Fräulein Len
Sonntagmorgen, 12. September 2010
Das Problem Mach löst sich noch vor der ersten Weißwurst, nachdem Nikolaus Mach zur Bühne marschiert ist und zu Ehren einer Dame im Saal ein Lied aus den Zwanziger Jahren vortragen will.
Die Musik spielt eine fetzige Einleitung. Doch schon nach den ersten Gesangstakten von Ich hab das Fräulein Len baden sehn, das war schön …, die ganz schief daherkommen, ruft Kalle laut: „Nun sag mal, Machmal! – Bist du schon im Stimmbruch? – Oder müssen wir noch ein bisschen warten?“
Mach geht daraufhin statt des Fräulein Len, mit dem er wohl Helene Hancke imponieren oder ärgern wollte, im brüllenden Gelächter selbst völlig baden.
„Wir sprechen uns noch, Weinig!“, lallt Mach wütend und droht mit der Faust. Aber Kalle schlagfertig: „Dann mach mal, Machmal! – Wird aber einseitig, wenn du jetzt schon so lallst!“
Schneider nickt zwei Kollegen am Tisch zu, damit sie den Kameraden Mach aus der Halle begleiten, und schärft ihnen ein, diesem den Autoschlüssel abzunehmen und ein Taxi zu rufen.
„Klar, Kollege Schneider“, meinen die beiden Beamten, „Reklame dieser Art brauchen wir für unsere Dienststelle wirklich nicht.“
„Mein Gott“, meint Bernd zu Schneider, als Mach verschwunden ist und die Party nun fröhlich weitergeht, „der Kollege Mach ist ja so etwas von fliegensympathisch, dass ich mir eine ganz große Klatsche für den kaufen möchte.“ –
„Nicht der Mühe wert, Breunecke“, seufzt Schneider, „die Klatsche kriegt er sicher bald von selbst. Da müssen wir nicht nachhelfen. Vielleicht fliegt er sogar. Der hat noch nicht mal den Zettel mit dem Gedicht zur Untersuchung weitergegeben. Und Nachforschungen zum Liebesleben der Putzfrau hat er auch noch nicht angeleiert, obwohl das doch naheliegt. Dr. Lange scheint in der Causa Mach wenig amüsiert zu sein! – Wenn ich morgen im Büro meine Sachen hole, werde ich mal nachfragen.“
Feierabend
Sonntagnachmittag, 12. September 2010
Leere Bierkästen und Weinflaschen. Leere Wurstkessel. Auf dem Büfett nur noch Reste. Die Spülmaschinen laufen. Von den Seekameraden haben sich die angetrunkenen verzogen. Die Anderen haben beim Aufräumen, Einräumen, Ausfegen und Aufwischen zusammen mit den Managerschülern kräftig zugefasst.
„Ich bin mit Ihnen zufrieden, meine Herren“, verabschiedet Edwin Eberle seine Managerlehrlinge zur Villa am See in Nussdorf.
„Den Rest schafft ihr allein, und sperrt später bitte ab“, wendet er sich an Bernd und Judith, „den Schlüssel müsst ihr bei der Kirchengemeinde abgeben. Die will heute Abend hier einen achtzigsten Geburtstag feiern. Deshalb bleiben die Tische stehen.“
Bernd und Judith warten, weil Schneider am Tisch von Familie Dr. Lange ein ernsthaftes Gespräch führt. Wie man mitbekommen kann, geht es um Nikolaus Mach. Hilde sitzt daneben im Rollstuhl und wartet ungeduldig. Sarah ist mit Claudia und Simon schon zur Managervilla unterwegs.
„Eine Freude war die Zusammenarbeit mit dem jungen Kollegen bisher nicht“, sagt Schneider fast am Ende des Gesprächs, „vielleicht kann ihn mein Nachfolger zähmen. – Was ist mit dem überhaupt los?“
„Eine unangenehme Sache, Kollege Schneider“, wiegt Dr. Lange den Kopf, „den Rupprecht Borräus aus Frankfurt hat Ihr Breunecke schon kurz kennengelernt, während Sie sich am Walensee gesonnt haben. Die Häfler Sozis wollten den Borräus aus verschiedenen Gründen partout nicht haben. Der Borräus hat nicht nur viel Erfahrung mit der Fernverkehrsbranche, er blickt auch auf lange Erfahrung mit dem Rotlichtmilieu zurück. Das Zähmen von verliebten und widerborstigen Polizisten soll deswegen zu seinen Spezialitäten gehören. Warten wir einfach ab, was geschieht. Denn eigentlich sollte der Kollege Mach dem Borräus auf die Finger sehen, weil der Borräus vermutlich zu den Linken gehört. Nur wie der Herr Mach sich heute verhalten hat …. – Ich möchte Sie nicht gleich aus Ihrem verdienten Vorruhestand zurückholen müssen, Kollege Schneider, um Ordnung in den Laden zu bekommen! – Ich bitte Sie aber, Ihre Dienstgeschäfte bis zum Wiedereintreffen von Rupprecht Borräus außerplanmäßig wieder aufzunehmen. Der muss nämlich zur Klärung einer längeren Geschichte nach Frankfurt. Dem Kollegen Mach werde ich schon morgen eine entsprechende Notiz zukommen lassen, damit der sich fügt. Das mit der Besoldung regle ich für Sie. – Oder fühlen Sie sich nach Ihrem langen Urlaub nicht fit?“
Damit verabschiedet sich auch Dr. Lange mit einem Dank bei Judith und Bernd. Seine gefräßige Frau und die Töchter hatte er schon vorher zum Strandbad Nussdorf weggeschickt. Dort gäbe es Eis.
