Ambrose grinste und in seinen Augen funkelte es böse. »So wie die Sache steht, werde ich ein paar Jährchen hierbleiben müssen, Freunde! Glaubt ihr, ich hätte Lust laufend eure blöden Fressen zu sehen, wenn hier nicht von Anfang an klare Verhältnisse herrschen?« Er legte eine gewichtige Pause ein, ehe er seine Frage erneut stellte: »Habt ihr nun Pokerkarten oder nicht?«
»Wir haben welche«, antwortete Bunsh. »Wenn du keine Ersparnisse mitgebracht hast, kannst du die Bank übernehmen.«
Ambrose griff in seine Hosentasche, holte Tabak heraus und drehte sich seelenruhig eine Zigarette, während er Bunsh musterte. »Du gefällst mir. Siehst nicht ganz so vertrottelt aus wie diese Armleuchter!« Dabei wies er auf die beiden, die sich gerade brummend wieder erhoben.
»Ich heiße Bunsh, aber hier nennen mich alle Doc. Wir werden aber nicht mehr viel miteinander zu tun haben … Ich verlasse diesen gastlichen Ort morgen.«
»Warst du lange hier?«
»Drei Jahre.«
»Das ist nicht gerade viel«, meinte Ambrose.
»Glaub mir, die reichen!«
»Was hast du denn ausgefressen?« Neugierig blickte er Bunsh an.
»Beteiligung an einem Bankraub. Ich will ja nicht gerade behaupten, dass ich ein Unschuldslamm wäre, aber das Beweismaterial war geradezu lächerlich. Aber am Ende haben mich die Geschworenen verurteilt. Waren sogar vier Weiber darunter …«
»Na, die werden von ihrem Standpunkt aus schon recht gehabt haben, oder etwa nicht?«
Bunsh musterte ihn mit hochgezogenen Brauen. »Du bist schon ein komischer Vogel.«
»Wenn du damit meinst, dass ich nicht so primitiv wie die meisten aus der Branche bin, hast du sicher recht damit.«
»Deshalb bist du ja hier bei uns gelandet, wie?«, bemerkte Bunsh trocken.
»Mich hat ein Mädchen verpfiffen, klar?«, gab er bissig zurück. »Ansonsten würden die beim Yard noch heute darüber grübeln, wer mit der Viertelmillion › Versteck Dich ‹ spielt!«
»Und wo ist die Kohle jetzt?«
Ambrose antwortete nicht direkt. »Die habe ich ausgeliefert«, lächelte er dann. »Was soll ich auch schon damit anfangen, solange ich einsitze? Wenn ich wieder draußen bin, besorge ich mir Nachschub … Ist ja kein Problem, und dadurch, dass ich die Kröten abgeliefert habe … Im Ergebnis sind es so zwei Jahre weniger geworden.«
»Dennoch haben sie dir immer noch beachtliche acht Jahre aufs Auge gedrückt«, erwiderte Bunsh, der sich jetzt ebenfalls eine Zigarette zwischen den Fingern rollte. »Da kannst du also eine lange Zeit warten.«
»Ich weiß …«
Er kam nicht weiter, denn einer in der Nähe stehenden Männer zischte ihnen ein › Achtung! ‹ zu, worauf sich die Gruppe sofort auflöste.
Gleich darauf kam auch schon Lester angetrabt. »Bunsh!«, knurrte er. »Mitkommen!«
Ohne etwas darauf zu Erwidern, drehte Bunsh sich um und hielt sich nun immer einen Schritt vor dem Vollzugsbeamten, wobei er den jederzeit schlagbereiten Knüppel Lesters in seinem Rücken spürte. Die ganze widerliche Zuchthausatmosphäre wirkte auf ihn, und er hoffte, sie zum letzten Mal zu erleben.
*
»Du hast Besuch«, klärte Lester ihn auf, als sie am Ende des Korridors angekommen waren und eine Schleusentür durchschritten. »Dein Anwalt«, fügte er hinzu und führte Bunsh in den dafür vorgesehenen Besucherraum.
Am Tisch hatte sich ein junger Mann in pikfeinem dunkelgrauem Anzug niedergelassen. Ein Mann, den Bunsh nur zu gut kannte: Es war der Rechtsanwalt, der vor drei Jahren seine Verteidigung übernommen hatte. Er hieß Foy DeLacy. Damals war Bunsh davon ausgegangen, er habe seinen Fall nur übernommen, um sich damit einen Namen zu machen. Misstrauisch zog er den Stuhl heran und setzte sich ihm gegenüber an den Tisch.
