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Den Weg, hätte er sich sparen können, nichts, niemand, wusste etwas über Niklas` verbleib. Weder Loisl, der Wirt ihrer Stammkneipe, noch einer der anderen Gäste, konnten ihm etwas dazu sagen. Da hatte ja sogar er mehr darüber gewusst.
Es half alles nichts, die einzige heiße Spur war und blieb immer noch Lissy. Ihm blieb gar nichts anderes übrig, als ihren Köder anzunehmen und sich in ihre Falle zu begeben. Er musste es tun, so wie er es einst versprochen hatte. Nie wieder, würde einfach so ein Freund aus seinem Leben verschwinden, ohne dass jemand dagegen etwas unternahm. So wie bei Valerie.
Jerry meldete sich erst am nächsten Nachmittag wieder bei Lissy, mit einem ganz unverfänglichen `Hallo´.
Fünf Minuten später kam die Antwort: `Servus, Narziss, hab dich schon vermisst´.
`Hatte was zu tun, auch Künstler müssen hin und wieder arbeiten´.
`Ach, echt? Was für eine Art Künstler bist du eigentlich?´
`Na Lebenskünstler, was sonst´.
`Haha!´
`Wenn du mehr über mich erfahren möchtest, wie wäre es, mit einem Real-Date? Würde dich echt gerne kennenlernen´, schrieb er als Antwort und wartete gespannt auf Lissys Reaktion, doch sie antwortete nicht mehr.
Am nächsten Tag öffnete er die Flirt-App und versuchte es erneut.
`Narziss an Lissy, was ist los mit dir, sind dir die coolen Sprüche ausgegangen, oder hast du einfach nur Schiss?´, versuchte er sie herauszufordern, ohne Erfolg.
„Verdammter Mist“, murmelte er frustriert, als sie sich bis zum Abend hin immer noch nicht gemeldet hatte und warf das Handy auf den Tisch. Ok, dann eben anders.
Jerry lehnte sich zurück und dachte noch einmal intensiv über sein Gespräch mit Niklas nach. Was hatte der noch gleich gesagt? Lissy Baierl, Raum Passau, ein alter Bauernhof als Pension. Pension! Warum war er nicht gleich darauf gekommen?! Er musste nur die Adresse herausbekommen und wenn sie Fremdenzimmer vermietete, würde sie sicher auch Werbung dafür machen!
Wieder nahm er sein Smartphone in die Hand und gab ein: Pension Baierl, Niederbayern.
Nichts, kein Treffer.
Vielleicht über das Fremdenverkehrsamt? Er versuchte es in Passau und den umliegenden Ortschaften, erfolglos.
„Wo versteckst du dich, du Miststück“, murmelte er und schnaufte tief durch. Erneut schrieb er sie über die Plattform an, wieder und wieder, entschuldigte sich sogar bei ihr und beteuerte ihr sein tiefes Bedauern darüber, dass sie sich nicht mehr bei ihm meldete, doch Lissy blieb stumm. Kurzer Hand fasste er einen Entschluss, gleich morgen würde er sich in seinen alten Mustang setzen und sie suchen! Schließlich hatte er Urlaub und warum sollte er das Nützliche nicht mit dem Angenehmen verbinden? Passau und die Gegend drumherum war sehr schön, er würde sich die Drei-Flüsse-Stadt ansehen, einige Tage einfach nur ausspannen und dabei die umliegenden kleineren Ortschaften erkunden. Wäre doch gelacht, wenn er Lissy nicht finden würde!
***
Malik starrte seufzend auf den leeren Schreibtischsitz, ihm gegenüber und nahm sein Handy. Eine Woche war Jerry nun schon fort, ohne sich bei ihm zu melden. Ok, dann würde er es eben tun, einer musste ja der Klügere sein und nachgeben!
Und so schrieb er: `Hi, Alter, wie geht’s dem Gummibaum?´
`Dem Gummibaum geht’s gut und mir übrigens auch!´, kam die prompte Antwort und Malik schmunzelte.
`Freut mich, zu hören´.
`Warum fragst`n dann nach der Drecksstaude und nicht nach mir!´.
`Ok, wie geht’s dir und was machst du?´ Malik schüttelte amüsiert den Kopf.
`Danke der Nachfrage, mir geht’s prächtig, mache Urlaub �� ´, schrieb Jerry zurück und Malik lachte kurz auf.
