Feiermorgen
Sonntagmorgen, 12. September 2010
Die Seekameraden warten schon, als Bernd Breunecke und Egon Schneider mit ihrer Essenskarawane und dem Gefolge der Manager beim Dorfgemeinschaftshaus eintreffen. Sie helfen fleißig, all die Vorspeisen aus den Autos reinzutragen und nach Bernds Anweisungen auf dem langen Tisch an der einen Saalseite zu platzieren.
Geduldig erklärt Bernd die für manche seltsamen kalten Speisen, die es da noch außer den üblichen gebratenen Auberginen, den marinierten Champignons und den marinierten Zucchini gibt.
„Riecht aber arg nach Knobi“, bemerkt einer und rümpft die Nase.
Ein anderer meint: „Da gehört doch Knobi dran, sonst schmeckt’s nicht wie beim Italiener.“
Ein Kenner schnuppert an den Balsamicozwiebeln: „Hm, interessant. Da sind ja Rosmarin und Honig dran!“
Andere fragen, ob sie später auch von den Sachen probieren dürfen.
„Es geht für Euch zwar mit Weißwurst los“, lacht Bernd bei dem großen Interesse an den Produkten seiner Kochkunst, „aber wenn jemand vorher, danach oder anstatt Weißwurst Lust auf die Vorspeisen hat, kann er natürlich zulangen. Und diverse Lasagne-Sorten gibt es später auch noch.“
Und wieder hat Bernd fleißige Helfer gewonnen, welche die Wurstkessel anschließen und zum Anheizen einstellen, die Baguette, Brezen und Butterbrezen rein tragen. Dabei begrüßen sie Hermann Schultheiß mit großem Hallo. Einige genießen mit ihm gleich ihre erste Butterbreze zum Bier auf der Bühne. Andere helfen Judith Breunecke, Sarah Schwan und Helene Hancke beim Dekorieren der Tische mit langen Efeuranken, die Edwin Eberle noch am Morgen zusammen mit einem Managerlehrling von den Bäumen bei der Managervilla lösen musste. Und wieder andere sammeln sich beim Kinderwagen mit dem kleinen Simon, den Claudia Breunecke eifersüchtig bewacht, um einen Blick auf den kleinen Schreihals zu werfen.
„Wird mal ein guter Sänger“, ist ihr Kommentar, als er laut zu schreien beginnt.
„Mehr Deko hat auf den schmalen Biertischen keinen Platz“, meint Ute Eberle, als Hilde Schneider fragt, warum es keine Blumen gibt. Und sie hat wohl Recht.
Der Akkordeonist, der Gitarrist und der Bassist kommen etwas verspätet. Nur Kalle lässt sich nicht blicken. Nach einem kurzen Einsingen und einer Runde Tannenzäpfle legt der Chor, unter den sich auch drei Manager gemischt haben, also ohne Kalle los. Die Gäste suchen sich indessen einen Platz. Und auch Dr. Lange und seine Familie reißen sich von der sachkundigen Musterung des aufgebauten Büffets mit vielen Ahhhs und Ohhhs los.
Kalle fehlt immer noch. Auch Kommissar Nikolaus Mach ist bisher nicht eingetroffen. Für diesen hat Bernd, eingedenk Helene Hanckes Beschwerde über unerwünschte Annäherungsversuche, einen Platz zwischen Dr. Lange und Hilde Schneiders Rollstuhl frei gelassen. Und gegenüber sind die geladenen Kameraden der Polizeiinspektion Überlingen und der, in die Gründe für diese Platzlücke eingeweihte, Gerichtsmediziner postiert, in der Hoffnung, dass gerade dieser den Kollegen Mach von unerwünschten Annäherungsversuchen bei Helene Hancke abhalte.
„Zur Not stecke ich den Kollegen Mach in einen Leichensack“, witzelt der Doc, als Bernd ihm die genaue Beobachtung und ein passendes Eingreifen nahelegt.
Nach dem zweiten Lied erklärt der Sprecher des Chores, dass man den Auftritt Hilde Schneider zu verdanken habe und bedankt sich ganz artig für die Einladung zu der opulenten Verpflegung, die ein Seemann an Land nach langer Fahrt auf See gut vertragen könne. Wie er gesehen habe, wolle Bernd Breunecke wohl die Branche wechseln und in St. Gallen ein Restaurant aufmachen. Anders könne er sich dessen Riesenbüffet mit der überaus großen Auswahl nicht erklären.
Edwin Eberle gibt eine Erklärung und eine begeisterte Dankadresse für seinen Kurs ab, der hier die Gelegenheit habe, ein bunt gemischtes Fest zu erleben, wie es auch bei Betriebsfeiern beispielhaft sein könne. Und nach den Vorbereitungen vom Vortage mit den Seemännern zusammen gäbe es wohl ein zünftiges Bordfest an Land.
