Martin Johannes Christians - Überleben

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Was ist noch wichtig, wenn man den Untergang der Welt überlebt hat? Eine Dystopie aus einer neuen Perspektive.
Der dritte Weltkrieg hat die Zivilisation ausgelöscht und die Erde in eine gelbe Einöde verwandelt. Zunächst auf sich allein gestellt, kämpfen fünf Künstler um ihr Überleben; bedroht vom allgegenwärtigen Wassermangel und marodierenden Banden. Nacheinander fallen sie einer Gemeinschaft in die Hände, die mit despotischen Methoden eine neue Zivilisation errichten will.

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Martin J. Christians

Überleben

...nach der Zukunft

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Inhaltsverzeichnis

Einsame Wanderer

Schwierigkeiten

Schmerzen

Keine Ruhe

Kleiner und der Wrongojäger

Shanghait

Pläne

Pech, das Dorf und wieder Wrongos

Wut, Lil und Erkenntnisse

Rons Spiel und Rixels Alptraum

Maultiere, Toni und ein Überfall

Ein Tribunal und ein Knopf

Erwischt und Hausarrest

Alkohol, Zimmernachbarn und Rons Angebot

Fehltritt und riskante Manöver

Etappensieg für Ron

Komplikationen

Es wird eng

Flucht

Ein dunkler Weg

Am Ende des Weges

Einsame Wanderer

Gelb! Wie sie dieses Gelb hasste. Das war nicht der helle warme Ton der Sonne. Dieses Gelb war bleich, kraftlos und lebensfeindlich. Es stand für eine kranke Landschaft, in der es wenig anderes gab als Sand. Feiner gelber Sand, den der ständige warme Wind an vielen Stellen zu Dünen auftürmte.

Am Fuß einer dieser Dünen lag ihr Ziel. Eine Ansammlung mickriger, brauner Büsche. In all ihrer Erbärmlichkeit ein Farbtupfer in dieser falben Einöde. So schnell ihre wunden Füße und der Beutel, den sie an einem Seil hinter sich herzog, es erlaubten, taumelte sie darauf zu. Dass sie dabei eine deutlich sichtbare Schleifspur im Sand hinterließ, war ihr im Augenblick egal. Und auch was diese Art des Transportes mit den wenigen Bildern machte, die ihr geblieben waren.

Pflanzen bedeuteten Wasser und Kamherra drohte zu verdursten. Ihre Kehle und die Zunge waren schon ganz geschwollen. Ohne auf die feinen Stacheln der verkrüppelten dünnen Äste zu achten, brach sie durch den kleinen Hain und stand unvermittelt vor einem Tümpel. Er war erstaunlich klar. Sie konnte bis auf den Grund sehen. Kamherra ließ das Seil fallen und sank auf die Knie. Ihre blasse Hand berührte das Wasser. Verglichen mit der Umgebung war es kühl.

Vorsichtig schöpfte sie ein wenig von dem Nass in die Handfläche. Fast andächtig tunkte sie ihre trockene Zunge hinein, schluckte etwas davon hinunter und spürte dem Geschmack nach. Wie hatte Wasser zu schmecken? Sie erinnerte sich nicht daran. Alles was sie in der letzten Zeit getrunken hatte, stammte aus Plastikflaschen und Behelfsbrunnen aus umfunktionierten Gummireifen.

Dagegen schmeckte das hier geradezu köstlich. Sie beugte sich hinunter und schöpfte sich die Flüssigkeit mit beiden Händen in den Mund.

Abrupt hielt sie inne. Aus dem Wasser blickte ihr ein Zombie entgegen. Kleine, gerötete Augen mit tiefen schwarzen Schatten darunter. Und dieses Haar! Zerzottelt. Vollkommen verfilzt! Der Mund des Zombies im Wasser verzog sich. Krächzende Laute lösten sich von ihren Lippen. Kamherra brauchte selbst einen Moment, ehe sie ihre Laute als Lachen identifizierte.

*

Sie dachte an ihre Schuhe. Nach jeder Ausstellungseröffnung hatte sie sich mit einem neuen Paar belohnt, bis es schließlich ein ganzer Wandschrank voll gewesen war.

Und nun war alles futsch. Traurig sah sie sich um. Wirklich alles! Um sie herum gab es nichts als Sand und eine unbarmherzige Sonne, die auf die Erde herunterbrannte, als wollte sie die Menschen für das bestrafen, was sie getan hatten.

Langsam trottete Siw weiter. Schweiß lief ihr den Rücken hinunter und ließ sie das Scheuern des Tragriemens mit jedem Schritt deutlicher spüren. Der Riemen gehörte zu einem Beutel, der ihr rhythmisch gegen die Hüfte schlug und in dem sich ihr ganzer Besitz befand. Ein sorgsam gehüteter USB-Stick mit ihren Arbeiten, digital bearbeitete Fotografien und zwei leere Wasserflaschen. Sonst hatte sie nur noch ihre Kleidung. Ein Paar enge Shorts und ein Tank Top. Kaum das Richtige für die Wüste. Besser passte da schon der klobige Revolver, den sie am Gürtel trug.

