1 ...6 7 8 10 11 12 ...23 „Einer Teufelin hinter einer hübschen Maske!“, kommentierte ein Regierungsvertreter.
Als die hübsche Täterin den Rollstuhl gegenüber der Mona Lisa abgestellt hatte und den Raum verließ, hielt der Film an. „Bevor ich mit den Aufzeichnungen der Überwachungskameras fortfahre, möchte ich auf den Rollstuhl und die alte Dame eingehen. Es handelt sich hier um eine Meisterleistung der Kombination von Hightech - Roboter, modernster Waffentechnik und Täuschung. Anhand dieser Skizze können Sie den Aufbau dieser `Waffe´ erkennen: Der motorisierte Rollstuhl selbst, der aussieht wie jeder andere auch. Lediglich seine Batterie wurde verstärkt, um genug Strom für den Roboter und die Abwehrvorrichtungen zu liefern. Ausgestattet ist die Figur der Nonne neben den Bewegungsapparaten für die Motorik der Arm- und Gesichtsmuskeln auch mit einem ganz gewöhnlichen digitalen Abspielgerät, um den Dialog mit Isabelle Daou aufnehmen zu können. Diese hatte am Griff des Rollstuhls verschiedene Tasten, um unterschiedliche Sätze abspielen zu lassen. Vermutlich gab es auch eine Fernsteuerung, um die Worte abzurufen.“
Er gönnte seinen Zuhörern eine kurze Pause, um die Informationen verdauen zu können. So etwas Raffiniertes hatte keiner der Besprechungsteilnehmer jemals zuvor gesehen. Außer vielleicht der Person, welche den abgedunkelten Raum jetzt betrat und aufgrund des Gegenlichts in seinem Rücken nicht zu erkennen war. Mit einem „Entschuldigung“ setzte er sich auf einen der freien Stühle an der Wand, obwohl er an dem großen Tisch selbst hätte Platz nehmen können.
„Als Mademoiselle Daou den Rollstuhl verließ, aktivierte sie mit Hilfe eines anderen Druckknopfes die elektrische Abwehrvorrichtung ihrer Kampfmaschine. Wer danach den Rollstuhl oder die Figur berührte, erhielt einen Stromstoß, der ihn für kurze Zeit lähmte und zu Boden warf.“ Er ließ die Bilder der Überwachungskamera vorspielen, die den jungen Amerikaner zeigten, wie er den Rollstuhl wegzuschieben versuchte und kurze Zeit später zuckend am Boden lag.
„Zurück zur Skizze. Das Herzstück dieses Apparates ist diese moderne Rakete, dem Prinzip nach eine Panzerfaust. Sie wurde vor ein paar Jahren für den Einsatz in Gebäuden zum Aufsprengen von Stahltüren und Bunkerwänden entwickelt. Das Besondere an ihr ist die kurze Reichweite und die hohe Sprengkraft. Sie ist absolut rückstossfrei und.....“ Er machte eine kurze Pause, um die Dramatik der Information zu erhören: „... wird nur von Sondereinsatzkräften der Europäischen Polizei verwendet. Nicht vom Militär. Und wurde auch nicht an andere Staaten verkauft!“
„Weitere Besonderheiten an dem Apparat: Im rechten Auge befand sich ein Sensor, welcher das Ziel, also das Rechteck des Gemäldes genau ins Visier nahm. Außerdem wurden die Räder des Rollstuhls automatisch blockiert, so dass er sich nicht mehr bewegen oder verschieben ließ.“
„Wie wurde die Panzerfaust ausgelöst?“ Die Frage unterbrach den Vortrag.
„Mit Hilfe einer hoch präzisen Digitaluhr. Genau um 10.09 Uhr, wie auf dem Fax angekündigt, löste der Mechanismus die Zündung aus.“ Auf der Leinwand konnten die Experten und Vertreter der Politik verfolgen, wie Panik in dem Museumssaal ausbrach, die Stahlwand vor das bedeutendste Gemälde der Welt stürzte, um Sekunden darauf aufgesprengt zu werden.
„Was ist mit der Attentäterin?“, wollte einer der Regierungsvertreter wissen.
„Dazu kommen wir jetzt,“ erwiderte der Chef des Überwachungsdienstes. „Sie sehen hier die Aufnahmen, wie sie das Museum verlässt. Achten Sie bitte auf die blaue Handtasche! Zuerst dachten wir, sie hat sie von einem Komplizen im Museum erhalten. Als wir die Bilder aber genauer auswerteten, entdeckten wir, dass sie die Handtasche aus einem Fach an der Rollstuhlseite herausgezogen hatte, als sie die Roboter-Nonne vor die Mona Lisa schob. Sie schob die Handtasche so geschickt unter die weiten Ärmel ihres Kleides, dass es keinem auffiel.“ Die Bilder aus dem Ausstellungsraum der Mona Lisa wurden nochmals eingeblendet und angehalten, als die Handtasche für kurze Zeit zu sehen war.
