1 ...7 8 9 11 12 13 ...33 Die Dosensuppe war rasch fertig. Sie servierte sie Harald auf der Veranda. Er hielt es für überflüssig, sie mit einem Wort des Dankes zu bedenken, sondern blätterte nach wie vor in den von ihr mitgebrachten Unterlagen, ohne sie überhaupt zu beachten.
Nach etwa einer Dreiviertelstunde gesellte sich Monika mit einem Teller Pellkartoffeln und zwei Heringshälften zu ihm und setzte sich in den anderen Liegestuhl.
„Wenn Sie wollen, es sind noch Kartoffeln und Heringe da.“
Er sah auf ihren Teller und wunderte sich, dass sie dieses einfache Mahl zuzubereiten in der Lage war. Seine Exfrau wäre jedenfalls nicht dazu befähigt gewesen.
„Vielleicht später“, knurrte er und beobachtete, wie ihr Messer eine Kartoffel in zwei Teile spaltete. Sie hatte es doch tatsächlich fertig gekriegt, die Kartoffeln genau zur richtigen Zeit aus dem kochenden Wasser zu holen, stellte er anhand der Konsistenz des Kartoffelmarks fest. Und dass man die mit Mayonaise essen kann, wusste sie auch. Sie hatte sogar fein gehackte Petersilie in den Klecks Mayonaise auf ihrem Teller gestreut. Ihm lief dann doch das Wasser im Mund zusammen.
„Wissen Sie was, ich gehe mir doch ein paar Kartoffeln und Heringe holen“, sagte er.
„Lassen Sie nur. Das mache ich schon“, entgegnete sie.
Unglaublich, dieses Mädchen, dachte er. Eine Frau, die ihn bedient, ohne dafür bezahlt zu werden oder dazu aufgefordert worden zu sein.
Er war sehr zufrieden mit dem, was er nun gegessen hatte, schob seinen Teller zur Seite und widmete sich wieder der Wagnerakte. Monika räumte den Tisch ab, trug Geschirr und Besteck in die Küche und begann sofort mit dem Abwasch.
Auch das war für Harald eine Erfahrung, die er seit seiner Zeit als zuhause wohnender Jugendlicher und außerhalb von Restaurants nicht mehr hatte machen dürfen. Als sie wieder auf die Terrasse kam und sich erneut in ihren Liegestuhl niederließ, rang er sich dann doch einige Worte des Lobes ab.
„Ich nehme meine voreiligen Bemerkungen zu Ihren Kochkünsten zurück. Jedenfalls hat es mir gemundet.“ Er wandte sich wieder den Dokumenten zu.
„Freut mich“, sagte sie leise. „Aber Sie haben mir noch nicht gesagt, wo ich heute Nacht untergebracht werde.“
Er sah sie nachdenklich an. Die Bäuerin hatte sich immer noch nicht bei ihm gemeldet. Also nahm er sein Handy und rief sie an. Das Ergebnis fiel aus seiner Sicht negativ aus. Er sah sich gezwungen, ihr Angebot einer zusätzlichen Matratze samt Bettwäsche anzunehmen, und wandte sich alsdann wieder seiner Assistentin zu.
„So leid es mir tut, Frau Mink, werden Sie wohl hier in meiner Hütte übernachten müssen. Weit und breit ist kein Zimmer zu bekommen. Ich überlasse Ihnen mein Bett und werde auf einer Matratze auf dem Boden schlafen.“
„Das kann ich nicht zulassen“, erwiderte sie. „Das Bett ist doch breit genug für uns beide, ohne dass wir uns dabei in die Quere kommen müssen.“
„Ich mit Ihnen in einem Bett, Frau Mink?! Nein, das geht nun wirklich nicht! Es ist sogar schon suspekt, wenn wir beide im selben Raum nächtigen.“
„Dann schlafe ich eben auf dem Boden“, schlug Monika vor. „Es ist Ihre Wohnung, Ihr Bett und Ihr Urlaub.“
„Das kann nun wiederum ich nicht zulassen. Sie sind eine Frau. Ich als Mann bin da mehr gewohnt. Bitte keine Widerrede.“
Monika trug ihr Gepäck vom Auto ins Haus und verstaute ihre Sachen in einen der freien Abteile des raumhohen Kleiderschranks. Als sie wieder auf die Veranda hinaustrat, lag die Akte auf dem Tisch, und Steiner schien einen Mittagsschlaf angefangen zu haben. Sie wunderte sich ein wenig über seine inerte Haltung, denn immerhin hatte er, wie sie von Strasser erfahren hatte, selber darum gebeten, in den Fall Wagner involviert zu werden.
