V.
Am nächsten Morgen holte Herold ein energisches Klopfen aus dem Schlaf. Noch im Halbschlaf trottete er zur Tür und öffnete.
Bevor ihm klar wurde, dass seine einzige Bekleidung während der Nacht die Bettdecke gewesen war, stand er vollkommen entblößt in der offenen Zimmertür und erblickte gerade noch seine Gastgeberin, die sich am Absatz der Treppe zu ihm herumdrehte.
„Verkühlen Sie sich bloß nicht, sonst muss ich noch auf Krankenschwester umschulen!“ rief Dinah ihm frech zu und eilte lachend die Treppe hinunter.
Jetzt erst entdeckte er an einer Hängeleiste neben der Tür seine komplette Kleidung, gewaschen und getrocknet.
Beim Frühstück sprühte sie vor guter Laune und war ganz um sein Wohl bemüht. Während er in seinem Kaffee herumrührte, ließ er keinen Blick von ihr.
Sie verzichtete aber auch auf keine Gelegenheit seine Nähe zu suchen, stützte sich flüchtig auf seine Schulter, während sie den Brotkorb auffüllte.
Ihr Pullover rutschte dabei soweit hinauf, dass ein Streifen ihrer hellen Haut in Reichweite seines Mundes geriet.
Er zögerte zu lange. Seine Lippen hätten ohne Mühe die kleine Hautfalte an ihrer Hüfte erreicht.
„Ich habe mich heute Nacht sehr einsam gefühlt!“ klagte er stattdessen und versuchte, ihren Arm zu sich heranzuziehen. Aber sie entkam ihm.
„In Einzelzimmern geht es vielen hin und wieder mal so“, beruhigte sie ihn.
Dabei hatte sie sich aber hinter seinem Rücken an ihn herangeschlichen und ihre Lippen berührten fast sein Ohr, in das sie flüsterte.
„Das kommt davon, wenn man nicht rechtzeitig ein Doppelzimmer reserviert.“
Gerade als er mit beiden Händen zugreifen wollte, öffnete sich die Tür.
Ein magerer Bursche stapfte herein und brummte einen kaum verständlichen Gruß.
Dinahs Bruder griff nach einem Becher mit Kaffee, sammelte drei Brötchen ein und war schon wieder auf dem Weg zur Tür.
„So ist er“ rief sie ihm hinterher, „charmant, gastfreundlich und gesprächig wie der neue Futter-Automat!“ Sie wandte sich Herold zu.
„Der am Frühstückstisch bekommt aber auch nicht die Zähne auseinander.“
Herold überlegte, ob er sie nicht vielleicht doch schon viel besser kannte, als sie ahnte; er bot ihr als Vorschuss ein verführerisches Lächeln an.
„Du ärgerst dich doch nur, weil er jetzt glauben wird, dass du die Nacht mit mir verbracht hast!“ sagte er ihr auf den Kopf zu.
Und ... hatte ins Schwarze getroffen.
Diesmal war sie es, die im ersten Moment schwieg, dann aber umso temperamentvoller loslegte.
„Na, und wenn schon! Soll er’s doch glauben! Wir beide wissen’s besser! Da ist bisher doch noch gar nichts passiert!“
Herold sah an ihren Augen, dass sie bemerkt hatte, was beim letzten Satz schief gelaufen war.
„Stimmt!“ sagte er ruhig. „Ganz richtig! Noch nicht!“ Er stand auf.
„Bist du sicher, dass dein Bruder nicht vielleicht hellseherische Kräfte hat? Vielleicht schaut er nur eine weitere Nacht voraus!“
Sie stand mit dem Rücken zur Tür und stützte sich dort mit einer Schulter ab.
Als er zielstrebig auf sie zu ging, zögerte sie zuerst, tat dann einen Schritt auf ihn zu und wieder einen Schritt zurück, worauf er mitten im Raum stehen blieb.
Dinah hielt seinen Blick jetzt aus, setzte mehrmals zum Sprechen an und öffnete schließlich die Tür.
„Hab ich dir eigentlich schon das Haus gezeigt?“ sagte sie im plaudernden Tonfall der stolzen Gastgeberin.