„Als sie das Foyer betrat, entnimmt sie diesen kleinen Beutel, der wie ein zusammengeknülltes Papiertaschentuch aussieht, der Handtasche, wirft einen Blick auf die Uhr und schleudert das Päckchen in einen Mülleimer. Wie Sie sehen, ist es 10 Uhr, 8 Minuten und 55 Sekunden. Wie Sie erkennen können, ist das ganze absolut präzise geplant worden!“
Wieder wurde Monsieur Gaultier durch eine Frage unterbrochen: „Wurde sie gefasst?“
„Nein! Als sich der Rauch des Nebelkörpers verzogen hatte, fanden wir ihr Kleid und die Handtasche. Wie Sie hier sehen, verließ sie den Louvre in Jeans und T-Shirt und einem Taschentuch vor dem Gesicht, das geschickt ihre Augen verbarg. Aufgrund dieser Täuschung suchten unsere Männer mindestens zwei Stunden mit einer falschen Personenbeschreibung. Auch die Fahndung mit Hilfe des Eyescannings blieb erfolglos.“
Der Chef des Überwachungsdienstes gab seinem Assistenten wieder ein Zeichen, worauf dieser das Licht wieder einschaltete. Leinwand und Monitor verschwanden geräuschlos in der Decke. „Damit bin ich am Ende meiner Ausführungen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!“
Der ranghöchste Vertreter der französischen Regierung meldete sich zu Wort, ohne auf die Ausführungen der nächsten Spezialabteilung zu warten: „War es das Original?“
Alle Augen wanderten vom Fragesteller den Tisch entlang zu einem gross gewachsenen Mann, der jetzt seltsam klein und verloren auf seinem Stuhl in der Runde saß: „Ja!“, antwortete er und gab jeglicher Hoffnung den Todesstoß. „Ja! Es war das Original!“
Um 14 Uhr wurde die Pressekonferenz pünktlich eröffnet. Obwohl im Gegensatz zu Amsterdam nur ein Bild zerstört wurde, waren doppelt so viele Journalisten anwesend. Und zehn Mal so viele Fernsehsender übertrugen die Pressekonferenz live.
Der Chef der Pariser Polizei eröffnete die Konferenz und ließ wie bereits am Morgen, nur in gekürzter Fassung, den Chef des Überwachungsdienstes ausgewählte Bilder der Überwachungskameras kommentieren. Danach stellte er sich den Fragen der Presse aus aller Welt.
„Gab es Verletzte oder Tote?“
„Keine Toten. Es wurden neun Menschen verletzt, die alle noch im Krankenhaus behandelt werden. Es befindet sich niemand in Lebensgefahr. Aller Voraussicht nach wird es keine bleibenden Schäden geben!“
„Gab es eine Warnung vor dem Attentat?“
„Es ging eine Ankündigung ein. Alle Vorsichtsmaßnahmen wurden sofort eingeleitet. Und ich betone, dass sich die Sicherheitsvorkehrungen auf einem außergewöhnlich hohen Niveau befanden!“
„Wer steckt hinter diesem Anschlag? Sind es die gleichen Täter wie in Amsterdam?“
„Verschiedene Indizien weisen auf die gleichen Täter hin. Wer es ist, wissen wir noch nicht!“
„Was für Indizien?“
„Aus polizeitaktischen Gründen kann ich dazu noch keine Stellung beziehen. Ich bitte um ihr Verständnis.“
„Was wird getan, um die weitere Vernichtung unseres Kulturgutes zu verhindern?“ Mit der Verminderung der Lautstärke nach dieser Frage erhöhte sich die Spannung im Saal. Der französische Minister für Kultur gab ein Zeichen, dass er die Frage zu beantworten wünschte: „Ab morgen bleiben alle wichtigen Museen in Europa geschlossen. Wir haben bereits mit der Erarbeitung eines umfangreichen und wirkungsvollen Sicherheitskonzeptes begonnen.“
In der Niederlassung Frankreich des European Security Service, etwas außerhalb von Paris, wurde zeitgleich zur Pressekonferenz eine verdeckte Operation eines Ermittlungsteams verfolgt. Via Satellit wurde das Eindringen von zehn Männern und drei Frauen in ein heruntergekommenes Bürohochhaus in Lagos, Nigeria, verfolgt.
Das Team war in der Nacht von Europa aus kommend auf einem amerikanischen Flugzeugträger im Golf von Guinea gelandet, dort mit Hubschraubern bei drei Fischerbooten vor der Küste Nigerias abgesetzt worden. Mit den Booten landeten sie in einem verschlafenen Fischer- und Schmugglerdorf fünfzig Kilometer östlich von Lagos. Weiterhin unbemerkt gelangten sie mit zwei alten, angerosteten LKW´s nach Lagos zu dem Gebäude, in welchem sich der Telefaxanschluss befand.
Читать дальше