„Ha, ich weiß, was dich zurück nach Hamburg zieht“, triumphierte Jörg und stoppte Tom bei seinem Bemühen all seinen Papierkram in einem IKEA-Umzugskarton unterzubringen.
„So, was denn?“, fragte Tom amüsiert und unterbrach seine Aufräumarbeiten. „Eine Frau natürlich. Du hast dich, als du vor ein paar Wochen in Hamburg warst, Hals über Kopf in eine Frau verliebt und willst nun in ihrer Nähe sein.“ Lachend trommelte Jörg auf Toms Schreibtisch und ließ ihn dabei nicht aus den Augen.
Tom lachte einen Moment lang mit seinem Kollegen, dann wurde er ernst. „Also gut Jörg. Es stimmt, es gibt eine Frau in Hamburg, die dafür gesorgt hat, dass ich hier in Hannover meine Zelte abbreche, obwohl ich mich hier wohlgefühlt habe und mir die Arbeit mit dir Spaß gemacht hat.“
„Ha, ich wusste es. Ich wusste es.“ Triumphierend stolzierte Jörg nun im Büro umher.
„Nein, nein. Es ist nicht so wie du denkst. Ich gehe nicht zurück nach Hamburg, weil ich die Frau liebe, sondern weil ich es hasse, was sie mit meinem Sohn macht.“
„Ehm, wie bitte?“, Jörg stoppte mitten in seiner Bewegung und wäre beinahe über Toms Bürostuhl gestolpert. „Du hast mit deiner Ex-Freundin einen Sohn?“ Tom schüttelte traurig seinen Kopf. „Nein, sie ist nicht meine Ex-Freundin, sondern meine Ex-Frau.“ „Oje, also noch schlimmer“; analysierte Jörg seufzend und empfand augenblicklich Mitgefühl für seinen ganz offensichtlich geplagten Kollegen.
„Cynthia, ist meine Ex und die Mutter meines Sohnes Daniel, den ich entgegen der Vereinbarung viel zu selten sehe. Deshalb und nur deshalb gehe ich zurück nach Hamburg. Ich will ein besserer Vater sein als bisher.“
Jörg nickte betroffen, ging auf Tom zu und klopfte ihm mitfühlend auf eine Schulter. „Das verstehe ich Kumpel“, bestätigte er mit Sorgenfalten auf der Stirn. „Danke“ Tom nickte traurig und konzentrierte sich erneut darauf, seinen Umzugskarton zu befüllen.
Er wusste, dass in seiner Wohnung weitere Kartons darauf warteten gefüllt zu werden. Heute war Donnerstag und der Umzug sollte am Wochenende stattfinden Doch bevor er sich seiner Wohnung annahm, war sein Büro an der Reihe. Er wollte geordnete Verhältnisse hinterlassen, wenn er sein Revier in Hannover verließ.
Tom und Cynthia waren etliche Jahre glücklich verheiratet gewesen. Zumindest hatte Tom das immer geglaubt, bevor sie ihn wegen eines anderen Mannes verließ. Daniel war damals noch zu klein gewesen, um zu verstehen wieso sich seine Eltern trennten. Jetzt jedoch war der Junge alt genug, um die Wahrheit zu erfahren.
Also der richtige Moment mehr Zeit mit seinem Sohn zu verbringen, resümierte Tom und zog daraus seine ganz persönlichen Konsequenzen.
Er war jetzt 40 Jahre alt, immer noch attraktiv und sportlich. Da müsste sich also ein weibliches Wesen finden lassen, dass gern Zeit mit ihm und seinem Sohn verbringen würde. Aber und das war das eigentliche Problem, sie musste mit seinen manchmal sehr unregelmäßigen Arbeitszeiten umgehen können.
Traurig seufzend schloss er seine Wohnungstür auf, stellte den Karton aus dem Polizeirevier neben die anderen in den Flur und steuerte zielstrebig auf das Bad zu. „ Jetzt erst einmal eine erfrischende Dusche “, dachte er. „ Danach lässt sich alles sicher viel einfacher einpacken .“
Unter der Dusche entspannte sich Toms Muskulatur. Erst jetzt merkte er wie verkrampft sein Nacken war. Doch mit ein paar massierenden Handbewegungen und der Wirkung des warmen Wasser, ging es seinem Nacken schnell besser.
Auch sein Penis erwachte zu neuem Leben und signalisierte ihm, dass er gern mal wieder zum Einsatz kommen würde. Aber Tom war nicht der Typ für die schnelle Nummer. Eine Frau musste ihm schon wirklich gut gefallen und was im Kopf haben, damit er für sie entbrannte.
Sein bestes Stück jedoch legte ganz offensichtlich nicht so hohe Maßstäbe an und er spürte wie sein Schwanz sich langsam aufrichtete. Er hätte Monika anrufen können, eine verheiratete Kollegin aus dem benachbarten Revier, die bei den gemeinsamen Fortbildungen zum Täterprofiling ihm deutlich zu verstehen gegeben hatte, dass sie ihn gern einmal etwas näher gespürt hätte.
