Jerry schenkte ihr dennoch ein charmantes Lächeln, holte seine Reisetasche und den Rucksack aus dem Kofferraum und wollte schon vor gehen, doch Frau Mahler dachte gar nicht daran.
„Ja is denn des die Möglichkeit! A Ford Mustang! Mei, genau so einen, hab ich mir immer gewünscht, wissen`s? Als ich noch jung war, da hab ich so geschwärmt, für die alten Ami Autos! Ja, mei, so a schöner Wagen! Würden`s mich da a mal mitnehmen?“, legte sie erneut los und Jerrys Augen weiteten sich vor Schreck.
„Ähm…“
„Mei, san Sie verheiratet? Ich hab a Dochter, wissen`s? Des is a ganz nette und dat so gut zu Ihnen passen! Die steht auch auf alte Amischlitten! Wenn die des wüsste! Ja mei, die dat ausflippen, die Hanni, so heißt sie, ja, meine Hanni, des sag ich Ihnen! So, jetzt geh`n ma aber a mal rein“, redete Frau Mahler weiter und Jerry wurde es jetzt wirklich himmelangst.
Wie, verheiratet? Wollte die ihn echt verkuppeln? Wenn doch nur Malik hier wäre! Aber der hätte sich wahrscheinlich schon weggeschmissen, vor Lachen.
Beinahe sehnsüchtig vermisste er plötzlich seinen Partner. So schlecht, war die Zusammenarbeit mit Malik gar nicht, musste er sich nun eingestehen und Malik hätte wenigstens gewusst, wie er mit so einer redseligen Person umgehen musste. Der redete ja selber immer viel, viel zu viel, beinahe ununterbrochen, konnte der einen vollquatschen! Jerry dagegen war immer schon recht wortkarg gewesen und regelrecht zurückhaltend, besonders bei Leuten, die ihm fremd waren. Aber Malik? Nein, der konnte sofort auf jeden offen zu gehen. Bewundernswert, dachte Jerry vorsichtig durchschnaufend und folgte der Frau nach.
Das Haus war sehr gemütlich eingerichtet, in einer Art Altdeutscher, bayrisch rustikalen Weise, allerdings waren alle Möbel sehr neu, zumindest die in Jerrys Zimmer, in das er sich sofort geflüchtet hatte, nachdem Frau Mahler ihm den Schlüssel dafür ausgehändigt hatte.
Wow, was für eine Quasseltante! So eine würde echt gut zu Malik passen, ob die Tochter wohl auch so viel quatschte? Er könnte seinem Partner ja mal deren Nummer geben, dachte er ein wenig gehässig. Immerhin wollte der ja auch Romys Nummer haben, ha, wenn der wüsste…
Malik auf Freiersfüßen, dieser Gedanke ließ Jerry amüsiert auflachen und er warf sich auf das mit rot-weißen Karomuster bezogene Bett. Wenn diese Hanni nach ihrer Mutter kam, dann würde selbst Malik nicht mehr zu Wort kommen!
Naja, sehr lange, würde er hier sicher nicht bleiben! Brrr, schon der Gedanke daran, mehrere Tage mit so einer Frau verbringen zu müssen, ließ ihn schaudern. Wie musste das dann erst sein, wenn man mit der verheiratet war? Tag ein, Tag aus, dieses Gequatsche, stundenlang, einfach unerträglich! Nein, das war nichts für ihn! Überhaupt, hatte er nie einen Gedanken ans Heiraten verschwendet. Wen, denn auch? Wer, würde ihn schon wollen, so verkorkst, wie er war!
Sie alle, hatten doch nur Romy gewollt, die wunderschöne, bezaubernde, Romy! Selbst Malik…
Jerry schloss die Augen und dachte darüber nach, wie er nun weiter vorgehen sollte. Er würde morgen erstmal die nähere Umgebung erkunden, vielleicht wusste ja die redselige Frau Mahler irgendetwas über Lissy? Einen Versuch war es allemal wert, da müsste er wahrscheinlich nicht mal seinen Charme spielen lassen, wenn er denn einen besäße. Seufzend setzte er sich auf, erhob sich und räumte zumindest seine Toilettenartikel in das kleine Badezimmer. Dann beschloss er, noch einmal nach unten zu gehen und seine Hauswirtin nach einem Gasthaus zu fragen, in dem er noch eine Kleinigkeit zu essen bekommen konnte.