Danach kommen Egon Schneider und Bernd Breunecke mit ein paar launigen Begrüßungsworten und Hinweisen zum Ablauf der Feierlichkeiten dran.
Schneider dankt vor allem dem Chor, dessen Gesang man immer wieder zwischendurch beim Essen und Plaudern genießen dürfe. Und später würde dieser noch den großen Festakt umrahmen, wenn Dr. Lange die Urkunden überreiche. Man möge bis dahin Ohr und Mund fleißig bedienen.
Bernd schließt den Kreis mit der Bemerkung, das Büffet sei ab sofort freigegeben, die Wurstkessel seien angeheizt und die Lasagne im Ofen.
Missklang
Sonntagmorgen, 12. September 2010
Kaum ist das nächste Lied begonnen und Dr. Langes Töchter lenken ihre Schritte zum Büffet, hört man draußen und kurz darauf auch im Saaleingang lautes Schimpfen. Kalle und Nikolaus Mach treffen ein.
„Du hast sie wohl nicht alle, Machmal“, ist Kalle zu hören, „der Franz tut keiner Fliege was zuleide. Du sperrst ihn einfach ein und lässt mich nicht mal mit ihm reden. Wie soll ich da für ihn Entlastendes finden?“
Und Mach: „Regen Sie sich nicht so auf, Weinig. Die Beweislage ist erdrückend, und Sie sind kein Rechtsanwalt. In meine Ermittlungen lasse ich mir von einem windigen Privatermittler wie Ihnen nicht reinpfuschen. Und das Du schminken Sie sich mal sofort ab.“
Schneider muss die beiden Streithähne trennen. Der Chorleiter hilft ihm, indem er Kalle sofort auf die Bühne beordert. Und dort hört man Kalle danach so laut singen, dass es klar ist: Hier wird Wut abgebaut. Nikolaus Mach dagegen prostet in seinem Ärger eifrig seinem Dienstherren Dr. Lange und dessen Gattin zu, dann seinen Kameraden und Helene. Er versucht wohl auf diese Weise Punkte zu machen, säuft sich stattdessen aber unter Hilde Schneiders und Helenes missbilligenden Blicken sehr schnell regelrecht zu.
„Hoffentlich geraten die beiden Hitzköpfe nicht beim Weißwurstholen aneinander“, meint Bernd zu Edwin Eberle, als plötzlich das Licht bei der Küche ausgeht und er mit ihm zusammen die Sicherungen und die Anschlüsse der Wurstkessel prüfen muss. „Der Kalle bringt es glatt fertig, dem Mach die Weißwürste in den Kragen zu stecken und dazu zu sagen Weißwurst und Hanswurst passen gut zusammen“
„Kannst du durchaus Recht haben, Bernd“, lacht Edwin, „aber ich denke, dazu werden die Beiden beim Weißwurstholen in ihrer Wut schon zu besoffen sein. Kalle hat schon die dritte leere Bierflasche unter seinem Stuhl auf der Bühne stehen. Auch der Mach ist auch schon weit über seinem Limit. Du hättest hören sollen, wie der den Egon Schneider angefahren hat, als dieser etwas über die Identität des Gerippes vom Steinbruch bei Owingen wissen wollte.
‚ie sind nicht mehr im Dienst, Herr Kriminalrat im Ruhestand, hat er rotzig gesagt. Und Dr. Lange, der daneben saß, hat ihn zurechtgewiesen: Noch hat Kollege Schneider die Urkunde nicht, Herr Kommissar Nikolaus Mach! Und als Egon Schneider die Geschichte dazu erzählte, kriegte der Mach einen Anpfiff, weil dadurch herauskam, dass er noch gar nichts wegen der Identifizierung unternommen hat. Danach hat sich Mach gleich noch einen Schnaps runtergeschüttet. Und Dr. Lange war mächtig verärgert, weil ihm in der Zwischenzeit am Büffet die letzte Scheibe von deinem köstlichen sauren Rindfleisch entgangen ist.“
Beide müssen lachen, als Bernd nun meint, im Kühlschrank befinde noch ein ganzer Teller der Köstlichkeit und dazu noch einer mit Kalbfleisch und Thunfischsauce. Er werde Dr. Lange später sicher diesbezüglich besänftigen können. Aber erstmal solle der sich kräftig über den Mach ärgern, damit dieser Stinkstiefel eins auf die Mütze bekäme.
Danach dürfen sie ein besonderes Schauspiel bewundern. Denn Mach ist auf dem Weg zur Bühne und kurz darauf im Gespräch mit den Musikern, welche zuerst abwehren, dann aber ein paar Takte summen und nicken. - Spaß oder neuer Ärger? Bernd ist gespannt.
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