Also entschied sie, sich auch ein wenig in die Sonne zu legen, wofür sie sich erst einmal umziehen wollte, immerhin trug sie immer noch die Klamotten, die sie am Morgen angezogen hatte, bevor sie zur Arbeit gefahren war. Und als sie dann erfahren hatte, für eine unbestimmte Zeit nach Luxemburg beordert zu werden, hatte sie nur schnell bei sich zuhause Kleider für mehrere Tage eingepackt, darunter auch viele Freizeitsachen, die sie im Präsidium bestimmt nie tragen würde.
Um 16 Uhr schickte sie sich an, Kaffee und belegte Brötchen zu machen. Harald schlief immer noch, als sie wieder mit allem draußen erschien, und sie weckte ihn mit sanfter Stimme.
„Chef, ich habe Kaffee gemacht. Sie wollen doch sicher welchen.“
Steiner öffnete die Augen und benahm sich wie jemand, der im ersten Moment nicht wusste, wo er war. Dann sah er zu ihr auf und runzelte die Stirn. Er hatte die Mink noch nie in so leichten Klamotten gesehen. Sie trug weiße Hotpants und ein ärmelloses rotes Top. Unverkennbar trug sie unter dem Top keinen BH, und ein einigermaßen gediegener Slip wäre irgendwie bei der bescheidenen Größe der Hotpants zum Vorschein gekommen.
Steiner verkniff sich eine Bemerkung und entgegnete: „Ja, Kaffee wäre mir schon genehm.“
Er brachte seinen Liegestuhl in Sitzposition und staunte über die belegten Brötchenhälften, die sehr fachgerecht mit fein geschnittenen Gurken, Tomaten und Zwiebeln garniert waren.
Während sie tranken und aßen, begann Monika erste zaghafte Fragen zum neuen Fall zu stellen. „Leider hat man mich mit dem Vorgang noch nicht vertraut gemacht.“
Steiner kaute gerade an einer Brötchenhälfte und überlegte dabei, inwiefern er der Mink etwas preisgeben wollte. Sie ahnte, wieso er seine Antwort hinauszögerte. Im Kommissariat in Köln hielt er sich ihr gegenüber auch immer mit Informationen bedeckt, wenn es sich einrichten ließ. Aber zu ihrer Überraschung entschied er sich diesmal für einen umfassenden Bericht der bisherigen Geschehnisse, weil er sich dessen bewusst wurde, nur sie hier als Stütze zu haben, wenn es mal etwas kniffliger werden sollte.
Nach etwa einer Dreiviertelstunde der Explikationen über den Todesfall Wagner fragte er: „Haben Sie denn wenigstens schon die Akte, die Sie mitgebracht haben, eingesehen?“
„Nein, dazu hatte mir die Zeit nicht gereicht. Als man sie mir in die Hand drückte, hieß es, ich solle meine Sachen packen und mich umgehend auf den Weg zu Ihnen machen.“
„Dann werde ich Sie jetzt wohl auch darin einweihen müssen.“ Und er begann zu erzählen, was er auch erst vor einigen Stunden aus der Kölner Wagnerakte gewahr geworden war.
Seit drei Jahren war das Drogendezernat Siggi Jasper wegen Rauschgifthandels auf der Spur. Das heißt, man wusste, dass einige seiner Leute regelmäßig Geldtransaktionen in Kölner Lokalen mit Dealern abwickelten, wobei aber niemals direkt Drogen über den Tisch gingen.
Ganz nebenher war den Beobachtern dabei auch immer wieder ein Mann aufgefallen, der just immer dann in solchen Lokalen verkehrte, wenn diese Geldtransfers stattfanden. Dieser Mann schien diese Leute selber zu observieren. Seine Identität wurde als die von Alfons Wagner aus Augsburg ermittelt.
Man stellte Untersuchungen über Wagner an und konstatierte, dass die Aktivitäten seines Bauunternehmens seit Jahren rückläufig waren, Wagner selber aber seinen Lebensstil unvermindert beibehielt. Außerdem unternahm er sehr viele Auslandsreisen.
Es war also durchaus denkbar, dass Wagner die Drogentransporte durchführte. So wurde er selber auch zum Objekt polizeilicher Observationen. Aber es war nur festzustellen, dass er immer nur nach Köln kam, wenn diese Geldtransfers stattfanden, nie aber mit den Leuten, die daran beteiligt waren, in Kontakt trat.
Mehrmals hielt man an solchen Tagen Wagner bei Verkehrskontrollen in der Hoffnung an, Drogen bei ihm zu finden. Aber alle Vorstöße dieser Art blieben ergebnislos. Weder führte Wagner jemals Unmengen an Geld mit sich, noch irgendwelche Drogen. Nach einiger Zeit verloren die Leute vom Rauschgiftdezernat das Interesse an ihm.
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