Ich verstaue den Zettel wieder in der Hosentasche und stecke den Kugelschreiber in meine Handtasche. Einen kurzen Moment lang überlege ich, wie ich weiter vorgehe. Ich weiß, dass ich alle Spuren beseitigen muss, um nicht in Verdacht zu geraten. Also nehme ich die beiden Weingläser, die noch auf dem Tisch stehen, und gehe mit ihnen in die Küche. Ich stelle sie neben die Teller und greife nach dem Topf, in dem sich noch ein Rest der Nudelsoße befindet.
Er muss weg! Darin kann das Gift, welches ich Marc verabreicht hatte, eindeutig nachgewiesen werden. Ich möchte keinesfalls mit dem Mord in Verbindung gebracht werden. Den Soßenrest schütte ich in die Toilette und spüle das dreckige Geschirr ab. Dann mache ich mich auf die Suche nach einem Geschirrhandtuch. Als ich fündig werde, trockne ich das Geschirr ab und verstaue es in den Schränken.
Nun überlege ich, was ich in der Wohnung alles angefasst habe. Ich gehe durch die Räume und wische jeden Zentimeter, den ich berührt habe mit dem gleichen Geschirrtuch ab, mit dem ich eben noch das Geschirr abtrocknete. Mit kräftigen Bewegungen reibe ich die Oberflächen ab, bis ich einen leichten Schmerz in der rechten Hand verspüre. Es hilft nichts. Ich muss weitermachen! Also wechsele ich die Hand. In der linken Hand habe ich nicht so viel Kraft wie in der rechten, sodass ich das Tuch nach kurzer Zeit wieder in der rechten Hand halte.
Ich bin etwas durcheinander und kann mich nicht mehr erinnern, was ich alles mit meinen Händen berührte. Um ganz sicher zu gehen, wische ich alle Schränke und Türgriffe ab.
Der Esstisch! , kommt es mir in den Sinn. Ich muss den Esstisch abwischen! Dort saß ich, als ich auf die Wirkung des Giftes wartete. Mit großer Sicherheit wird man auf der Tischplatte meine Fingerabdrücke finden. Ich gehe zu dem Tisch und schrubbe ihn regelrecht sauber. Danach gehe ich nochmals durch alle Zimmer. Ich will nichts übersehen. Sobald ich Marcs Wohnung verlassen habe, gibt es kein zurück. Dann habe ich keinen Zugang mehr zu diesen Räumlichkeiten.
Nach kurzer Überlegung bin ich mir sicher, alle meine Spuren beseitigt zu haben. Ein letztes Mal gehe ich zu Marc. Ich schaue ihn an und weiß, er wird nie wieder eine Frau wegen ihres Gewichts fertigmachen. Bei dem Gedanken fühle ich mich erleichtert und muss lächeln.
Ich gehe zur Wohnungstür, wische die Türklinke von beiden Seiten ab. Dann wickele ich das Tuch um meine rechte Hand und ziehe die Tür hinter mir, mit der umwickelten Hand, ins Schloss.
Während ich das Haus verlasse, überlege ich mir, zur Feier des Tages noch etwas trinken zu gehen. Auf den heutigen Erfolg muss ich einfach anstoßen und wenn es nur mit mir selbst ist. Pfeifend mache ich mich auf die Suche nach einer geeigneten Location.
Ich halte vor einer Bar namens Blackbox . Von außen sieht der Schuppen nicht besonders einladend aus. Bei dem Namen wundert es mich nicht weiter. Es ist mir nicht so wichtig, es war der erste Laden, den ich entdeckte. Ich wüsste auch nicht, wo ich sonst hingehen sollte. Normalerweise gehe ich nicht aus. Den Genuss von Alkohol und das Einatmen von Zigarettenrauch versuche ich zu meiden. Beides ist nicht wirklich gesundheitsfördernd und passt somit nicht zu meinem Lebensstil. Viel zu lange habe ich meinen Körper mit Fett und unnötigen Kalorien traktiert. Das ist jetzt endlich vorbei. Heute ist es allerdings etwas anderes. Schließlich habe ich einen Grund zum Feiern. Da kann ich mir schon mal ein Glas Sekt genehmigen.
In der Kneipe ist noch nicht allzu viel los. Es liegt aber weniger an dem Laden als an der Uhrzeit. Immerhin ist es gerade Mal kurz vor neun. Die Bar wird sich in den nächsten Stunden bestimmt noch ordentlich füllen. Dann werde ich nicht mehr hier sein.
Ich gehe an die Bar und bestelle mir ein Glas Sekt.
»Gibt es was zu feiern?«, fragt mich der Barkeeper neugierig.
Ich antworte nur mit einem »Ja« und drehe meinen Kopf in eine andere Richtung. Obwohl ich gut gelaunt bin, habe ich keine Lust auf eine Konversation. Noch viel weniger bin ich in der Stimmung für einen Small Talk. Ich will nicht darüber reden, warum ich in Feierlaune bin. Wie sollte ich auch den Grund für meine gute Laune erklären? Es reicht doch, wenn ich weiß, warum ich mir ein Glas Sekt gönne.
