»Klar!« Barton deutete nach draußen. »Pfeile hab ich im Schuppen noch ein paar.«
»Kannst du die Sehne selbst austauschen?« Bela, der bereits am Tisch saß und an einem Stück Brot knabberte, musterte ihn aufmerksam.
Dilga nickte. »Einen Jagdbogen kann ich reparieren und notfalls auch Pfeile herstellen. Solche ohne Metallspitze jedenfalls.«
»Klasse!«, freute Barton sich, wie ein Kind. »Wenn du willst, können wir morgen auf die Pirsch gehen.«
»Sicher!« Die Aussicht seinen Muskeln etwas Bewegung zu verschaffen, gefiel Dilga.
Die Männer setzten sich an den Tisch und Barton trug die heiße Suppe auf. Ein einfaches Rezept, mit Gemüse und einer nahrhaften Wurzelsorte. Dilga füllte sich seine Schale und streute etwas von dem Käse, den Barton mit einer hölzernen Reibe zerkleinert hatte, auf seine Suppe.
*
Er hatte Glück gehabt und ein gut genährtes Wildschaf geschossen. Das gab nicht nur Fleisch, sondern auch Wolle und Leder. Selbst Arndt und Sägg hatten ihm begeistert auf die Schulter geklopft. Mort hatte das Schaf zerlegt und Dilga hatte Barton bei der Zubereitung des Essens geholfen. Er hatte unterwegs ein paar Kräuter gesammelt, von denen er wusste, dass sie den Geschmack von Wild ausgezeichnet hervorhoben. Jetzt saßen sie zusammen und ließen sich den Braten schmecken.
»Kann ich dich überreden den Winter über hier zu bleiben?« Mit seiner Frage unterbrach Mort Barton, der zum wiederholten Mal begeistert erzählte, dass Dilga das Schaf mit einem einzigen Schuss erlegt hatte, über eine Distanz von gut fünfzig Schritten.
»Da musst du nicht lange bitten.« Mit Gewalt brach Dilga ein einzelnes Rippchen des Schafs ab und legte es auf sein Brett.
»Weil wir dein Leben gerettet haben?« Sägg ignorierte großzügig, dass das nicht seine Idee gewesen war.
Dilga nickte und fügte hinzu: »Und weil es ein warmes Bett in einer lausig kalten Jahreszeit bedeutet.«
»Nicht leicht für Söldner im Winter«, stellte Mort fest. Dilga nickte schweigend und trank einen Schluck Soße.
»Dann ist es abgemacht? Ich begleite dich morgen gern wieder«, meinte Barton.
»Das könnte dir so passen!« Mort warf Barton einen finsteren Blick zu. »Dich vor der Arbeit drücken. Wir wechseln uns ab damit, Dilga zu begleiten. Morgen gehe ich mit!« Eine Weile stritten sie gutmütig miteinander. Barton versuchte zu argumentieren, warum er am besten geeignet war, Dilga zu begleiten. Er verwies darauf, dass er den Küchendienst versah und wenn Dilga ihm dabei half, sei es nur logisch, dass sie sich auch die Jagd teilten.
»Wenn du so gern jagen willst, kannst du mich morgen begleiten um unsere Fallen zu kontrollieren«, bot Sägg an.
»Wenn ich mich recht erinnere, hat Dilga angeboten für uns zu jagen und nicht als Koch zu arbeiten«, wandte Bela ein. »Auch wenn ich sagen muss, dass du dich mit Kräutern besser auszukennen scheinst als Barton.«
Barton war, was Kräuter anging, so etwas wie Belas Schüler. Das hatte der Holzfäller ihm auf ihrem Ausflug erzählt. »Eigentlich nur ein Nebeneffekt.« Dilga verstand die unausgesprochene Frage. »Ich hab vor einigen Jahren angefangen mich für Heilkräuter zu interessieren.«
»Du verstehst dich aufs Heilen?« Bela war beeindruckt.
»Das ist zu viel gesagt. Nein!« Dilga schüttelte den Kopf. »Ich kann kleinere Blessuren und Wunden versorgen. Das ist alles.« Und auch das war nicht die ganze Wahrheit. Eigentlich hatte Delia angefangen, ihn mit Giften auszubilden. Dilga zog das breite Jagdmesser, das Barton ihm überlassen hatte, aus dem Gürtel und zerteilte den restlichen Braten in der Mitte, so dass es einfacher wurde, sich kleine Stücke abzubrechen.
»Woher hast du das?« fragte Arndt fast feindselig.
»Ich habe es ihm gegeben«, antwortete Barton mit vollem Mund. »Für den Fall, dass ein Schuss nicht ausreicht.« Er rülpste. »Gnadenstoß ist nicht meine Sache, wie ihr ja wisst.«
Dilga schob das Messer wieder in seinen Gürtel und sah Arndt ruhig an. Er wusste genau, was in dem Mann vorging. »Ihr seid zu Fünft, Arndt!«, sagte er dann.
