Dann gab ich mir einen Ruck und betrat den Hof. Überall konnte man die Überreste der alten Geschäftigkeit sehen, die einst hier geherrscht hatte und welche Mr. Wrights Sohn nun zurück nach Chearfield bringen sollte. Ich war zugegebenermaßen neugierig, wie Samuel nun aussah. In langsamen Schritten überquerte ich den Hof und öffnete die Tür, hinter der sich die Treppe nach oben verbarg.
Vorsichtig stieg ich die ausgetretenen Stufen hinauf, damit ich nicht stolperte. Aus der Küche drangen Geräusche zu mir herab, der verlorene Sohn schien sich also bereits häuslich einzurichten. Ich räusperte mich laut, damit er sich nicht erschrak, wenn ich plötzlich im Zimmer stand.
In der nächsten Sekunde blieb ich wie angewurzelt stehen. Der neue Bewohner war in der Tat dabei, sich ähm ... einzurichten. Nackt, wie Gott ihn schuf, stand Samuel Wright neben dem Küchentisch und hielt sein ... Ding ... fest mit der Hand umschlossen. Doch er war mitnichten bewegungslos, denn die Handbewegung, die er vollführte, war eindeutig.
Entsetzt hielt ich die Luft an und bekreuzigte mich hastig. Leider führte das dazu, dass meine Hand, die nicht nur das schwere Blech, sondern auch meine Tasche hielt, ihre Kraft endgültig verließ. Diese fiel polternd zu Boden und Samuel fuhr zu mir herum. Sein Blick traf den meinen, er keuchte auf. Aber nicht, wie ich für den Bruchteil einer Sekunde glaubte, vor Entsetzen. Die Lust, die sich auf seinem Gesicht abmalte, sprach eine eindeutige Sprache. Sein - Oh mein Gott! - pulsierte und dann schoss in festen Schüben der Samen aus seiner Spitze und ... »Der Kuchen!«, kreischte ich auf und wich zurück.
Ich wäre vermutlich rücklings die Treppe hinabgestürzt, wenn nicht Samuel trotz seiner ... Lage ... so geistesgegenwärtig reagiert und mich mit einem Griff am Arm vor dem Fallen bewahrt hätte, sodass nur das Kuchenblech polternd die Stufen herunterfiel.
Diese Geistesgegenwärtigkeit führte jedoch nicht nur dazu, dass ich nicht stürzte, sondern auch dazu, dass ich mich dicht an Samuel, den nackten Samuel!, gepresst wiederfand und der Beweis seiner Manneskraft sich fest an meinen Unterkörper drückte.
»Na, das nenne ich mal eine nette Begrüßung!«, erklang es rau, aber eindeutig amüsiert an meinem Ohr und ich keuchte auf.
Empört stemmte ich meine Hände gegen seine Brust und versuchte, mich von ihm wegzustoßen. »Loslassen!«, forderte ich.
»Sicher? Dann fällst du aber doch noch die Treppe runter!« Lachend vollführte Samuel eine halbe Drehung mit mir, ehe er mich freigab und ich gegen den Küchentisch stolperte.
Hastig umrundete ich den Tisch und brachte ihn als Sicherheit zwischen ihn und mich, ehe ich mich mit gesenktem Blick erneut bekreuzigte. »Könnten Sie sich vielleicht etwas anziehen?«, flüsterte ich dann.
»Könnte ich ...«, erklang es von der Tür her. »Aber das ist mein Haus, und wenn ich mich nicht irre, bist du hier eingedrungen!«
Mein Kopf ruckte hoch und – sorgsam darauf bedacht, nur in sein Gesicht zu sehen – ich funkelte ihn an. »Auch in meinem eigenen Haus renne ich nicht einfach nackt durch die Küche!«
»Nicht?« Samuel lachte und erwiderte meinen Blick mit spöttischem Grinsen. »Das ist wirklich schade! Waren nicht auch Adam und Eva nackt, als Gott sie schuf?«
Meine Kinnlade fiel herab. Das war Blasphemie! »Sie ... Sie ...«, stammelte ich.
»Arsch? Gotteslästerer? Teufelsanbeter?«, schlug Samuel vor und verschränkte die Arme vor der Brust. Dann machte er einige Schritte auf mich zu und Panik ergriff mich. Was ...?
Suchend blickte ich mich um, aber bis auf eine leere Kaffeetasse konnte ich nichts erblicken, dass ich als Waffe hätte nutzen können. Mit einem leisen Aufschrei lief ich links am Tisch vorbei auf die Treppe zu.
»Willst du etwa schon gehen?«, rief Samuel mir nach. »Wir hatten doch noch gar keinen Kuchen! Ich könnte noch für etwas Sahne sorgen?«
Ich hastete die Stufen hinab, verfolgt von seinem Lachen. Schweratmend blieb ich am Fuß der Treppe stehen und starrte auf den zerstörten Kuchen hinab. Das Entsetzen, das mich gepackt hatte, wich der Frustration und ich ging aufschluchzend in die Knie. Zitternd versuchte ich, die Überreste des Kuchens wieder auf dem Blech zu sammeln, während wahre Sturzbäche an Tränen meine Wangen hinunterliefen. »Vater unser, der du bist im Himmel ...«, betete ich leise vor mich her.