`Wo?´
Es dauerte einen Moment, so als ob Jerry erst überlegen würde, dann kam die Antwort: `Passau!´
Malik sog die Luft ein und stieß sie geräuschvoll wieder aus. „So ein Blödmann“, grummelte er leise und schrieb: `Du bist so ein Depp! Machst einen auf Alleingang und vergeudest deinen Urlaub dafür!´
`Vielen Dank auch! Musste es ja alleine machen, weil mein Vorgesetzter zu boniert war! Ciao und leck mich!´
`Du mich auch!´, schrieb Malik wütend zurück und machte das Handy aus. Was erlaubte der sich eigentlich? Bitte schön, sollte er doch, war ja sein Urlaub, den er für diesen Quatsch opferte! Was ging ihn das an? Nichts, rein gar nichts! Wenn Jerry so kindisch war, dann war ihm echt nicht zu helfen!
Als Malik kurz vor Feierabend seinen Rechner herunterfuhr, fiel sein Blick auf Jerrys Schreibtisch und, auf den Laptop. Gehörte der nicht diesem Niklas?
Mit einem tiefen Seufzen erhob sich Malik, trat um den Tisch herum und strich mit den Fingerspitzen über das schwarze Plastikgehäuse. Sollte er der Sache vielleicht doch nachgehen? Für Jerry? Dem schien es wirklich am Herzen zu liegen und naja, vielleicht hatte er ja doch recht. Vielleicht, war ja doch etwas an dieser Geschichte dran…
Malik nickte wie zu sich selbst, nahm den Laptop und machte sich auf den Weg zur Spurensicherung. Er konnte das Ding ja mal ihrem IT- Spezialisten zur Sichtung geben, vielleicht fand der ja was heraus, zumindest konnte Jerry ihm dann nichts mehr vorwerfen! Boniert, er! Ph!
Danach fuhr er nach Hause, duschte und zog sich für das gemeinsame Abendessen mit seinen Eltern um. Er war jetzt fast dreißig und lebte noch immer bei ihnen, ging es plötzlich durch seinen Kopf. Verwöhnter Prinz!
Eigentlich hatte er sich nie daran gestört, er lebte gerne hier und musste sich eingestehen, dass er es auch immer genossen hatte, sich von seiner Mutter verwöhnen zu lassen. Ja, er führte ein angenehmes Leben. Sein Vater hatte ein gutgehendes Geschäft für exklusive Möbel und Teppiche, direkt hier in München und es hatte ihnen nie an irgendetwas gemangelt. Sie waren vielleicht keine Millionäre, aber Geld war nie ein Thema in seiner Familie gewesen und dass er und seine Schwestern in einer schicken Villa ihre Kindheit verbracht hatten, war fast schon so etwas wie eine Selbstverständlichkeit für ihn.
Wie war wohl Jerry aufgewachsen und wieso lebte der nun in so einer heruntergekommenen Wohnung? An seinem Gehalt konnte es doch nicht liegen, ok, bei der Polizei verdiente man nicht gerade übermäßig gut, auch nicht bei der Kriminalpolizei, aber so zu hausen, musste man wirklich nicht. Und diese alten, gebrauchten, wie vom Sperrmüll scheinenden Möbel…
Unwillkürlich musste er plötzlich lächeln, als er an das einzig schöne in dieser Bude dachte und er sah das Foto wieder vor seinem geistigen Auge auftauchen. So eine wunderschöne Frau. Wer war sie und in welcher Beziehung stand Jerry zu ihr, dass er so ein Geheimnis um sie machte?
Romy, ob das wirklich ihr Name war?
Wahrscheinlich würde er das nie erfahren. Und doch ging ihm dieses zauberhafte Wesen nicht aus dem Kopf und in dieser Nacht träumte er sogar von ihr.
***
Jerry schlenderte durch die barocke Altstadt von Passau, genau wie ein gewöhnlicher Tourist und genoss die warme Herbstsonne auf seinem Rücken. Er hatte sich bereits die Veste Oberhaus angesehen, eine mittelalterliche Festung, die über der Stadt thronte und war nun auf dem Weg zum Stephansdom, mit seinen charakteristischen Zwiebeltürmen.
Danach würde er sich in ein nettes Café setzen und einfach mal einen Cappuccino oder einen Eiskaffee genießen. Oder vielleicht sogar beides. Wie lange hatte er dies nicht mehr getan, einfach nur genießen und ein Wenig träumen.
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