Ich dachte ich würde dieses Gefühl der Geborgenheit, das mich in diesem Moment beschleicht, nicht mehr vermissen. Dass ich es nicht mehr brauchen würde, aber mir wird schlagartig klar, dass ich mich in all den Jahren selbst belogen und betrogen habe. Und dass ich mich abermals belügen würde, wenn ich auch nur eine Sekunden glauben würde, ich könnte mit diesem Adonis in meinem Bett eine Zukunft haben.
Meine rechte Hand tastet nach seiner Hand, die mich an sich gedrückt hält und verschränke meine Finger mit seinen. Ich schliesse meine Augen und geniesse jeden meiner Atemzüge, bis ich in einen erholsamen Schlaf falle.
Müde greife ich nach meinem Wecker, um ihn auszuschalten. Doch das Geräusch endet nicht, als ich auf den Aus-Knopf gedrückt habe. Ich öffne ein klein wenig meine Augen. Es herrscht noch immer vollkommene Dunkelheit, was mich nachdenken lässt. Einen Blick auf die digitale Uhranzeige meines Weckers, bedeutet mir, dass es knapp zwei Uhr nachts ist und dass ich noch über vier Stunden schlafen kann. Meine Augen fallen mir bereits wieder zu, während ich mich auf die andere Seite drehe. Meine Hand bewegt sich über das Laken, das sich zerwühlt und warm anfühlt und plötzlich sind alle Erinnerungen an letzten Abend wieder da. Aber wo ist Oliver? Schlagartig bin ich hellwach. Das Bett ist leer. Ich hoffe, dass er nur kurz auf die Toilette gegangen ist und gleich wieder zu mir ins Bett gekrochen kommt, da höre ich schon das Wasser laufen. Kurz darauf kommt er durch die Tür. Nur ist er nicht nackt, wie ich ihn gesehen und gespürt habe, bevor ich eingeschlafen bin, sondern vollständig bekleidet und zurechtgemacht. Bereit um mir Lebewohl zu sagen.
„Ich hatte gehofft, ich würde dich nicht wecken.“ Er setzt sich neben mich auf den Bettrand.
„Wolltest du gehen ohne dich zu verabschieden?“
„Nein.“ Er streicht eine Haarsträhne aus meinem Gesicht und legt sie hinter mein Ohr.
„Und warum gehst du dann mitten in der Nacht?“
„Ich habe morgen, nein schon heute“ korrigiert er sich. „einen anstrengenden Nachmittag. Ich muss ausgeruht und fit sein. Aber wenn ich hier bei dir bleibe, werde ich alles andere als das sein.“
Fragend blicke ich ihn an.
„Ich finde keinen Schlaf neben dir. Ständig möchte ich dich berühren oder bewundere dich, während du vor dich hin schnarchst.“
„Ich schnarche nicht.“
„Nein, das tust du nicht.“ Er zieht seinen linken Mundwinkel leicht nach oben. „Aber ich danke dir für diesen Gesichtsausdruck, den du mir soeben geschenkt hast.“ Er beugt sich zu mir und bedeckt meinen Mund mit seinen Lippen.
„Wo gehst du jetzt hin?“ frage ich ihn, als wir uns wieder voneinander lösen können.
„Ins Hotel.“
„Das nur ein paar Meter von hier entfernt steht?“
„Ja.“
„Aber....“
„Ich würde viel lieber hier bei dir bleiben. Deinen warmen, weichen Körper schmecken und spüren. Aber ich kann nicht. Obwohl ich ein Profifussballer bin, kann ich mir keine Fehler leisten, sonst bin ich schnell ersetzt. Und Fehler darf ich mir morgen keine leisten.“ Bevor er sich erhebt, küsst er mich nochmals. „Ich melde mich bei dir, so schnell ich kann.“
„Ich freue mich darauf.“
Nun ist es keine Täuschung, sondern wirklich der Wecker, der so unbarmherzig vor sich hin plärrt, bis ich meine Augen vollkommen geöffnet habe und endlich den schrillen Gesang durch einen Knopfdruck verstummen lasse.
Während ich mir ein bequemes Baumwollkleid aus sattem Grün überziehe, das im Nacken gebunden wird, etwas Schminke auftrage, ein paar Toastscheiben in den Toaster werfe und mir einen heissen Kaffee zubereite, rede ich mir ständig ein, dass der vergangene Abend nichts zu bedeuten hat. Dass ich mich genauso fühlen und benehmen werde, bevor ich Oliver getroffen habe, was ja auch stimmt. Sofort strafen mich meine Lügen mit einem bösen Blick, der mir im Spiegel entgegenkommt.