Doch Tom wusste, dass er kein Typ für One-Night-Stands war, deshalb hatte er bisher darauf verzichtet. Und um selbst Hand anzulegen, war er zu müde.
Traurig verließ er die Dusche. Hannover hatte seinem Liebesleben nicht gutgetan. „ Ob das in Hamburg wohl endlich wieder anders sein wird? “ fragte er sich und trocknete sorgsam seinen gut gebauten Körper ab.
Sein Umzug machte ihm körperlich zu schaffen, obwohl er ihn selbst veranlasst hatte. „ Ob mein alter Mustang diesen Ortwechsel noch einmal mitmacht ?“ dachte er plötzlich besorgt.
Der Mustang war das alte US-amerikanische Fahrzeug mit dem er zurück nach Hamburg fahren würde. Der Wagen war gut gepflegt und hatte mit seiner roten Lackierung schon so manches weibliche Wesen angelockt.
Doch die richtige war noch nicht dabei gewesen. Dennoch wollte er auf diese Ikone automobiler Beweglichkeit nicht verzichten. Einen Mustang verschrottet man nicht. Den fährt man bis ins ans Ende seiner Tage.
Seine Wohnung war ordentlich und eigentlich immer aufgeräumt. Nur die paar Male, als Daniel seinen Vater in Hannover besuchte, hatte er dessen Wohnung in ein Chaos verwandelt. Doch Tom hatte es ihm nicht übel genommen. Sein Sohn hatte Narrenfreiheit. Außerdem räumte er gern auf. Er liebte es, wenn alle Dinge an ihrem Platz waren und er nicht suchen musste, wenn er etwas Bestimmtes brauchte.
Auch kochte er gern. Jörg und auch die anderen Kollegen hatten einige Male davon profitiert. Die verzehrten Kalorien verbrauchte Tom dann beim Schwimmen oder beim Trainieren seiner Jugendfußballmannschaft. „ Oje, die Jungs werde ich vermissen “, resümierte er betrübt. Doch er wusste auch, dass er einen begabten Co-Trainer hatte, der die Jungen gern weiter trainieren würde.
Nur gut, dass er seine Hobbies auch in Hamburg würde ausüben können. Seine Heimatstadt verfügte über mehrere große Schwimmbäder und einen Erstliga Fußballverein, für den sein Herz auch in Hannover weiter geschlagen hatte. Der HSV war seine große Liebe und würde es auch wohl immer bleiben.
Kapitel 3 - Spurensicherung
„Also, was haben wir?“ fragte Schmitti hörbar genervt, weil sein Kaffeebecher schon wieder leer war und er noch keine weitere Zigarette rauchen durfte. Betty hatte es ihm verboten, denn sie wollte erst einmal die bisherigen Erkenntnisse mit ihm besprechen, bevor er sich wieder zum Rauchen nach draußen verpieselte.
Die Chemie hatte noch nie zwischen ihnen gestimmt. Doch seit sie an diesem Sexualmord arbeiteten, war erst recht der Wurm in ihrer beruflichen Zusammenarbeit. Beide wussten das, aber keiner war bereit dem anderen auch nur ein Stück entgegenzukommen. Das lag einerseits daran, dass Schmitti nach all der Zeit, die sie zusammen arbeiteten und während der er so einige Abfuhren von ihr erhalten hatte, immer noch scharf auf Betty war und andererseits daran, dass sie auch noch den besseren kriminalistischen Spürsinn hatte.
Seufzend und mit grimmiger Miene, schaute sie nun von ihrem Monitor auf, sah in sein Gesicht und rekapitulierte die bisherigen Erkenntnisse.
„Wir haben festgestellt, dass das Opfer, Martin Mariano heißt und nicht bestohlen wurde. Seine Wohnung war laut Aussage der Raumpflegerin nicht durchstöbert und auch sein Bargelddepot im Kleiderschrank war unangetastet. Raubmord kommt also nicht in Frage.“ Schmitti nickte gelangweilt. Es waren keine neuen Daten, die ihm Betty berichtete.
„Sein berufliches Umfeld, er war Trader in einer Bank, konnte uns auch kein Motiv für diesen Mord liefern. Unser Opfer war eher ruhig und unauffällig. Er hatte auch keine Techtelmechtel mit den weiblichen Kolleginnen oder Stress mit den männlichen Kollegen. Und schwul war er wohl auch nicht.“ Oder doch ? Betty war verunsichert, was diese Möglichkeit anging. Sie hatten dazu noch keine wirklichen Erkenntnisse, aber das wollte sie Schmitti gegenüber nicht zugeben. Stattdessen wechselte sie gedanklich das Thema.
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