Es müssen verheiratete Männer gewesen sein.
Um die hübsche Dame etwas abzulenken bot ich ihr mein «Swiss Army Knife» an, denn mit diesem genialen Universalwerkzeug kann man auch eine behelfsmässige Maniküre machen.
Ich zog ein blutverkrustetes Messer aus der Tasche und bevor ich es heimlich wieder hatte verschwinden lassen können, streifte mich Sylvias Verschwörerblick und dann schrie sie laut auf: «Blut! Ist das echtes Blut an deinem Messer? Ach Gianni, wie spannend!»
Ich begriff die Welt nicht mehr.
Wie kam das viele Blut an mein Messer?
War das überhaupt mein Messer?
Einer unserer Begleiter hielt mir eine kleine Schachtel hin und bat mich, das Messer hineinzulegen und da ich zögerte meinte er, dass ich eine Quittung dafür erhalte.
Mit unguten Gefühlen gab ich das Messer her.
Während der Fahrt begann ich meine Gedanken zu sammeln um zu begreifen, was da los war. Böse Ahnungen stiegen in mir auf. Da war etwas im Tun, das ich wohl nur schwer beeinflussen konnte, rätselhafte Vorkommnisse, die mich in arge Schwierigkeiten bringen würden. Da lag diese nackte, mir nicht bekannte weibliche Leiche blutverschmiert im Kofferraum meines Autos und überall war dieses vertrocknete Blut, das ausschaute wie Rost, man stelle sich vor: Rost am nagelneuen Auto…, nun das war wohl nicht mein grösstes Problem. Da war noch dieses Blut an meinem Messer. Weiss der Teufel wie das drangekommen ist, ich hatte jedenfalls mit dem Mord nichts zu tun, aber wie konnte ich das der Polizei klar machen da im Moment alle Indizien auf mich zeigten? Mir wurde eiskalt.
In diesem Augenblick kuschelte sich Sylvia eng an mich.
Wie schön ist es doch, wenn man in solchen Situationen einen lieben Menschen an seiner Seite weiss. Zart streichelte ich ihre Haare um sie zu trösten und nach einem innigen Kuss seufzte sie: «Ach Gianni, mein Lieber, eigentlich spannend, denn nun sind wir doch so etwas wie Bonny und Clyde.»
«Tja», gab ich zu bedenken «und beide wurden gehenkt.»
«Erschossen,» wurde ich belehrt.
Gurrend wie eine liebestolle Taube wollte sie nun wissen, wen ich da umgelegt hätte und auf welche Weise und ob ich sie genau ins Herz gestochen hätte und warum und, und …
«Und wenn du nicht gleich deine Schnauze hältst, schmeiss ich dich aus dem fahrenden Auto,» drohte ich ihr. «Dann versuch es doch,» sagte sie provozierend, «ich habe nämlich Polizeischutz, damit du deine Mordlust zähmen musst.»
Ich mag mich nicht mit Frauen streiten, weil mir bald einmal die Argumente ausgehen aber weit schlimmer ist die anschliessende Versöhnung mit Tränen, Seufzern und blöden Kosenamen, die mich zur Weissglut bringen, (und alle im Diminutiv) wie Schatzilein, Tigerchen oder Böcklein.
Inspektor Rossi, ein dicklicher Bierbauch unter einem roten und glänzenden Mondgesicht glich eher einem gemütlichen Gastwirt als einem gestrengen Kriminaler. Er leitete die Einvernahme oder war das nun ein Verhör?
Er selber nannte es «ein harmloses Schwätzchen».
«Rauchen Sie?» war seine erste Frage.
Er bot mir einen seiner «Rösslistumpen» an und zu Sylvia gewandt sagte er, sie gestatte doch bestimmt, dass wir Männer rauchten.
Sie gestattete unter der Bedingung, dass auch sie einen dieser grässlich stinkenden Glimmstengel bekomme.
Er gab ihr grinsend Feuer und holte dann einen kleinen Putzeimer, stellte ihn neben Sylvia und meinte mit besorgter Miene: «Für den Notfall, liebe Frau.»
Nun sassen wir drei eine Weile schweigend und vor uns hin paffend da. Ein Bild des Friedens und der Harmonie, nur die vielen Fliegen am grossen Fenster summten nervös auf und ab.
Nach einiger Zeit erschien ein blassgelber Jüngling, nickte uns zu und setzte sich an einem Nebentisch hinter eine monumentale Schreibmaschine. Mit viel Geklapper und Geklingel spannte der Schreiberling Papierbögen und Durchschlagspapiere ein und sagte schliesslich, er sei bereit.
Das Verhör konnte beginnen.
