1 ...7 8 9 11 12 13 ...23 Von Europa aus konnte der Anschluss ermittelt werden. Die Firma, welche die Räumlichkeiten und den Telefaxanschluss mieteten, war nicht bekannt. Auch die Kontaktleute des ESS in Nigeria konnten nichts in Erfahrung bringen.
Während drei Mann bei den LKW blieben, eine Frau und ein Mann den Eingang sicherten, drang der Rest der Crew in die Büroräume der verdächtigen Firma ein. Zwei Männer sicherten Zugang und Flur zum Büro, der Rest durchforstete die Firma.
Die Aktion wurde direkt nach Europa übertragen. Die Tür war leicht zu öffnen. In den Büros war es angenehm kühl, die Klimaanlage lief. Die Räume selbst waren leer. Keine Möbel, keine Schriftstücke, kein Müll. Lediglich das Telefaxgerät befand sich auf dem Boden direkt neben dem Anschluss in der Wand. Das Team packte seine Ausrüstung aus, begann mit der Suche und Sicherstellung von Spuren. Der Boden wurde mit Spezialstaubsaugern abgesaugt, Ritzen in Wänden und Böden wurden mit Pinseln nach Haaren, Schuppen, allem, was auf die Täter hinweisen konnte, gesäubert. Selbst die Abflussrohre in den Waschräumen wurden untersucht.
Zwei Stunden später verließ das Team wieder das Bürogebäude. Die Kontaktleute hatten während der „Säuberungsaktion“ Befragungen durchgeführt. Obwohl sie auch mit Geld nachhalfen, bekamen sie nur heraus, dass ein Mann telefonisch das Büro gemietet hatte, telefonisch den Telefaxanschluss beantragt hatte. Die Miete und andere Kosten wurden bar bezahlt, durch einen Kurier überbracht. Und: In diesem Teil der Erde gab es keine Überwachung wie in den europäischen Städten.
„Was bedeutet dieser Code auf der Warnung vor dem Attentat?“ Die Frage stellte der Pariser Polizeichef dem Leiter der Sonderkommission Van Gogh.
In dem Büro des Polizeichefs waren nur wenige hochrangige Polizisten und Ermittler anwesend, sowie der Agent des ESS, Anthony Brown.
„Es scheint ein Gewährleistungscode zu sein, den wir auf einem Brief des Van-Gogh-Attentäters gefunden haben.“ Die Stimme des Amsterdamer SK-Leiters war ruhig, aber monoton. Im Gegensatz zu seinen Gedanken. Es war keine Unterhaltung mehr, es war ein Verhör.
Anthony Brown schaltete sich ein: „Warum haben Sie die Sache mit dem Code für sich behalten?“
„Weil ich dadurch den Täter, die Hintermänner, verunsichern wollte. Damit sie einen weiteren Brief schicken würden, damit sie Fehler machen würden.“ Die Aussage grenzte schon fast an ein Stammeln.
Kühl und sich der Macht seiner Schlussfolgerungen bewusst fuhr der ESS-Agent fort: „Der Code stellt so etwas wie ein Authentizitätsmerkmal dar, der die echten Attentatswarnungen von den Trittbrettfahrern unterscheiden soll. Vielleicht sollte das Gemälde gar nicht zerstört werden. Vielleicht sollten auch die Menschen gar nicht verletzt werden! Haben Sie daran schon einmal gedacht?“ Anthony Brown blickte den SK-Leiter an wie eine Schlange, die ihr Opfer kurz vor dem Giftbiss hypnotisiert.
„Wir haben sofort nach Eingang des Fax in Paris angerufen!“, verteidigte sich die in Lebensgefahr schwebende Maus.
„Wissen Sie wie viele Drohanrufe jeden Tag seit den Anschlägen in Amsterdam für Museen, Gemäldesammlungen und Ausstellung weltweit eingehen? Dieser Code, den Sie für sich behalten haben, dessen Existenz Sie für sich behalten haben, hätte den Unterschied zwischen echt und unecht ausgemacht!“
Noch am Abend des gleichen Tages wurde ein Ermittlungsverfahren gegen den Leiter der Sonderkommission Van Gogh eingeleitet. Wenige Tage später wurde er aus dem Polizeidienst entlassen. Aufgrund „persönlicher Gründe“ wie der Presse gegenüber verlautbart wurde. Immerhin hatte es in seiner Hand gelegen, das bedeutendste Gemälde der Welt vor einer barbarischen Tat zu retten. Jetzt war es unwiederbringlich verloren. Zerstört für alle Zeiten. Nie wieder würde ihr Lächeln die Menschen verzaubern. Nie wieder!
