R. S. Volant - Kommissar Anders & das Haus der weißen Katze

Einem Impuls folgend, gab er noch Jerome Anders in seinen Computer ein und wartete gespannt, doch außer einigen Strafzetteln und sogar einem dreimonatigen Führerscheinentzug wegen zu schnellfahren fand er nichts weiter. Was hatte er erwartet? Geboren am 6. Januar, in Ingolstadt, las er und rechnete nach. Jerry war gerademal sechsundzwanzig, in gut zwei Monaten würde er siebenundzwanzig werden, dieses Datum würde er sich auf alle Fälle merken und dieses Mal würde Jerry ihm bestimmt nicht davonkommen! Ha, er freute sich jetzt schon auf dessen belämmertes Gesicht, wenn er ihn mit einer Geburtstagsfete hier im Büro überraschen würde. Warum machte der eigentlich so ein Geheimnis, um sein Privatleben? Ob er mal nachsehen sollte? Jerry war ja nicht da… Nein, das ging dann doch zu weit, oder? Er könnte ja mal bei ihm vorbeifahren und ein wenig recherchieren, immerhin waren sie ja jetzt an einem `Fall´ dran, oder?

Malik fuhr das Gerät herunter, stand auf und nahm seinen Mantel. Wäre doch gelacht, wenn er nichts über seinen Partner herausfinden würde! Und was hatte es mit dieser ominösen Cousine auf sich? Romy… So hübsch, so rotes Haar…

Gerade als er sich an Jerrys Wohnungstür zu schaffen machte, kam ein ziemlich verwahrlost aussehender Typ die Treppe heraufgeschlurft und blieb stehen. „Bei dem gibt’s nix su holen“, murmelte er leicht lallend und Malik fuhr erschrocken zusammen.

„Äh, des ist jetzt nicht so, wie es aussieht“, sagte er schnell und hielt augenblicklich die Luft an, weil der Kerl einen äußerst unangenehmen Geruch um sich herum verbreitete. „Kriminalpolizei!“, raunte er und hätte sich am liebsten die Nase zugehalten. Mann, wann hatte der Kerl zuletzt geduscht?

„A,so! Der is auch Polizist“, meinte der andere und hielt sich am Geländer fest. „Is was, mit dem?“

„Herr Anders ist mein Kollege und ich wollte nur mal nach ihm sehen“, antwortete Malik angewidert und konnte nicht verhindern, dass er wie unter einem Zwang mit einer Hand vor seinem Gesicht herumwedelte.

„Den Jerry hab ich schon länger nich gesehn“, lallte der mutmaßliche Nachbar und Malik nickte.

„Ja, deswegen sehe ich ja mal bei ihm nach, machen Sie sich keine Sorgen, ok?“

„Is gut, schönen Gruß, noch“, nuschelte der Typ und schwankte weiter die Treppe hinauf.

„Einen Moment noch“, rief Malik ihm hinterher, „kennen Sie den Anders vielleicht näher?“

„Naa, eigentlich net“, antwortete der Besoffene, „Ich weiß nur, dass der vor ein paar Joahr, hier bei seiner Oma einzogn is und dann hat er sie gepflegt, die Theres. Aber dann is trotzdem gestorben, letztes Jahr. Ich sag Ihnen, des war a nette Frau, die hatte immer ein liebes Wort, für jeden! Eine Seele von Mensch, war die, die Theres“, lallte er und machte eine ausladende Armbewegung, was ihn beträchtlich taumeln ließ. „Und der Jerry, des is a a ganz lieber, mei, der schaut so oft nach mir und stellt ma was su Essen vor die Tür und richtet mir immer alles, egal, was! Der wenn nich wär, ja dann, oh mei, dann daten wir gar nich mehr hier wohnen können!“

„Wirklich? Ja, also, ich richte ihm Ihre Grüße aus, ja“, meinte Malik mehr als überrascht.

„Wissen`s, der Jerry ist ja eher so ein verschlossener, der redet net viel, aber sei Oma, die Theres, hat mir mal erzählt, dass der gar niemanden mehr hat, nur sie, also sei Oma und die is jesd auch tot, ja die arme Theres, aber wir müssen ja alle a mal gehen, gä? Su ihrer Beerdigung, da kam dann a nur ihr Dochter, also dem Jerry sei Mutter, aber die wollt gar nix von ihm wissen, da hat er mir so leidgetan, der arme Bua, a so a netter Mensch“, brabbelte der Mann und stieg weiter die Stufen hinauf.

„So eine Kacke, wieso hast du mir nie davon erzählt?“, brummte Malik. War das da gewesen, als Jerry überraschend Urlaub beantragt hatte und sie deswegen mal wieder gestritten hatten? Ja, er meinte sich zu erinnern, dass Jerry damals einige Tage gefehlt hatte und danach eine Zeitlang noch schweigsamer und in sich gekehrter gewesen war, als sonst schon. Seufzend versuchte er erneut das Schloss zu knacken und dieses Mal passte der Diedrich und die Türe sprang auf.

„So, Jerrylein, jetzt wollen wir doch mal sehen, wer du so bist“, murmelte Malik und trat ein.

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