Rainer Stoerring
Und ich gab ihm mein Versprechen
Jedes Leben hat seine Geschichte
3., unveränderte Auflage 2020
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3., unveränderte Auflage 2020
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Orber Str. 30, D-60386 Frankfurt/Main
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ISBN 978-3-8301-9596-2 EPUB
Vorwort Vorwort Der Tod ist der letzte Abschnitt eines jeden Lebens, den wir alle erfahren müssen. Der unerwartete Verlust eines Menschen ist schrecklich. Das klare Wissen einen Menschen zu verlieren und machtlos zu sein ebenso, doch anders. In Erinnerung an meinen Vater Adolf Stoerring und seinen letzten Weg.
Und ich gab ihm mein Versprechen
Nachwort
Der Tod ist der letzte Abschnitt eines jeden Lebens, den wir alle erfahren müssen.
Der unerwartete Verlust eines Menschen ist schrecklich. Das klare Wissen einen Menschen zu verlieren und machtlos zu sein ebenso, doch anders.
In Erinnerung an meinen Vater Adolf Stoerring und seinen letzten Weg.
Das Jahr neigte sich dem Ende. Der Herbst zeichnete die schönsten Farben. Ein Sommer der alles gehalten hatte, was der Frühling versprach, zog langsam weiter. Gestärkt aus den vergangenen Monaten erwartet die Natur den Winter. In seiner vollendeten Kraft wird er eine sanfte Decke über uns legen. Seine Stille beendet das Jahr.
Wie oft hat jeder von uns diese Zeiten schon erlebt. Immer wieder, Jahr ein Jahr aus, zeigt uns die Natur, ihren beständigen Rhythmus. Schon viele Millionen Jahre konnte sie nichts daran hindern wiederzukommen. Sie nährt uns, lässt uns erblühen. Sie wärmt uns, lässt uns in ihr verweilen. Doch ganz besonders, sie schenkt uns das Leben.
»Dein Vater macht mir Sorgen.«
»Wie meinst du das?«
»Er ist so komisch in letzter Zeit. Ganz anders, als ich ihn kenne.«
»Mutter, du siehst etwas, was nicht vorhanden ist. Mir ist nichts an ihm aufgefallen.«
»Wie sollte dir dies auch aufgefallen sein. Du bist das letzte Jahr nicht hier gewesen. Ich bin jeden Tag mit ihm zusammen. Irgendetwas stimmt nicht mit ihm. Willst du nicht mal mit ihm reden?«
»Was meinst du, was er mir sagen wird? Wenn er mit dir nicht darüber redet, wird er es mit mir ganz bestimmt nicht tun.«
Meine Mutter schaute mich an. Ihr Gesicht ließ nicht erkennen, was sie gerade dachte. Das einzige, was es zum Ausdruck brachte, waren Sorgen. Sorgen darüber, dass momentan etwas geschieht, was sie nicht einzuordnen weiß. Sieht sie sich hilflos gegenüber dem, was sie nicht kennt? Was sie nicht abzuschätzen weiß? Natürlich, denn genau in diesen Momenten bekommen wir als Mensch gezeigt, dass wir etwas vergessen haben. Etwas, was wir unser ganzes Leben schon hätten lernen können. Aufmerksamkeit. Das schwierige daran ist es, den richtigen Zeitpunkt zu finden. Jeden Tag werden wir mit Anforderungen konfrontiert. Die allermeisten leisten wir ohne darüber nachzudenken. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Eine Regelmäßigkeit ordnet den größten Teil unseres Lebens. Ab dem Moment, in dem wir das Licht der Welt erblicken, bekommen wir eine Rolle zugeteilt. Diese Rolle ist schon seit Jahrtausenden bestimmt. Bestimmt durch die Erfahrungen, die wir daraus gemacht haben. Geändert hat der Mensch daran nicht viel. Im Gegenteil, im Laufe unserer Evolution wurden wir immer und immer wieder darin bestätigt. Der Mann ist der Leitwolf. Die Frau ist seine Gefährtin. Richtig betrachtet ist sie nicht nur seine Gefährtin. Schon gar nicht eine. Sie ist nicht nur die, die das Leben des Mannes begleitet. Sich um sein Wohl kümmert. Seinen Kindern das Leben schenkt. Sein Haus organisiert und in Ordnung hält. Meist ihre eigenen Ansprüche hinter denen des Mannes anstellt. Sie ist viel mehr. Sie ist die Macht hinter dem Thron. Was wäre also der Mann als solcher, ohne die Frau an seiner Seite?