Was versuche ich mir nur einzureden? Seit Kimi habe ich nicht mehr so empfunden, wie in den letzten vierundzwanzig Stunden. Ebenfalls dachte ich, ich würde nie mehr so fühlen können. Aber Oliver brauchte nicht einmal einen Tag, mein altes Leben völlig aus dem Ruder zu bringen.
Wie kann ich nur so dämlich sein, mich ausgerechnet in einen der weltbesten Fussballer zu verlieben? Jetzt hat das Wort, das ich auf keinen Fall mehr in mein Kopf lassen wollte, Form angenommen. Es hat sich in eine äusserst attraktive und erfolgreiche Gestalt verwandelt.
Endlich glaubte ich mein Leben wieder richtig leben zu können, da braucht kein Mann darin aufzutauchen, um es in einer kurzen Zeit wieder zu zerstören.
Ich darf es nicht mehr als eine Affäre betrachten, denn etwas anderes kommt für Oliver gar nicht in Frage, da bin ich mir sicher. Ich möchte gar nicht in Erfahrung bringen, wie vielen Frauen er schon das Herz gebrochen hat und ich werde nicht die Nächste sein.
Die Toastscheiben springen wie auf ein Kommando aus dem Toaster heraus. Ich nehme mir eine und bestreiche sie mit einer köstlichen Haselnuss-Nougatcrème.
Ich halte soeben auf meinem Parkplatz an, als meine Schwester gerade angelaufen kommt und die Tür zu unserem Büro aufschliessen will. Sie lächelt mich an und pfeift mir zu, während ich aus meinem weissen VW Golf steige.
„Du hast dich ja richtig ins Zeug gelegt?“ begrüsst sie mich mit je einem Kuss auf jede Wange. „Hast du heute irgendwas bestimmtes vor oder habe ich einen besonderen Termin verpasst?“
„Warum?“ Ich verstehe nicht, auf was sie anspielen möchte und sehe sie verständnislos an.
„Für wen hast du dich so aufgebrezelt?“
„Das habe ich nicht. Ich habe nur ein einfaches Kleid angezogen, das ich in der hintersten Ecke von meinem Schrank gefunden habe.“
„Und was ist mit der Schminke, die du sonst nie zur Arbeit trägst?“
„Ich hatte einfach Lust dazu.“ Ich gehe an ihr vorbei und öffne die Tür mit meinem eigenen Schlüssel.
„Möchtest du mir nicht verraten, was gestern Abend geschehen ist?“
Ich sehe sie etwas verärgert an, sage aber kein Wort.
„Und versuche gar nicht erst, mich für eine Närrin zu halten. Ich bin deine Schwester und kann dir ganz genau ansehen, dass irgendwas vorgefallen ist. Es kann ja nur etwas Positives sein, wenn ich dich so ansehe. Also...“
„Er stand gestern einfach vor meiner Tür und dann führte eins zum anderen.“
„Wer? Ron?“
„Nein, doch nicht Ron. Oliver.“
„Oliver?“ Tina zieht ihre Augenbrauen zusammen und überlegt angestrengt, welchen Oliver ich meinen könnte, bis ein Licht in ihrem Kopf aufgeht. „Oliver Falk, der Fussballer? Der Sohn...“
„Ja genau der.“ unterbreche ich sie.“
„Du hast mit ihm geschlafen, stimmts?“ Sie sieht mit einem Mal nicht mehr überrascht aus, sondern ein wissender Ausdruck breitet sich auf ihrem Gesicht aus. „Das ist ja wunder...“
„Sprich nicht weiter. Ich weiss nicht, was ich von letzter Nacht halten soll. Ich weiss aber, dass ich nicht noch einmal diesen Schmerz empfinden möchte, den ich nach Kimi erlebt habe. Ich besitze nicht mehr die Kraft, mein Leben abermals so in den Griff zu bekommen wie jetzt, falls mir das Herz nochmals gebrochen werden sollte. Es wird nichts ausser einer kurzen Affäre geben, wenn da überhaupt etwas ist. Vielleicht war es ja einfach eine einmalige Sache. Denn ich kann mir nicht vorstellen, dass Oliver mehr als das möchte. Er ist leider nicht nur ein bekannter Fussballer, sondern ein richtiger Schürzenjäger.“
„Dann mach dir nicht so einen Kopf und geniesse diese Zeit.“
„Das habe ich mir auch gesagt, aber...“
„Was aber?“
„Ich habe Kimi geliebt. Für keinen Mann, der nach Kimi meinen Weg gekreuzt hat, habe ich so empfunden, wie für ihn.“ Ich atme kurz tief ein, bevor ich weiterrede. „Bis jetzt.“
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