»Wieso suchst du dir nicht eine anständige Arbeit?«, bohrte Barton weiter.
Dilga zuckte mit den Achseln und setzte seine Arbeit fort. Eine Weile sah Barton ihm schweigend zu, während Dilga die letzten Handgriffe erledigte. Das Ergebnis war nicht schlecht.
»Sei in Askalon vorsichtig, Dilga«, setzte Barton das Gespräch fort.
Etwas in Bartons Stimme sagte ihm, dass er nicht den Krieg meinte. »Camlach?«, erinnerte er sich an Belas Warnung.
Barton nickte. »Er und sein…, ich weiß nicht, wie man das nennt. Dundras, der Mann, der sein Gefolge anführt.«
Von Dundras hatte er schon gehört. Sein Name war unter Kriegern eine Legende. Eigentlich brannte Dilga darauf, gerade ihn kennen zu lernen. »Was ist mit ihm?«
»Ich weiß nicht!« In einer hilflosen Geste zuckte Barton die Schultern. »Ich sollte das vermutlich nicht sagen. Dundras dient seinem Herrn gut und Camlach…« Er seufzte, als bereute er, das Thema angefangen zu haben. »Niemand wagt es offen gegen unseren Herrn zu rebellieren wegen Camlach.«
Dann ist er ein ausgezeichneter Heerführer, dachte Dilga. Laut sagte er: »Was hat das mit Dundras zu tun?«
»Ich hab ihn gesehen. Einmal! Das war kurz bevor ich aus unserem Dorf fort bin.« Es war unschwer zu sehen, dass Dundras ihn bis ins Mark erschreckt hatte.
Barton kam nicht dazu seine Geschichte zu beenden. Mehrere Männer rannten eilig den Weg zur Hütte hinauf. Sägg, der draußen am Ofen baute, rief sie überrascht an. Mort, Bela und Arndt redeten aufgeregt durcheinander. So früh hätten sie noch nicht zurück sein sollen. Dilga legte die neu gefertigte Schwertscheide zur Seite und stand auf. Mort riss die Tür auf.
»Es gibt Ärger!«, keuchte er. »Fremde kommen den Berg rauf!«
»Wie viele?« Dilga ging zu seinem Bett herüber und nahm das Kettenhemd von der Kiste, die ihm als Ablage diente.
»Acht hab ich gezählt.«
Mort hatte Angst, das reichte Dilga um das Kettenhemd überzustreifen. Mit dem Schwert in der Hand blieb er neben der Tür stehen. Arndt, Bela und Sägg standen im Halbkreis draußen, den Rücken zur Tür, und starrten angespannt den Weg hinunter. Abwehrbereit hielten sie ihre Äxte in den Händen.
»Geh raus und frag sie, was sie wollen. Ich halte mich erst einmal außer Sicht.«
Mort sah auf das Schwert herab und nickte. Auch er zog seine Axt aus dem Gürtel, ehe er wieder nach draußen trat. Barton folgte ihm. Dilga vergewisserte sich, dass das Jagdmesser an seinem Platz im Gürtel steckte und bezog am Fenster Position.
Es dauerte nicht lange, bis die Fremden in Sicht kamen. Acht Männer, die sich mit der nervösen Aggressivität geprügelter Hunde bewegten. Sie waren mager, abgerissen und aus ihren Augen sprach Gier. Mort hatte sie richtig eingeschätzt. Diese Männer hatten mit ihrem alten Leben abgeschlossen. Dilga fasste das Schwert fester und beobachtete, wie Mort ihnen einen Schritt entgegenging. Die anderen Vier bauten sich hinter ihm auf. Dabei achteten sie darauf, ihm nicht die Sicht zu verstellen und den Weg zur Tür frei zu lassen, stellte er anerkennend fest.
Wenige Schritte vor Mort blieben die Fremden stehen. Sie trugen breite Messer mit gebogenen Klingen in ihren Gürteln. Einer löste sich aus der Reihe und stellte sich so dicht vor Mort, dass sein Bauch fast den Kopf der Axt berührte, die der Holzfäller schützend vor sich hielt.
»Wir brauchen etwas zu essen«, forderte er mit heiserer Stimme, die verriet, dass er reichlich dem Alkohol zusprach.
»Wir haben nichts zu verschenken!« Mort wich keinen Zentimeter zurück. Die beiden Männer lieferte sich ein Duell mit den Augen, das Mort gewann.
Der Fremde senkte kurz den Blick, dann trat er ein wenig zurück und schwenkte die Hand in Richtung seiner Kumpane. »Kannst du zählen?«, fragte er gehässig. Seine Männer lachten rau.
Dilga stellten sich die Haare an den Armen auf. Mort hatte gut daran getan zur Hütte zurückzukommen. Diese Männer hatten ihren Platz in der menschlichen Gemeinschaft aufgegeben. Sie waren auf Mord aus und würden selbst dann töten, wenn man ihre Forderungen erfüllte. Auch Mort erfasste das instinktiv und zog sich in den schützenden Halbkreis seiner Leute zurück.
