»Was?«
»Vielleicht kannst du mir das Schminken ja beibringen?«, meine Stimme ist leise und klingt unsicher.
Isabell schmunzelt. »Gerne.«
Jetzt, wo ich in einem Traumkörper stecke, macht es mir sicher auch Spaß, mich hübsch zu machen.
***
»Hier lang«, flüstert Isabell, als wir den Flur der Werbeagentur betreten.
Das gläserne Gebäude kannte ich bisher nur von außen. Jeden Tag, wenn ich mit dem Bus zur Arbeit und später wieder nach Hause fahre, komme ich daran vorbei. Drinnen bin ich noch nie gewesen. Mich schrecken solche modernen Bauwerke eher ab. Ich fühle mich dort immer fehl am Platz.
»Hier ist mein Büro«, trällert Isabell voller Stolz. »Und das hier ist der Büroschlüssel.« Während sie das sagt, tippt sie auf einen Schlüssel, der an ihrem Schlüsselbund hängt.
Ich stecke ihn ins Schloss und schließe die Tür auf. Noch bevor ich die Tür richtig geöffnet habe, stürmt meine Freundin hinein. Sie geht schnurstracks zu ihrem Arbeitsplatz und startet ihren Computer.
Ich gehe ihr langsam hinterher und bleibe neben ihrem Stuhl stehen. »Hier arbeitest du also«, stelle ich unnötigerweise fest und schaue mich um. Das Büro ist passend zum Gebäude modern eingerichtet. Durch die vielen Glasfronten ist das Büro sehr hell.
Putzfrau möchte ich hier nicht sei n, kommt es mir in den Sinn. Und ich frage mich, wie oft wohl die Scheiben gereinigt werden. Auch der Schreibtisch ist aus Glas. Wenn ich mir vorstelle, zukünftig einen Großteil des Tages in dem Raum verbringen zu müssen wird mir anders. In dem Büro fühle ich mich total unwohl. Alles wirkt so steril.
»Ja, gefällt es dir?«, fragt Isabell und schaut zu mir hoch.
Ich zucke mit den Schultern. »Na ja, das ist ganz schön viel Glas.«
»Ja, ist es. Manchmal fühlt man sich sehr beobachtet, aber man gewöhnt sich daran.« Sie lächelt mich an. »Klobige Eichenmöbel sind hier fehl am Platz«, zieht sie mich auf.
»Ja, ja. Mach dich nur über mich lustig.«
Isabell reagiert nicht darauf. »Also das hier ist die Kampagne, an der ich gerade arbeite. Es geht um einen Energiedrink«, erklärt sie mir und deutet auf den Bildschirm.
Ich starre auf ihre Hand und sehe die Dose eines mir unbekannten Drinks. »Äh, und was soll ich machen? Ich habe doch null Ahnung von Werbung«, sage ich ungläubig.
Isabell schaut zu mir auf. »Ich weiß. Die Kampagne ist fast fertig. Am Freitag wird sie vorgestellt. Den Rest schaffe ich bis dahin noch, aber du musst die Präsentation halten.«
»Was? Ich? Nein, vergiss es! Ich habe davon überhaupt keine Ahnung.«
»Bitte, Serena! Du musst mir den Gefallen tun. Der Leuchtner hat eine Beförderung angedeutet, wenn wir den Auftrag bekommen. Ich helfe dir, wir gehen alles vorher gemeinsam durch.«
»Du weißt schon, dass mir so etwas überhaupt nicht liegt. Was glaubst du, warum ich Schuhverkäuferin geworden bin? Oder warum ich keinen Führerschein besitze? Ich habe Angst vor Prüfungen, Reden und solchen Dingen.«
»Ich weiß, Süße. Aber du bist meine einzige Hoffnung. Du willst doch nicht, dass ich meinen Job loswerde, oder?«
Ich atme tief durch. »Na schön, ich versuche es, aber nur, wenn wir jetzt zum Schuhladen fahren und ich dir dort alles zeige. Auch ich bin auf den Verkäuferjob angewiesen, um meine Miete zahlen zu können.«
»Okay«, stöhnt Isabell. »Dann mache ich bei dir zu Hause die Präsentation fertig und wir treffen uns jeden Abend zum Üben. Du musst hier nur die Zeit absitzen. Und ja in Gottes Namen, lass uns in den Schuhladen fahren.
Stöhnend wühlt Isabell in der Tüte, in die sie alle ungesunden Lebensmittel hineingeschmissen hat. Sie ist froh, die Sachen noch nicht entsorgt zu haben. Ihr Magen macht ihr durch lautstarkes Knurren deutlich, wie nötig eine Nahrungsaufnahme ist.