Endlich können Judith und Bernd nun den Rest aufräumen. Aber bevor sie zusperren, gibt es noch ein kurzes Gespräch zwischen Egon Schneider und Bernd Breunecke.
Überlegungen
Sonntagnachmittag, 12. September 2010
„Wenn der Mach sich nicht so dämlich aufgeführt hätte, könnten wir morgen noch mal für ein paar Tage an den Walensee fahren, Egon“, ärgert sich Hilde Schneider, als Egon Schneider endlich zu ihr tritt, „in Quinten muss es jetzt herrlich sein. Oder wir könnten mit Sarah nach Brione und dort nach dem Rechten sehen. Aber Du musst natürlich wieder ermitteln, weil Dr. Lange Dich überredet hat. Jetzt haben wir den Salat.“
Und damit rollt sie dem Saalausgang zu, wo Judith noch ein paar letzte Flecken von der Theke und den heruntergelassenen Rollos der Essenausgabe wischt.
„Eigentlich hat Hilde Recht“, seufzt Egon Schneider, „aber ich kann doch nicht…“
„Ich weiß, Chef“, setzt Bernd fort, „dass Sie auf diese Weise noch in Sachen Unruh ermitteln können.“
„Sie haben es erfasst, Breunecke“, gibt Schneider widerstrebend zu, „und da ich Ihre Neugier kenne, werde ich Sie auch auf dem Laufenden halten“.
„Okay, Chef“, prustet Bernd los, „Sie machen das ja nur, um dem Machmal auf die Finger zu klopfen – oder?“
„Nicht so ganz, Breunecke“, erklärt Schneider da ganz ernst, „ich möchte nur wissen, ob ich mich im Franz Unruh derart getäuscht und damals einen Fehler gemacht habe. Das lässt mir keine Ruhe.“
„Und wo fangen Sie an, Chef?“, ist Bernd nun neugierig. –
„Mit dem Vierzeiler natürlich, Breunecke“, lautet die Antwort, „denn wenn es stimmt, dass die Putzfrau so in der Gegend rumgevögelt hat, wie der Vierzeiler andeutet, muss ich ihr Verhältnis zum Franz von Unruh auch näher durchleuchten. Denn wieso hat der Saubermann Unruh die schlecht putzende Frau nicht schon früher rausgeschmissen. Da kann was nicht stimmen!“
„Das kann doch nicht Ihr Ernst sein, Chef“, ist Bernd zunächst verblüfft, meint darauf aber: „Könnte schon was dran sein. Dann müssten Sie aber sein Sexualverhalten insgesamt näher überprüfen, die Nachbarschaft diesbezüglich befragen. Und dann wäre da noch das Ohrgehänge der Putzfrau, bei dem näher zu prüfen ist, wie es aussieht und ob es sich vielleicht um das fehlende zweite vom Schäferhundgerippe handelt. Und handelt es sich beim Skelett in der kleinen Kiesgrube tatsächlich um die Reste der Frau von Unruh? - Wo sind die Kleider der Putzfrau geblieben? Da haben Sie eine Menge Arbeit vor sich.“
„Stimmt, Breunecke“, nickt Schneider, „und morgen früh jage ich den Kollegen Machmal mit einem Bild vom Franz von Unruh von Lindau bis Konstanz durch die Rotlichtszene. Damit kann sich Mach gleichzeitig auf die Zusammenarbeit mit Borräus vorbereiten. Er soll rauskriegen, ob und wo der Unruh seinen unruhigen Docht eingetaucht hat. – Ich klopfe inzwischen Unruhs Umfeld ab und führe mit den Nachbarinnen in seinem Haus eine peinliche Befragung durch.“
„Vergessen Sie sein Konto nicht, wenn Sie schon dabei sind“, wird Bernd ironisch, „und in der Fußgängerzone in allen Städten um den See wäre sicher ein Plakat mit dem Bild von Franz von Unruh nützlich, das sich an alle Frauen und Mädchen wendet, Text: Hat Sie dieser Mann schon einmal angesprochen? – Dann melden Sie sich unter …..“
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