Falco kehrte erst am späten Nachmittag zurück. Er betrat das Zelt und warf ein Kaninchen auf den Tisch. „Hier“, sagte er, „das wird wieder eine üppige Mahlzeit, heute! Ich wünsche euch, einen guten Appetit!“, meinte er zynisch, setzte sich, schenkte sich Wein ein und kippte den Becher in einem Zug hinunter. „Hör mal, Falco“, sagte Brac und räusperte sich, „also, wir sind uns alle einig. Du bist unser Hauptmann und wir befolgen deinen Befehl, natürlich.“ Falco atmete tief durch und nickte ohne aufzusehen. „Gut! Dann ist jetzt alles klar! Morgen früh, werdet ihr aufbrechen. Du wirst sie führen, Brac! Und seiner Majestät, wirst du folgendes sagen: Ihr seid auf meinen ausdrücklichen Befehl hin, nach Averna gereist, weil die Vorräte knapp wurden und Amanoue noch zu schwach war. Und dass wir deshalb den Winter im Tal verbringen werden!“, sagte er leise und schenkte sich nach. „Du weißt, dass du nie mehr zurückkommen kannst? Das wird dir Henry nie verzeihen“, raunte der große Soldat und sah ihn mit einer Mischung aus Mitleid und großen Respekt an. Falco schnaubte verächtlich und lächelte ihn an. „Ja, dessen bin ich mir durchaus bewusst! Aber wer weiß, vielleicht wird mir mein König doch irgendwann vergeben, so Gott will und er irgendwann einsieht, dass ich es nur zu seinem Wohle getan habe.“ Brac legte seine Hand auf Falcos Arm und drückte ihn leicht. „Ich hoffe, dass wir uns eines Tages wiedersehen werden und dies kein Abschied für immer sein wird, mein Freund! Und, sei gut, zu ihm! Der Kleine hat`s wahrlich verdient“, sagte er etwas belegt und Falco nickte ernst. „Das werde ich! Danke Brac“, raunte er ehrlich ergriffen zurück. Mati erhob sich ruckartig und verließ fluchtartig das Zelt. Amanoue, der im Bett saß, sah zu ihnen herüber und als Alecto ihn anlächelte, drehte er sich um und weinte bitterlich. Keiner brachte den Mut auf, zu ihm zu gehen und so brachte schließlich Falco ihm das Abendessen. „Danke, aber isch bin nischd `ungrig“, sagte Amanoue matt und drehte seinen Kopf zur Seite. „Unsinn! Du musst essen, damit du wieder zu Kräften kommst. Wir wollen doch nicht ewig hier bleiben“, erwiderte Falco und zwang sich zu einem Lächeln. Amanoue sah ihn traurig an. „Ihr müsst mir nischds vormachen, isch weiß, dass die anderen fortge`en. Isch `abe es ge`ört, als ihr vor die Selt wart und gestritten `abt. Warum lasst Ihr misch nischd einfach surück, `err? Ihr könntet einfach sagen, dass isch tot bin.“ „Wie könnte ich das? Du hast uns alle gerettet!“, meinte Falco aufrichtig. „Isch wäre lieber tot, als wieder eine `ure“, flüsterte Amanoue erstickt. „Aber, ich bringe dich gar nicht zurück nach Magiyar! Das hatte ich nie vor! Ich bringe dich nach Asconien, in deine Heimat! Hörst du?“, sagte Falco zuversichtlich, doch Amanoue sah ihn, mit vor Schreck geweiteten Augen an. „Dann wird dies, gans sischer, meine Tod sein. Sie werden misch steinigen, so etwas wie misch, steinigt man, in Asconien“, antwortete er und starrte trübsinnig vor sich hin. „Aber genau das, `abe isch verdient“, murmelte er resigniert. Falco blickte ihn entsetzt an, erhob sich und ging schnell nach draußen.
Der Abschied am nächsten Morgen, war kurz und knapp. Falco grüßte seine Kameraden noch einmal und die salutierten noch ein letztes Mal ehrfürchtig vor ihm, doch Mati und er, sahen sich nicht dabei an. Nachdem sie außer Sichtweite waren, ging er zurück ins Zelt, setzte sich auf seinen Platz und stützte seinen Kopf in beide Hände. Lange Zeit, blieb er so sitzen, bis er aufstand und das Zelt wortlos wieder verließ. Amanoue hatte sich die ganze Zeit über nicht gerührt, doch nun, da er alleine war, stand er auf und ging zum Waschtisch. Er zog sich aus, begann sich zu waschen und gerade als er fertig war und sich umdrehte um sich ein Laken zu nehmen, sah er Falco am Zelteingang stehen. Falco musterte ihn von Kopf bis Fuß, drehte sich um und ging raschen Schrittes wieder hinaus. Er eilte zum Holzstoß, begann wie ein Besessener Holz zu hacken und erst als er völlig erledigt war, hörte er damit auf. Nachdem er eine Weile verschnauft hatte, ging er zurück ins Zelt, doch es war leer. Erschrocken blickte er sich um, stürzte wieder nach draußen und sah sich suchend um, als er Amanoue aus dem nahen Wald kommen sah. Falco rannte fast auf ihn zu und Amanoue blieb überrascht stehen. „Was, zum Teufel, machst du hier draußen?! Hab ich dir nicht verboten, das Zelt zu verlassen?!