»Aber wir sind keine Kämpfer«, erwiderte Arndt trotzig. »Von uns käme keiner heil durch ein Ogerlager.«
»Das bin ich auch nicht«, wehrte Dilga ab.
»Trotzdem bist du ein Söldner.« Arndts Stimme verriet seinen Rückzug.
Dilga las in den braunen Augen noch immer Angst. »Welchen Vorteil hätte ich davon, euch zu töten?«
»Wir haben hier eine Menge wertvolles Holz«, argwöhnte Arndt.
»Genau!«, kichernd wedelte Barton mit der Hand in die Richtung, wo auf dem Hof die riesigen Baumstämme lagerten. »Ich sehe schon wie Dilga einen davon huckepack davon trägt und mit dem Verkauf reich wird.«
Einen Moment blieb es still, dann löste sich die aufkeimende Spannung in einem lauten Gelächter. Selbst Arndt stimmte mit ein. »Tut mir leid, Dilga!«, sagte er versöhnlich.
Mit einem Nicken akzeptierte Dilga Arndts Entschuldigung. Er nahm ihm seine Angst nicht übel. Viele Söldner würden genau das tun, was Arndt fürchtete.
*
Der Winter versprach angenehm zu werden. Die Holzfäller stellten keine großen Ansprüche an ihn. Sie waren zufrieden, wenn es alle paar Tage frisches Fleisch gab. Langsam fingen sie sogar an, ihm zu vertrauen. Selbst Arndt und Sägg gingen nicht länger einen halben Schritt hinter ihm, wenn sie ihn auf seinen Jagdausflügen begleiteten.
Dilga stellte den Beutel auf der Bank ab und beobachtete Bela, der das Feuer im Kamin schürte. Der Alte war ein angenehmer Begleiter, der mehr über Wildkräuter und ihre Wirkungen wusste als er. Außerdem war er schlau und gewitzt. Es hatte nicht lange gedauert, bis er herausgefunden hatte, dass Dilga sich auch mit den giftigen Pflanzen auskannte.
Der Alte drehte sich um und grinste ihn an. »Bist du jetzt sauer auf mich«, fragte er heiter.
»Nein«, seufzte Dilga. »Aber ich wäre dir dankbar, wenn du das für dich behältst.«
»Keine Sorge«, versprach er. Bela stellte zwei Tontöpfe mit Stößeln auf den Tisch. Gemeinsam sortierten und verarbeiteten sie die Kräuter. »Ist ganz schön lästig, wenn Sägg und Arndt nachts abwechselnd wach bleiben«, schmunzelte Bela.
»Sie haben Wache gehalten?«
Bela nickte. »Aber nur die Beiden. Wir anderen haben geschlafen.«
Dilga legte ein paar Beeren in einen der Mörser und zerdrückte sie. Die rot leuchtenden Früchte hatten zwar keine Heilkraft, aber sie gaben gebratenem Wild eine angenehme Würze. Hinter ihm hängte Bela einige Kräuterbündel zum Trocknen an die Decke, dann setzte der Alte sich ihm gegenüber auf die Bank. Er sortierte weitere Kräuter aus, die er zu Büscheln zusammenband.
»Mich würde es freuen, wenn du den ganzen Winter bleibst«, meinte Bela beiläufig.
»Das werde ich, wenn ich euch nicht länger um den Schlaf bringe.«
Bela lachte leise, dann fragte er: »Wo wirst du hingehen, wenn du uns im Sommer verlässt?«
»Nach Askalon, denke ich. In Tyralon ging das Gerücht um, dass es einen Krieg mit Askalon gibt.«
»Das stimmt.« Bela seufzte. »Es ist wegen der Marodeure. Sie kommen aus Tyralon und überfallen die abgelegenen Höfe.« Das war keine neue Taktik um einem ungeliebten Nachbarn zu schaden. »Selbst wir kriegen das hier oben zu spüren«, fuhr der Alte fort. »Einige von denen, die durch die Marodeure alles verloren haben, werden selbst zu Räubern. Im letzten Winter haben solche eine andere Holzfällergruppe überfallen. Weiter den Berg runter.« Er deutete mit der Hand auf die Tür. »Unser Glück, dass wir so hoch in den Bergen leben.«
»Tut der König nichts dagegen?«
»Oh doch.« Bela unterbrach seine Arbeit kurz, um ihn anzusehen. »Camlach, der erste Heerführer unseres Königs, hat sich persönlich darum gekümmert. Er hat an den Männern ein Exempel statuiert.« Bei der Erinnerung daran, schüttelte Bela sich. »Vor dem musst du dich in Acht nehmen, wenn du wirklich nach Askalon gehst.«
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