Mein Vater. Mein Erzeuger. Nicht nur das. Ein Vater ist nicht nur der Erzeuger eines anderen Menschen. Er ist das Leittier der Herde. Er sorgt dafür, dass die Familie auf dem richtigen Weg bleibt. Hält Unheil von ihr ab. Als Einzeljäger ist er für die Beschaffung von Nahrung zuständig. Er trifft Entscheidungen in der letzten Instanz. Seine grundsätzliche Aufgabe, er führt die Familie.
Meine Mutter. Die Frau, die mich viele Monate in sich getragen hat. Sie zeigte mir das Licht des Tages und der Nacht. Sie gebar mich. Gab mir meine Rolle, meinen Platz in der Menschheit. Sie schenkte mir das Leben. Nicht nur das. Sie sorgte immer dafür, dass das, wofür mein Vater sorgte, für die Familie zu nutzen war. Sie organisierte das innere Leben der Familie. Durch sie blieb die Familie auf dem Weg, den mein Vater für richtig hielt. Woher auch immer sie wusste, wie man das macht, ist mir bis heute ein Rätsel geblieben. Es zu lernen, war ihr nie vergönnt.
»Guten Morgen Vater. Alles klar? Du schaust in den letzten Tagen etwas betrübt. Machst du dir Gedanken über eine ganz bestimmte Sache?«
Mein Vater schaute mich an. Sein Blick zeigte den Versuch die Worte zu entziffern, die aus meinem Mund kamen. Eine Frage wie diese hatte ich noch nie an ihn gestellt.
»Was meinst du damit? Es ist doch alles so, wie es immer ist. Ich kann nicht klagen.«
»Die Mutter meinte, dass du dir über etwas Gedanken machst. Du seiest anders als sie dich kennt.«
»Deine Mutter. Hat sie sich je darum gekümmert, über was ich mir Gedanken mache? Sie soll nicht grübeln und alles so übertreiben. Mir geht es gut.«
»Ich kann mir schon vorstellen, dass ihr Veränderungen auffallen und sie darüber nachdenkt. Wenn du mir nicht sagen willst, was los ist, kann ich dich nicht zwingen. Allerdings wird nichts gelöst, indem man es für sich behält. Also, entweder du sprichst darüber oder eben nicht.«
Mein Vater nickte und beendete das Gespräch, wie immer mit einer Ausweichfrage. Ich musste mich zufrieden geben. In solchen Situationen war kein weiteres Gespräch über das eigentliche Thema möglich. Im Laufe der Jahre hatte ich gelernt, dass sich manches bei ihm erst setzen muss. Er braucht eine gewisse Zeit um sich intern damit auseinander setzen zu können. Nicht, dass er danach von sich aus darauf zurückkam. Durch eine ganz bestimmte Art zeigte er, nun bin ich bereit, sprechen wir weiter. Später, wir saßen gemeinsam am Tisch und aßen zu Mittag, schaute er zu meiner Mutter, dann zu mir. Meine Mutter bemerkte dies und ergriff das Wort.
»Du hast auch dem Rainer nichts gesagt. Was ist denn los mit dir? Glaubst du vielleicht ich merke nicht, dass du etwas hast? Du machst dir Gedanken und ich bin ja nicht blind. Mir fällt das doch auf. Außerdem ist mir auch aufgefallen, dass Blut in deiner Unterwäsche ist. Rede doch endlich mit uns.«
Mein Vater schaute uns an. Etwas verlegen aß er weiter. Der Blick meiner Mutter richtete sich nun auffordernd zu mir.
»Vater, jetzt sage schon, was los ist. Wenn du es uns nicht sagst, können wir es doch nicht wissen. Blut in deiner Unterwäsche. Wo kommt das her? Hast du Probleme beim Wasserlassen? Darüber hat mir die Mutter nichts gesagt. Sie macht sich Sorgen. Darüber haben wir gesprochen. Also, was ist los? Vielleicht bist du nicht der einzige Mann, der dieses Problem hat. Denke mal an Onkel Heinz. Früher oder später kann auch ich in die gleiche Situation kommen. Du hast Probleme beim Wasserlassen. Je eher wir das Problem in Angriff nehmen, umso besser wird die Sache laufen.«
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