Mit der Zunge fuhr sie sich über ihre spröden Lippen, ohne sie zu benetzen. Dazu war ihr Mund längst zu trocken; es war nicht mehr als eine Reflexhandlung und auch damit würde es bald vorbei sein, wenn sie nicht schnell Wasser fand.

Einen Augenblick dachte sie an den Ort zurück, den sie verlassen hatte. Rückblickend erschienen ihr die düsteren Straßen, mit den Ruinen und den rostenden Stahlgerüsten fast wie ein Paradies. Das Wasser dort war brackig, rotbraun und lauwarm gewesen, aber wenigsten hatte man es trinken können.

Sie drehte sich einmal im Kreis und versuchte sich für eine Richtung zu entscheiden. Das war schwierig, wenn alles gleich aussah. Eine Düne, die hoch aus dem Sandmeer aufragte, sah vielversprechend aus. Wenn sie dort hinaufkletterte, konnte sie mehr von der Umgebung sehen. Vielleicht gab es ja doch irgendwo eine Ansiedlung, eine Hütte oder wenigstens Wasser.

Entschlossen nahm Siw den Sandhügel in Angriff. Es war schlimmer als sie gedacht hatte. Der feine Sand rutschte ihr entgegen, sammelte sich in ihren Boots und rieb wie eine Feile an der strapazierten Haut ihrer Füße. Trotzdem kämpfte sie sich voran. Hoffentlich lohnte sich die Schinderei wenigstens.

Ein trockenes Krächzen gellte unvermittelt von der anderen Seite herauf. Siw erstarrte. Ihr Herz wummerte wie ein zu schneller Bass. Das Krächzen war eindeutig menschlich und es stammte von einer Frau. Es dauerte einen Moment, bis Siw es als Lachen erkannte.

Ihre Hand suchte den Schaft des Revolvers. Unglaublich, wie schnell sie sich an die Waffe gewöhnt hatte. Fest packte sie den Griff und ging geduckt weiter. Sie hatte den Kamm der Düne fast erreicht und war nicht gewillt so nah am Ziel aufzugeben.

Das Lachen verstummte genauso plötzlich, wie es angefangen hatte. Sie zögerte einen Moment. Hatte die Frau auf der anderen Seite sie gehört? Unwahrscheinlich! Außer dem rieselnden Sand gab es kein Geräusch. Auf Händen und Knien kroch sie den letzten Meter und sah hinunter.

Die Frau wandte ihr den Rücken zu und sie kniete an einem Tümpel. Wasser, mit einer spiegelnden Oberfläche, auf der die Sonne gleißende Reflexe verursachte. Mechanisch entsicherte Siw ihre Waffe.

Die Fremde bewegte sich plötzlich. Hatte sie das leise Spannen des Hahns gehört? Siw duckte sich wieder hinter den Dünenkamm und beobachtete, wie die Frau an einem Seil zog, an dem ein Beutel hing.

Siws Anspannung stieg. Sie spürte wie ihre Hand, mit der sie den Revolver hielt, feucht wurde. Jetzt kramte die Fremde in dem Beutel und zog etwas heraus. In einem ersten Reflex hob Siw ihre Waffe, ließ sie aber gleich wieder sinken. Zu viele schlechte Filme, schalt sie sich. Auf diese Entfernung war ein Treffer reine Glücksache. Sie ärgerte sich noch immer darüber, wie viel Munition sie verschwendet hatte, ehe sie das begriffen hatte.

Sie schwang sich auf die andere Seite der Düne und setzte sich auf den Hintern, bereit herunterzurutschen. Da unten gab es Wasser. Genug, um ihre beiden Flaschen aufzufüllen und sich sogar etwas zu waschen. Dafür lohnte sich das Risiko.

Die Frau zog einen Gegenstand aus ihrem Beutel und beugte sich über den Tümpel. Sie hob das Ding an ihren Kopf. Wollte sie sich umbringen? Widerstreitende Gefühle spülten wie eine Welle zu heißen Wassers über Siw. Endlich ein anderer Mensch und vielleicht gleich tot. Aber dieses irre Lachen! Vielleicht war ihr Geist ohnehin schon verloren. Ihr stockte der Atem. Die Fremde bürstete sich ihre langen schwarzen Haare.

*

Er fühlte wie die Tränen kamen und kämpfte verzweifelt darum sie zurückzuhalten. Diesen letzten Triumph gönnte er der grölenden Menge nicht. 'Mutant!', schrien sie und ihre Hände packten und rissen an seinen Armen, während sie ihn vorwärts durch die Straßen trieben.

Rixel stolperte, konnte sich aber fangen, ehe er auf den rissigen Asphalt stürzte. Nur nicht hinfallen! Andernfalls würden sie ihn tottreten, das hatte er schon einmal mit ansehen müssen. In einer anderen Stadt, wenn man diese Ansammlung von Ruinen und windschiefen Hütten überhaupt so nennen konnte.

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