»Was ist?«, giftete der Fremde feindselig. »Ist dir dein großes Maul abhanden gekommen?«
»Vielleicht möchte er ja seinen Herrn zu Hilfe rufen«, kicherte einer seiner Spießgesellen boshaft.
Dilga wartete nicht länger. Mit dem Schwert in der Hand trat er aus dem Haus. Die Spitze zeigte zu Boden. »Vielleicht hat er das schon!«, sagte er durchdringend leise.
Die Augen der Fremden richteten sich auf ihn. Leere Augen! Die einzige Regung, zu der sie noch fähig waren, war Gier. Ruhig schritt er an den Holzfällern vorbei. Dicht vor dem Fremden blieb er stehen. Deren Anführer musterte ihn abschätzend, blickte dann auf das Schwert hinunter und grinste. Dilga stand ihm viel zu nah, um sein Schwert gegen ihn zu schwingen.
Ohne Vorwarnung zog Dilga sein Jagdmesser und rammte es dem Mann in den Bauch. Warmes Blut lief ihm über die Hand. Seine Bewegung war so schnell gewesen, dass noch niemand begriffen hatte, was gerade geschehen war.
Nicht einmal der Fremde selbst. Überrascht starrte der Mann ihn an, dann wanderten seine Augen hinunter zu der Klinge, die bis zum Schaft in seinem Bauch steckte. Ein gurgelnder Laut entwich seiner Kehle. Die Hände fuhren fahrig hoch und versuchten Dilgas Hand mit der Klinge fortzustoßen.
Die Wunde war tödlich, das wusste Dilga. Trotzdem drehte er das Messer, ehe er es mit einem brutalen Ruck herauszog. Eingeweide quollen hinterher. Der Mann schrie. Bestürzt starrten die Fremden auf ihren Anführer hinunter, der sich auf dem Boden rollte.
Es gab kein Zögern. Sein Schwert traf den ungeschützten Hals des nächsten Mannes. Die Klinge fand kaum Widerstand. Kopf und Körper fielen in verschiedene Richtungen zu Boden.
Für Dilga verlangsamte sich die Zeit. Die umgebenden Geräusche verblassten. Es gab nur noch ihn und die verbleibenden sechs Männer. Und den Geruch von Blut! Süß und metallisch, mit dem eigenen Tod drohend, wenn man nicht gut genug war. Aber er war gut! Dank Delias unerbittlichem Training.
Das Schwert beschrieb einen Bogen und der nächste Schlag traf einen Mann quer vor der Brust. Entfernt hörte er das Geräusch brechender Knochen. Er folgte dem Schwung der Klinge, überließ sich der Drehung und stieß dem vierten Fremden das Jagdmesser in den Hals. Eine Fontäne aus Blut sprudelte über seinen Arm. Er spürte warme Spritzer auf seiner Wange. Die Erstarrung der überlebenden Fremden löste sich. Sie schrien und wichen zurück. Die Augen weit aufgerissen, starrten sie ihn an wie einen Dämon.
Auch in Mort und seine Leute kam Bewegung. Mit gezückten Äxten rückten sie gegen ihre Gegner vor. Aus den Augenwinkeln sah er, wie Sägg dem Mann, dem er die Rippen gebrochen hatte, den Gnadenstoß gab. Schwer atmend blieb Dilga stehen und bemühte sich seine Emotionen wieder unter Kontrolle zu bekommen. Einer der Fliehenden stolperte. Belas Axt fuhr ihm in den Schädel. Die anderen Drei entkamen. Aber das spielte keine Rolle. Sie würden nicht zurückkommen. Die Holzfäller sparten sich eine weitere Verfolgung. Sie kamen zu ihm zurück. Scheu blieben sie in sicherer Entfernung stehen.
Er begegnete ihren Blicken und sah den Schock darin. Sie waren dankbar, dass er sie gerettet hatte, aber sie hatten auch wieder Angst. Zum ersten Mal hatten sie ihn kämpfen sehen und begriffen, dass seine Fähigkeit mit dem Schwert weit über die eines normalen Söldners hinausging. »Ich habe es versprochen, Mort!«, sagte er ruhig und so sanft wie möglich. »Ich werde nicht zulassen, dass man euch etwas antut.«
*
Dilga saß am Kamin und starrte ins Feuer. Bela war mit Arndt und Barton draußen und zersägte einen der dicken Baumstämme, weil der Vogt sein Kommen in den nächsten Tagen angekündigt hatte. Im Dorf brauchte man weiteres Feuerholz. Wohin Mort und Sägg gegangen waren, wusste er nicht. Sie waren irgendwann weg gewesen und er hatte niemanden nach ihnen gefragt. Für den Moment war er froh allein zu sein.
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