Natürlich bot Frau Mahler ihm sogleich ein Abendessen an, doch Jerry lehnte höflich dankend ab, unter dem Vorwand noch etwas spazieren gehen zu wollen und schickte sich an, so schnell wie möglich aus ihrer Reichweite zu kommen. Etwa eine halbe Stunde Fußmarsch von hier, sollte eine kleine Ortschaft liegen, hatte sie ihm noch erzählt, mit einem Gasthof und sogar einer sehr hübschen, wirklich sehenswerten und sehr alten barocken Kirche. Gut, die konnte er sich getrost schenken, aber ein Wirtshaus war ihm nur allzu recht. Bloß weg, von dieser Ratschkathl!
Das kleine Dorf lag malerisch zwischen einem Hügel und dem kleinen Wäldchen, das Jerry umrundet hatte und er blieb erst einmal stehen, um den idyllischen Anblick zu genießen. Ob er ein Foto machen sollte? Warum nicht, schließlich war er ja auch nur einer von diesen stressgeplagten Touris und er konnte so wenigstens Malik ein wenig ärgern! Jerry schoss mehrere Fotos von der heimeligen Gegend und schickte sie umgehend an seinen Partner. Darunter schrieb er: `Bin wandern, hier ist es herrlich, schad`, dass du nicht da bist! Liebe Grüße, aus dem schönen Niederbayern´.
Mit einem zynischen Grinsen steckte er sein Handy wieder in die Jackentasche und marschierte den Hügel hinab. Er strebte gezielt den doch überraschend großen Landgasthof an, trat ein und suchte sich ein nettes Plätzchen, in einer Nische. Als die Kellnerin an seinen Tisch kam, begrüßte er sie freundlich, nahm die Speisekarte entgegen und bestellte sich erstmal ein Weißbier.
Mmmh, Schweinebraten in Dunkelbiersoße, dazu Knödel und Krautsalat, genau sein Ding! Und das bestellte er sich auch, doch musste er danach feststellen, dass die wenigen Gäste und auch der Wirt weit weniger redefreudiger waren, als seine Hauswirtin. Hier hieß es Feingefühl zu wahren und so bestellte er sich nach dem Essen noch ein Weizen und versuchte die Kellnerin, die etwas aufgeschlossener wirkte, in ein lockeres Gespräch zu verwickeln.
„Sie kennen sich doch sicher hier aus, also ich suche einen abgelegenen Bauernhof, sicher ein älterer, der von einer Lissy Baierl geführt wird. Die soll auch Fremdenzimmer vermieten, haben Sie vielleicht schon mal was von der gehört?“, setzte er schließlich alles auf eine Karte und die doch recht hübsche Kellnerin überlegte.
„Naa, tut mir leid, aber der Name sagt mir nix! Aber ich kann ja mal nachfragen, vielleicht woaß ja in der Küche jemand was, darüber. Warum wollen`s des denn wissen?“, fragte sie neugierig zurück und Jerry lächelte sie an.
„Des is mei Cousine, des hab ich auch erst kürzlich erfahren, bei einer Testament Eröffnung, ja mei, da dacht ich mir halt, suchst sie mal und lernst sie kennen“, log er gekonnt und schenkte ihr erneut ein verführerisches Lächeln. Die Kellnerin lächelte prompt zurück, nickte ihm zu und schien ein wenig beschwingter, den Weg zur Küche zurückzulegen.
Jerry beobachtete, wie sie zuerst mit dem Wirt sprach, der daraufhin an den einzigen noch mit fünf anderen Männern besetzten Tisch trat und leise mit ihnen zu tuscheln begann. Dabei begegneten ihm immer wieder deren argwöhnische Blicke und er nickte ihnen lächelnd zu.
Prompt stand einer von denen auf und kam direkt auf ihn zu. Beinahe drohend baute der Mann sich vor seinem Tisch auf und sah auf ihn herab. Er war etwa um die vierzig, trug einen Bart und gab mit seiner abgewetzten Lederhose, Trachtenhemd und Kniestrümpfen nebst Haferlschuhen, den perfekten Paradebayern ab.
„Warum wuist`n des wissen?“, fragte er in seinem rauen Dialekt und sehr unfreundlichem Tonfall.
„Grüß Gott, erstmal. Ich suche eine gewisse Lissy Baierl, die hier in der Gegend leben soll, sie ist eine entfernte Verwandte von mir, kennen Sie sie vielleicht?“, erwiderte Jerry freundlich.
„Naa! Und wenn, dann geht’s di nix an!“, antwortete der Typ, machte noch eine drohend-nickende Kopfbewegung in Jerrys Richtung, drehte sich um und stampfte davon.
Jerry nahm verblüfft den Kopf zurück und sah dem Mann mit hochgezogenen Augenbrauen nach, wie der noch kurz mit dem Wirt ein paar Worte wechselte und gleich darauf das Gasthaus verließ.
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