»Na, der wird dir jetzt aber auch nicht helfen«, erklang es mürrisch neben mir und eine Hand tauchte vor meinem Gesicht auf. In dieser - ein blütenweißes Taschentuch.
Ich ignorierte die Geste, die ja eigentlich sogar ganz nett war und fuhr damit fort, den Kuchen aufzustapeln. »Der Herr ist mein Hirte; mir wird nichts mangeln. Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser. Er erquicket meine Seele«, murmelte ich und rief mir alle Gebete, die ich jemals gelernt hatte, vor Augen.
»Heilige Scheiße, ich bin noch nicht ganz angekommen und schon werde ich mit diesem Kram vollgelabert. Das ist doch nicht zum Aushalten!«, stöhnte Samuel neben mir auf und die Hand mit dem Taschentuch verschwand.
Das laute Poltern auf der Treppe verriet mir, dass ich ihn erfolgreich in die Flucht geschlagen hatte. Ich seufzte erleichtert auf und griff nach dem Blech, bevor ich mich aufrichtete. Der schöne Kuchen war jetzt vollkommen ungenießbar. Zumindest für ihn. Entschlossen verließ ich das Haus und marschierte auf den Rand des Hofs zu. Dort zerbröckelte ich den Kuchen noch etwas mehr und verteilte ihn dann im Gebüsch. So würden wenigstens die Vögel noch etwas davon haben. Ich drehte das Blech und entfernte auch die letzten Krümel.
Noch immer pochte mein Herz laut in der Brust und die Bilder dessen, was ich gesehen hatte, drehten sich wie in einem Karussell vor meinem inneren Auge. Wo war der schmächtige Junge, den ich im Gedächtnis hatte, geblieben und was konnte ihm widerfahren sein, dass ihn so hatte werden lassen? Trotz allem, was er mir angetan hatte, stand für mich fest, dass ich für sein Seelenheil beten musste. Es war niemals zu spät für Reue.
Die leise Stimme, die mir zuflüsterte, dass dieser Sünder nicht einmal ansatzweise den Anschein erweckt hatte, als gäbe es für ihn etwas zu bereuen, ignorierte ich geflissentlich. Auch ein schwarzes Schaf sollte einen Platz haben, an dem es willkommen geheißen wurde! Ich richtete mich auf, drehte mich herum und wäre fast erneut in Samuel hineingerannt, der, diesmal wenigstens angezogen, hinter mir stand.
»Es tut mir leid ...«, setzte er an und ich wollte gerade schon freundlich lächeln, als er »um den Kuchen!«, hinzufügte.
Ich schnaubte und schüttelte den Kopf, bevor ich an ihm vorbeiging.
»Wie heißt du eigentlich?«
Ich würde ihn einfach ignorieren. Nein, eigentlich wollte ich mich umdrehen und ihm die Zunge herausstrecken, aber das erschien mir dann doch zu albern, also seufzte ich nur auf und blieb stehen. »Deliah«, entgegnete ich.
»Deliah«, wiederholte er und obwohl ich ihn nicht sehen konnte, erschien vor mir das Bild seines Gesichts, auf dem sich ein süffisantes Grinsen breitgemacht hatte. Er sprach meinen Namen, als sei ich ein Stück Sahnetorte! »Willst du nicht vielleicht«, ich versteifte mich unwillkürlich, »deine Handtasche mitnehmen?«
Wortlos streckte ich die Hand aus, ohne mich umzudrehen. Anstandslos bekam ich meine Tasche zurück. Mit der anderen Hand raffte ich meinen Rock und dann flüchtete ich vom Hof, begleitet von Samuels Lachen.
Na hossa, was war das für eine Erscheinung gewesen? Kopfschüttelnd schaute ich der Flüchtenden hinterher. Deliah. Ihren Nachnamen würde ich ganz gewiss schnell und unkompliziert erfahren. Hier kannte jeder jeden. Dass ich wie ein pubertierender Schuljunge vor ihr abgespritzt hatte, war weder geplant, noch hatte ich mich in dem Moment unter Kontrolle gehabt. Das war verwunderlich. Denn es war nicht die erste oder zweite Frau in meinem Leben gewesen, die mich in solch einer Situation überrascht hatte. Vor allen Dingen waren diese viel weniger bekleidet als die Kuchenüberbringerin. Nicht selten war daraus eine Nacht voller Spaß entstanden, in der ich mehr als einmal meine Standfestigkeit bewiesen hatte. Und dann kam ein Mauerblümchen daher und ich sorgte fast für die Sahne auf dem Kuchen? Der Gedanke daran, wie empört sie reagiert hatte, ließ mich wieder schmunzeln.
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