“, brüllte er Amanoue an und gab ihm eine schallende Ohrfeige, so heftig, dass dieser zurücktaumelte. Amanoue fiel sofort auf seine Knie. „Bitte, `err, verseiht mir. Isch musste mal“, stammelte er ängstlich und beugte sich nach unten, bis seine Stirn den Boden berührte. „Steh schon auf, ich bin nicht dein Herr“, raunte Falco etwas verwirrt. „Ja, `err“, erwiderte Amanoue und erhob sich auf seine graziöse Art, hielt aber seinen Blick weiterhin demütig gesenkt. „Geh zurück ins Zelt! Du bist noch viel zu schwach, um allein herum zu laufen“, sagte Falco wesentlich ruhiger und Amanoue nickte zart. „Ja, `err, sofort, `err“, antwortete er und blickte kurz auf. „Es geht mir besser, wirklisch, Ihr müsst Euch nischd um misch sorgen, `err“, fügte er kleinlaut hinzu und machte sich eilig auf den Weg ins Zelt. Falco war ihm gefolgt und als sie beide vor dem großen Tisch standen, schenkte er zwei Becher Wein ein und reichte Amanoue einen davon. „Setz dich“, sagte er, sich selbst dabei setzend und deutete neben sich. Er kaute kurz an der Innenseite seiner Wange, so wie er es oft tat, wenn er nachdachte. „Hör zu, ich weiß einfach nicht, was ich mit dir tun soll. Ich meine, wie es nun weitergeht. Das, was du gestern gesagt hast, über Asconien. Warum sollten sie dich dort steinigen? Bist du nicht“, er zögerte kurz, „ein Prinz, dort? Naja, werden die nicht eher hocherfreut sein, wenn ich dich ihnen zurückbringe? Es weiß doch keiner dort, dass du in einem Hurenhaus warst“, meinte er, nippte an seinem Wein und sah ihn fragend an. Amanoue setzte sich zögerlich neben ihn und blickte ihn kurz verstohlen an. „Aber die Asconier, die `enry berfreit `at, werden sischer schon auf dem `eimweg sein und die wissen, dass isch seine Lustsklave bin“, antwortete er leise. Falco nickte leicht, doch dann zuckte er die Achseln. „Vielleicht hat seine Majestät sie ja gar nicht freigelassen. Als der Tross abgezogen ist, waren sie jedenfalls noch dabei, glaube ich wenigstens“, erwiderte er und trank noch einen Schluck. Amanoue atmete tief durch. „Isch weiß nischd, wo`in isch ge`öre. Wahrscheinlisch, nirgendwo`in mehr. Meine Leben, liegt nun in Eure `and, `err. Es liegt bei Eusch, wie Ihr Eusch entscheidet. Mir ist es gleisch, wo`in Ihr misch bringt“, sagte er traurig. „Isch weiß ja nischd einmal, ob isch misch surescht finden würde, in meine alte Leben, dort. Isch kann misch kaum noch, daran erinnern. Isch weiß nischd einmal mehr, wie meine Vater, oder meine Brüder ausgese`en `aben. Es ist so lange `er, seit isch sie die lesde Mal gese`en `abe. Isch war gerademal swölf Jahre alt, als misch meine Vater fortschickte“, fuhr er fort und trank ebenfalls. Falco hob die Augenbrauen und schnaufte durch. „Das tut mir leid, wirklich. Wie alt bist du eigentlich?“ „Siebsehn, aber isch werde im Frühling achtsehn, `err. Wie alt, seid Ihr, wenn isch fragen darf?“, erwiderte Amanoue mit einem schüchternen Seitenblick auf ihn. „Fast achtundzwanzig, im Januar, also schon nächsten Monat“, antwortete Falco und lächelte etwas bitter. Amanoue nahm verwundert seinen Kopf zurück. „Ihr seht älter aus, `err.“ „Oh, danke, für das Kompliment!“, sagte Falco leicht empört, musste aber dennoch schmunzeln. „Versei`ung, dass `abe isch nischd böse gemeint“, sagte Amanoue schnell und knetete verlegen seine Finger. „Isch dachte nur, weil Ihr schon `auptmann seid. `auptmann Matheo ist viel älter, als Ihr und Satory ist ja wohl nur schon `auptmann, weil seine Vater eine `ersog ist.“ Falco sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an und nickte. „Ja, du hast recht, dabei ist er noch viel jünger, als ich. Naja, das ist eben sein Geburtsrecht! Ich bin eben nur ein Bauernsohn und eigentlich hätte Brac, nach dem Tod unseres alten Hauptmannes, dazu ernannt werden sollen, aber er hat abgelehnt. Weißt du, was er zu seiner Majestät gesagt hat? Er könne unmöglich, von seinem Haufen dahinten weg! Die Jungs würden glatt verhungern, ohne ihn! Dann fiel die Wahl eben, auf mich“, meinte Falco und schüttelte grinsend seinen Kopf. „Brac ist schon eine ganz besondere Marke!“ „Isch verste`e nischd? Marke?“ Amanoue legte seinen Kopf schief, so wie er es oft tat, wenn er etwas nicht verstand. Falco sah ihm kurz ins Gesicht. `Oh Gott, bist du schön´, dachte er dabei und schloss für einen Moment die Augen, bevor er tief durchschnaufend antwortete. „Das bedeutet, dass er ein ganz besonderer Mensch ist, verstehst du? Ein wenig anders eben, als der Rest.“ Amanoue nickte bestimmt. „Ja, das ist er! Isch mag ihn wirklisch sehr. Schon von Anfang an!“, sagte er mit Begeisterung und lächelte so zauberhaft, dass es Falco unwillkürlich heiß durchfuhr. Er erhob sich ruckartig und Amanoue wich erschrocken zurück, so als hätte er etwas Falsches gesagt. Ängstlich blickte er zu Falco empor und zwinkerte ein paarmal nervös. „Ich wollte dich nicht erschrecken“, sagte der, fast ein wenig grob und sah auf ihn herab. „Du hast Angst vor mir!“, meinte er feststellend, nickte wie zu sich selbst und verließ das Zelt. `Kein Wunder!´, dachte er bitter.
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