»Ich bin erfreut Sie zu sehen, Mr. Bunsh«, begrüßte ihn DeLacy und kam direkt auf den Punkt seines Besuches: »Ihre Entlassung steht an, und ich bin gekommen, um zu sehen, ob ich im Anschluss etwas für Sie tun kann. Sie wissen ja, dass ich damals von Ihrer Schuld nicht überzeugt war. Daran hat sich auch heute nichts geändert.«
Wenngleich Bunsh es nicht sehen konnte, so spürte er dennoch, wie sich in seinem Rücken ein breites Grinsen über Lesters Gesicht ausbreitete. »Wüsste nicht, was Sie für mich tun könnten«, brummte er.
»Wirklich nicht?« DeLacy musterte ihn forschend. »Sie sollten sich das gut überlegen. Ich habe gute Beziehungen. Außerdem habe ich Ihnen einige Unterlagen mitgebracht: Adressen von Leuten, die Ihnen weiterhelfen können.« Er nahm seine Aktentasche, kramte darin herum und schaute verwirrt auf. »Ich muss die Mappe irgendwo liegengelassen haben.« Sein Blick fiel auf den Aufseher. »Officer?!«
»Ja, Sir?«
»Ich war zuvor in der Verwaltung. Könnten Sie dort bitte einmal anrufen und nachfragen, ob ich da einen Schnellhefter habe liegen lassen?«
Lester kratzte sich am Kopf und nickte daraufhin. »Ich glaube, dass lässt sich machen, Sir!« Er schritt zum Wandtelefon rechts von der Zimmertür und drückte die Taste, die automatisch eine Verbindung mit der Zentrale herstellte. Einen Augenblick wandte er den beiden dabei den Rücken zu.
Blitzschnell beugte sich Foy DeLacy vor. » Glenconner schickt mich«, flüsterte er dem Tresorknacker zu. »Sie sollen mit einem Neueingelieferten Kontakt aufnehmen. Sein Name ist Glasgow-Ambrose. Der Bursche ist ein echter Experte auf seinem Gebiet. Fragen Sie ihn, ob er bereit ist für Glenconner zu arbeiten. Sagt er zu, wird man ihn hier schnellstens herausholen.«
»Okay!« Bunsh starrte sein Gegenüber verblüfft an und nickte. »Wird gemacht!«
Lester wandte sich wieder um, offenbar hatte er nichts bemerkt. »In der Zentrale hat man keine Akte gefunden, Sir.«
»Das ist Pech!« Der Anwalt erhob sich und lächelte Bunsh freundlich zu. »Sie sollten sich meinen Vorschlag überlegen. Vielleicht rufen Sie mich morgen an, wenn Sie entlassen wurden.«
Bunsh spürte, wie sein Puls schneller schlug, beherrschte sich aber und spielte seine Rolle weiter. »Ich werde an Sie denken, Mr. DeLacy. Aber wenn Sie mir eine Arbeitsstelle anbieten wollen … Die Absage können Sie schon jetzt von mir bekommen!«
»Melden Sie sich einfach, wenn Ihnen danach ist«, lächelte der Anwalt. »Ich werde keinen Druck auf Sie ausüben.«
»Na, dann wäre ja wohl alles geklärt, Bunsh«, knurrte Lester, der seinen Knüppel mal wieder lässig durch die Luft wirbeln ließ.

5
Bei dem kleinen Doppeldecker mit dem Sperrholzrumpf, den man auf die untere Tragfläche aufgesetzt hatte, handelte es sich um eine nagelneue › de Havilland ‹ vom Typ › 60G Gipsy Moth ‹. Der Zweisitzer war das Nachfolgemodell der › Humming Bird ‹, die als untermotorisiert galt. Ihre Tragflächen bestanden aus einer Holzkonstruktion mit Stoffbespannung. Die › Gipsy Moth ‹ war wegen ihres niedrigen Kaufpreises und ihrer ausgesprochenen › Gutmütigkeit ‹ bei Privatpersonen sehr beliebt. Sie beherrschte zurzeit fünfundachtzig Prozent des zivilen Flugzeugmarktes im Empire, was sich in einer Auslieferungsrate von mehr als drei Maschinen pro Tag zeigte.
Diese kleine blaugrau angestrichene Maschine mit der Nummer › VH-UAQ ‹ setzte nach einem fast dreistündigen Direktflug vom › Croydon Aerodrome ‹ im Süden Londons, auf dem Flugplatz des › Scottish Aero Club ‹ auf – etwas über vier Meilen von Perth gelegen.
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