Zuerst wurden die persönlichen Daten notiert, Name, Vorname, Beruf, Adresse, Alter …
An dieser Stelle weigerte sich Sylvia zu antworten, sie meinte nur, dass ein echter Gentleman nie eine Dame nach ihrem Alter frage.
Rossi entschuldigte sich und erklärte ihr, dass er völlig diskret sei, aber er wolle beileibe nicht ihr Alter wissen, sondern lediglich ihr Geburtsdatum.
Sylvia fiel prompt auf den faulen Trick herein.
Wir mussten nun der Reihe nach erzählen, wie wir die vergangenen 24 Stunden verbracht hatten.
Wir hatten in Milano im Hotel «Lombardia» übernachtet, natürlich als verheiratetes Paar, denn das macht sich besser.
Ich zog aus meiner Brieftasche die Hotelrechnung und reichte sie dem Beamten.
Rossi las das Blatt aufmerksam, schien zu stutzen und verschwand dann einen Moment lang in einer bläulichen Rauchwolke, dann fragte er, wer die dritte Person gewesen sei.
«Welche dritte Person?» fragte ich erstaunt.
«Da, die Rechnung lautet auf Ihren Namen, das Datum stimmt auch und dann steht hier etwas von drei Übernachtungen, drei Abendessen und dreimal Frühstück. Wie erklären Sie das?» fragte er mit gerunzelten Brauen.
Er reichte mir die Rechnung herüber.
Tatsächlich hatte ich für drei Personen bezahlt.
Was wurde da gespielt?
Mir wurde abwechselnd heiss und kalt.
Sylvia war offensichtlich wütend und begann über die Gauner im Hotel zu schimpfen, dann kam ich an die Reihe wegen meiner Nachlässigkeit in Geldsachen und meiner naiven Gutgläubigkeit, weil ich die Rechnung einfach so bezahlt hatte ohne sie genauestens zu prüfen.
«Und Sie waren also nicht zu dritt im Hotel?» bohrte Rossi weiter.
«Also nun hören Sie mal, guter Mann, wofür halten Sie uns eigentlich?» brauste Sylvia auf, «glauben Sie im Ernst, ich würde meinen Gianni mit einer anderen teilen?
Das fehlte gerade noch. Und wie sollte das gewesen sein? Gruppensex oder sowas Verqueres? Sie sollten sich schämen für Ihre schmutzige Fantasie!»
«Gut, gut,» beschwichtigte der Beamte, «ich fragte ja nur, wegen der Rechnung.»
«Dann schnappen Sie sich diese Gauner im Hotel statt uns, ehrliche und unbescholtene Bürger zu belästigen,» war Sylvias Schlusskommentar.
Ich erwähnte nun, dass wir anschliessend in der Tiefgarage des Hotels in mein Auto gestiegen waren und zu Grenze gefahren seien.
Da unterbrach mich Sylvia und erwähnte noch, dass wir bei der letzten Tankstelle angehalten hätten um einen Espresso zu trinken, weil der Kaffee in der Schweiz ungeniessbar sei: «Spülwasser, stimmt’s oder hab ich Recht?»
Rossi hatte noch eine Menge von Detailfragen harmloser Art, liess uns dann das Protokoll unterschreiben und fragte dann, ob wir noch etwas hinzuzufügen hätten, bevor wir gingen.
Sylvia hatte.
Ihre Redelust kann grenzenlos sein und wenn sie sich gar in den Kleinigkeiten zu verlieren beginnt, ist das Ende ihres Monologes nicht absehbar.
Zu unserer allgemeinen Erlösung klingelte das Telefon.
Es war ein längeres Gespräch.
Rossi machte Notizen, runzelte die Stirne, blickte zu uns hinüber und hängte schliesslich auf.
Er räusperte sich und teilte uns knurrend mit, dass sich die Sachlage sehr zu Ungunsten für uns entwickelt hätte und zwar so, dass der Staatsanwalt des Kantons Tessin unsere vorläufige Verhaftung angeordnet habe.
Das Blut an meinem Messer sei eindeutig dem Opfer zuzuordnen und mein Armeemesser komme als Tatwaffe absolut in Frage.
Ich war völlig perplex aber Sylvia fand das Ganze spannend, wie in einem echten Krimi und dass wir jetzt sofort einen berühmten Detektiv anstellen sollten, zum Beispiel Derrick, Sherlock Holmes oder den Franzosen Poirot …
An dieser Stelle schlug Rossi mit der Faust auf den Tisch und schrie: «Erstens war Poirot ein Belgier und zweitens halten Sie endlich Ihre Klappe bis sie in der Zelle sitzen!» und zu mir gewandt meinte er, ich sei sicher froh, von dieser Schnattermaschine befreit zu werden.
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