüsste, Maytree, dann wäre die Vorfreude auf den Beweis ja nicht so schön“, sagte er und musste selbst lächeln. „Ich melde mich.“
-„Oh Colin“, stieß sie halb verärgert, halb lachend aus und beendete das Gespräch.
Kopfschüttelnd steckte er sein iPhone wieder in die Hosentasche und ging zurück in das Hotel. Drei Stunden blieben ihm noch.
Nachdenklich schlenderte er durch die Lobby. Bei den Aufzügen angekommen betätigte er den Anforderungsknopf und wartete, während er die Spitzen seiner Schuhe betrachtete. Da fiel ihm plötzlich etwas ein. Er ging zurück zur Rezeption und drückte auf einen Klingel-Schalter. Nach einem kurzen Moment erschien die ihm mittlerweile gut bekannte Rezeptionistin.
-„Ja?“, fragte sie erneut überaus gelangweilt.
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