Durch die Fahrt zur Werbeagentur hatte sie komplett vergessen, einkaufen zu gehen. Ihre Liste lag noch immer im Wohnzimmer, als sie zurückkam.
Die Kampagne ist so wichtig für sie, dass sie alles andere dafür stehen und liegen lassen würde. Warum musste auch gerade jetzt so kurz vor der Präsentation der Körpertausch stattfinden? Wenn sie ehrlich zu sich selbst war, hätte sie komplett darauf verzichten können.
Perry kommt angelaufen und schaut neugierig in die Tüte. Das Rascheln muss ihn angelockt haben. Er nähert sich und steckt seinen Kopf hinein.
»Das ist nichts für dich«, flüstert sie dem Kater zu und wirft dabei einen Blick auf seinen Fressnapf, der leer ist. »Hast du auch Hunger?«, fragt sie und wühlt weiter.
Sie entdeckt eine Dose Makkaroni, die sie herausholt, auf den Küchentisch stellt und sich dazu einen Löffel aus der Schublade holt, den sie danebenlegt.
Dann geht sie zu dem Schrank, in dem das Katzenfutter steht, um Perry zu versorgen.
Als der Kater schmatzend an seinem Napf zu gange ist, lässt sich Isabell am Küchentisch fallen.
Sie öffnet die Dose und riecht daran.
Sie fragt sich, wie Serena sich von so einem Zeug ernähren kann. Die Nudeln scheinen in einer Tunke aus Geschmacksverstärkern zu baden.
Sie nimmt den Löffel vom Tisch und taucht ihn in das Fertiggericht ein. Als er gefüllt ist, steckt sie ihn sich in den Mund und kaut auf der viel zu weichen Pasta herum. »Das schmeckt besser als gedacht«, flüstert sie und stopft sich weitere Bissen der Konserve in den Mund, so lange, bis ein Sättigungsgefühl eintritt.
Sie nimmt sich fest vor, am nächsten Tag, gleich nach der Arbeit, ein paar gesunde Sachen einzukaufen, damit sie Serenas Körper etwas leichter machen kann.
Plötzlich fällt ihr das Probetraining mit Kasper ein. Eigentlich hat sie weder Zeit noch Nerven dafür, aber irgendwie freut sie sich darauf. Insgeheim hofft sie, das Training könnte ihr helfen, den ganzen Mist für eine Weile zu vergessen. Außerdem möchte sie ihn besser kennenlernen. Immerhin ist er der Cousin ihres Freundes.
Sie seufzt und ihre Gedanken sind bei Alex. Wie gern sie jetzt in seinen Armen liegen würde. Was er wohl gerade macht? Ob er auch an sie denkt?
Am liebsten möchte Isabell ihn anrufen, aber solange sie in Serenas Körper steckt, muss sie sich das verkneifen. Sie kann mit ihm in nächster Zeit nur als Serena reden.
Traurig erhebt sie sich, schmeißt den Löffel in die Spüle und geht ins Bad. Perry folgt ihr und ist im Badezimmer, bevor sie die Tür schließen kann. »Raus mit dir! Los! Verschwinde!«
Aber der Kater denkt nicht daran, das Bad zu verlassen. Er schaut sie nur verwirrt an.
Isabell fragt sich, ob er Serena ständig so verfolgt und ihr womöglich auch beim Duschen zuschaut. Sie schüttelt sich bei der Vorstellung, das Tier könnte sie bei der Körperpflege beobachten.
Sie rennt aus dem Bad und hofft, Perry folgt ihr. Wenn sie schnell genug ist, würde sie ins Badezimmer zurückkehren und die Tür schließen, bevor der Vierbeiner es wieder geschafft hat, reinzukommen.
Sie überlegt, wie sie ihn ablenken könnte. Doch dann fällt ihr das Katzenklo ein. Sie fragt sich, was ist, wenn er mal muss und nicht auf sein Klo kann.
Isabell geht zurück und schiebt es in den Flur.
Erneut rennt sie hin und her.
Perry folgt ihr mit einem Sicherheitsabstand, so als würde er ahnen, was sie vorhat. Vielleicht denkt er auch, sein Frauchen ist wahnsinnig geworden.
Nachdem Isabell mehrere Runden durch die Wohnung gedreht hat, gibt sie genervt auf. Sie ist völlig aus der Puste und Perry hat sich kaum ein Stück von der Badezimmertür entfernt. Die Chance ihn auszusperren, ist gering.
Sie lässt sich auf das Sofa fallen und versucht, zu Atem zu kommen.
Nach einigen Minuten leistet ihr der Kater Gesellschaft. Er legt sich eingerollt auf ihren Schoß, sodass Isabell nicht weg kann.
Eine Weile bleibt sie so sitzen, dann schiebt sie ihn vorsichtig runter. Perry liegt nun neben ihr.
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