Eine Woche später
„Ist das die Skulptur?“ Der Arbeiter stand vor einer großen, etwa zwei mal zwei mal zwei Meter großen Figur. Sie war gefertigt aus Computerschrott, zusammengeschweißt, zurecht gebrochen, zurechtgeformt. Die Figur hatte die Form eines Pferdes, sollte die Form eines liegenden Pferdes haben. Der Titel: „Das Trojanische Pferd.“
„Wie schwer wird sie wohl sein?“ Der Arbeiter diskutierte mit seinen Kollegen, wie die Skulptur am besten zu transportieren war. Dieses monumentale Pferd war nicht so einfach zu bewegen. Groß, schwer, unförmig. Durch das große Tor der zu einem Atelier umgebauten Scheune war sie leicht hinaus zu transportieren. Zuvor musste sie aber angehoben und sorgfältig verpackt werden.
Ein Gabelstapler erledigte diese Arbeit, eine Transportkiste wurde zusammengezimmert und mit Styropor ausgestopft. Jetzt konnte der Skulptur, die trotz ihrer massiven Größe aufgrund der Computerbauteile einen sehr zerbrechlichen Eindruck machte, ohne Gefahr verschickt werden.
„Wann kommen Sie nach Bilbao?“, fragte ein Angestellter des Guggenheim-Museums in Bilbao, der zugleich den Empfang des Kunstwerks quittierte.
„Ich werde in einer Woche nach Bilbao fliegen und mich auf die Eröffnung der Ausstellung vorbereiten. Wenn sie denn jemals eröffnet wird.“ Der Schöpfer der Skulptur, der Künstler Thomas Jensen-Mendez, war skeptisch. Seit den Anschlägen in Paris und Amsterdam war das Museum in Bilbao geschlossen. Der Termin für die Eröffnung der Skulpturen-Ausstellung zeitgenössischer europäischer Bildhauer war verschoben worden. Auf unbestimmte Zeit.“
„Wie groß ist die Gefahr, wenn wir die Ausstellung nur für geladene Gäste eröffnen? Und dann erst für das normale Publikum. Wir haben unsere Sicherheitsleute durchleuchtet, haben die Stärke der Wachmannschaften erhöht. Das Konzept für die Sicherheitskontrollen ist so gründlich, dass kein Rollstuhl, keine Handtasche, nichts, was irgendwie gefährlich ist, in das Museum gelangen kann.“ Der Direktor des Guggenheim-Museum sprach, er kämpfte um die Wiedereröffnung seines Museums. Seit Paris waren fast zwei Wochen vergangen.
Er fuhr fort: „Was nützt es, wenn wir all diese Meisterwerke verstecken, sie einsperren, ohne dass sie jemand zu Gesicht bekommt. Diese Kunst gehört nicht in einen Tresor, sie soll von allen Menschen gesehen werden. Sie soll die Menschen anregen, erfreuen, inspirieren. Kein Foto, kein virtueller Rundgang, nichts, kann das Erlebnis des Museums selber ersetzen. Gerade in diesem Gebäude kommt die Kunst voll zur Geltung, Architektur und Kultur ergänzen sich hier ....“ Der Museumsdirektor konnte gar nicht genug Worte finden, um das Erlebnis seines Museums zu beschreiben.
„Wenn die Kunstwerke zu Asche zerfallen, hat die Menschheit auch nichts mehr davon!“ Mit diesen Worten beendete der Direktor des Spanischen Überwachungsdienstes die Aufzählung. Sein Untergebener, zuständig für die Sicherheit im Grossraum Bilbao, nickte ihm zustimmend zu.
„Es wurde doch sogar ein Überflugverbot verhängt. Und selbst Schiffe dürfen dem Gebäude nicht zu nahe kommen.“ Der Direktor ließ nicht locker.
„So lange wir nicht wissen, wer dahinter steckt und welche Ziele mit all diesen Attentaten auf Museen verfolgt werden, müssen wir vorsichtig sein. Besser eine unzugängliche als eine leere Festung!“ Mit diesen Worten entschied der Direktor des Spanischen Überwachungsdienstes, daß das Guggenheim-Museum wie viele andere Museen weiterhin geschlossen bleiben sollte. Geschlossen und abgeschirmt wie eine Burg in früheren Zeiten.
Ein paar Tage später drehte ein Filmteam des Spanischen Fernsehens in den Räumen der vorgesehenen Sonderausstellung über die Werke zeitgenössischer europäischer Bildhauer.
Einige der Künstler waren anwesend, ließen sich bereitwillig interviewen.
„Was wollen Sie mit ihrem Werk, dem Trojanischen Pferd, aussagen?“ Der Kulturjournalist hatte sich zusammen mit Jensen-Mendez, einem deutsch-spanischen Bildhauer, vor dessen Werk in Szene gesetzt.
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