Der Barkeeper scheint es zu akzeptieren. Nachdem er mir das Glas Sekt auf den Tresen stellt, widmet er sich wieder seinen Gläsern, die er bereits bei meiner Ankunft polierte.
Ich sehe mich in der Bar um. Die anderen Leute scheinen sich genauso zu langweilen, wie ich es tue. Also konzentriere ich mich auf mein Getränk und denke an Marc. In Gedanken proste ich ihm zu. Dabei kann ich mir ein Grinsen nicht verkneifen. Meine Mundwinkel verselbstständigen sich ohne mein Zutun. Gleichzeitig hoffe ich, dass mich in diesem Augenblick niemand beobachtet. Jeder, der mich so sieht, hält mich bestimmt für verrückt. Ganz falsch wird die Person mit ihrer Vermutung nicht liegen. Immerhin habe ich heute einen Menschen umgebracht und freue mich darüber. Schlimmer noch, ich feiere meine Tat. Normal ist das sicher nicht.
Nachdem ich mein Sprudelwasser ausgetrunken habe, bemerke ich das der Schuppen sich langsam füllt. Mir fällt ein Männerüberschuss auf. Kaum eine Frau hat sich in die Blackbox verirrt. Wenn ich mich so umsehe, weiß ich auch warum. Unter den Typen in dem Laden sind ein paar Gestalten, denen man nicht allein im Dunkeln begegnen möchte. Bei den meisten handelt es sich aber um ganz banale Trunkenbolde, die erst unter Alkoholeinfluss gesprächig werden. Bevor ich in die peinliche Situation gerate, dass mich einer von ihnen anspricht - unter Alkohol denken die meisten Kerle, sie können jede haben - beschließe ich zu gehen.
Ich will gerade zahlen, als zwei kräftig gebaute Damen hereinkommen.
Endlich mehr weibliche Gäste , denke ich. Die beiden Frauen kommen an den Tresen und setzen sich genau neben mich. Sie sind in eine Unterhaltung vertieft. So weit ich es verstehen kann, geht es um einen Mann. Die Dunkelblonde mit den kurzen Haaren scheint Stress mit ihrem Freund Michael zu haben. Ich lausche heimlich dem Gespräch und bestelle mir noch ein Glas Sekt. Die beiden Damen bevorzugen Wein.
Die Kurzhaarige scheint sich bei ihrer Freundin auszuweinen. Caro - so wie sie heißt - hat sich mit Michael gestritten, weil er ihren Jahrestag vergaß.
Wenn ich das höre, bin ich froh, in keiner festen Beziehung zu sein. Genau genommen habe ich gar keine Bindung, noch nicht mal ein lockeres Techtelmechtel. Das ist auch gut so. Sobald sich zwei Menschen aneinander binden, gibt es nur Probleme. Das muss ich nicht haben! Dennoch höre ich den beiden weiterhin neugierig zu.
Dann nehme ich zwei Männer wahr, die scheinbar über meine Thekennachbarinnen lästern. Ich habe deutlich die Worte fette Seekühe verstanden.
Wie ich solche Typen hasse! Diese Art von Mann kriegt im eigenen Leben nichts gebacken und muss sich über andere Menschen das Maul zerreißen. In mir brodelt es vor Wut.
Ich schaue zu den beiden Frauen. Caro und ihre Begleiterin scheinen nichts von dem Geläster mitzubekommen. Sie sind immer noch in ihrem Gespräch über Michael vertieft.
Meine Ohren verlassen ihre Unterhaltung. Meine Aufmerksamkeit liegt bei den beiden Männern, die keine fünf Meter von mir entfernt an einem Tisch sitzen. Sie ziehen weiterhin über die beiden Mädels her. Dabei sollten sie erst mal bei sich selbst anfangen. Der Dünnere der beiden sieht nicht nur ungepflegt aus, er ist nicht mal in der Lage sich den Schaum seines Biers aus dem Oberlippenbart zu wischen. Ich finde ihn einfach nur ekelhaft.
Und der andere Typ hat mit seiner Figur überhaupt kein Recht, sich über die Körper der beiden Frauen lustig zu machen. Sein Bierbauch ist so dick, dass er gegen den Tisch drückt. Er quillt sowohl über als auch unter der Tischplatte hervor. Bei der Fülle könnte er seine Wampe gleich auf dem Tisch ablegen. Das sähe vielleicht nicht ganz so schlimm aus. Oder doch! Wenn ich mir das Bild so vorstelle, ist es genauso ekelerregend. Ich versuche mich nicht auf die Äußerlichkeiten der beiden Kerle zu konzentrieren, sondern ihre Worte zu verstehen. Es gelingt mir sogar.
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