Er antwortete nicht und sie reagierte so, als hätte er in überschwänglicher Begeisterung diese Einladung angenommen.
„Das Erdgeschoss kennst du ja schon ein wenig; dann beginnen wir am besten bei den Räumen oben.“
Auf dem Weg zur Treppe war sie ihm immer drei Schritte voraus und drehte sich erst am Treppenansatz zu ihm um.
„Soll ich vorausgehen?“ fragte sie ihn. Er schaute sie fragend an.
„Du wirst dich aber zu nichts hinreißen lassen!“ forderte sie ultimativ und lenkte seinen Blick hinunter auf das kurze Kleid, das ihre Hüften eng umspannte.
Ehe er eine Reaktion zeigen konnte, war sie ihm auf der Treppe schon einige Stufen vorausgeeilt. Es schien ihm so, als unterdrückte sie dabei erfolglos ein Kichern. Erst oben vor der Tür seines Gastzimmers trafen sie wieder zusammen.
„Das furchterregende Einzelzimmer kennst du ja schon, das lassen wir aus“, entschied sie, ohne auf seinen Versuch zu reagieren dem zu widersprechen. „Doppelzimmer interessieren dich ja sehr viel mehr.“
Sie führte ihn den Gang entlang und murmelte im Vorbeigehen:
„Bad, Vorratskammer, Wäscheschrank... “
Am Ende des Ganges öffnete sie die Tür zu einem größeren Raum, der in helle Farben getaucht war.
„Dieses Doppelzimmer überlassen wir unseren Gästen nur für besondere Anlässe.“
Herold wusste nur zu genau, dass sie sich mitten in Dinahs eigenem Zimmer befanden; es war genau so, wie er es sich gewünscht hätte: verspielt und selbstbewusst, geradlinig und überraschend. Und natürlich alles gleichzeitig!
„Bei welchen besonderen Anlässen brauchen denn deine Gäste im Doppelzimmer nur ein Bett?“ Er freute sich diebisch, und das schon im Voraus, denn gleich würde sie ihm eine Antwort schuldig bleiben, ganz sicher!
„Ach, ihr Städter seid aber auch völlig ahnungslos. Nicht mal die einfachsten Sachen wisst ihr mehr!“
Es war einfach nicht zu glauben! Hatte sie ihn entgegen aller Erwartung doch noch aufs Glatteis geführt? Diese wahnsinnige Frau hatte wohl immer noch ein As im Ärmel.
„Wahrscheinlich werde ich vor Langeweile sterben, wenn ich wieder wegfahre“, ging ihm durch den Kopf. „Aber wieso eigentlich sollte ich sie hier allein lassen?“
Zu alledem wollte sie ihn jetzt wohl auch noch zappeln lassen, nahm behutsam auf der Bettkante Platz und lud ihn mit einer Handbewegung ein, sich neben sie zu setzen.
„Schau!“ sagte sie. „Wenn die beiden eine Frau und ein Mann sind wie wir, die sich gegenseitig so sehr wollen, wüssten sie gar nicht, wozu ein zweites Bett gut sein soll, wenn man doch mit einem auskommt.“
„Stimmt“, dachte er, aber seine Gedanken überschlugen sich.
„Was philosophierte sie da über Männer und Frauen und Betten?“
„Oder“, sprach sie weiter und ihre Stimme war gleichzeitig viel leiser und doch sehr viel näher bei ihm, „oder meinst du wirklich, dass wir ein zweites Bett brauchen?“
Seine Verwirrung war so groß und seine Aufmerksamkeit so sehr geschwächt, dass er, ganz und gar überrumpelt, sich von ihr rücklings aufs Bett drücken ließ.
Sie schob sich mit ihrem warmen Körper so weit über ihn, dass ihre Wange an seiner Schulter lag und ihre Lippen die Flanke seines Halses wärmten.
Sie begann mit einer flüchtigen, zarten Berührung, drückte ihre Lippen zuerst sanft auf seine Kehle und fuhr dann fort seine Haut mit Beharrlichkeit zu küssen und zu streicheln.
Herold spürte ihre Hände auf seinen Rippenbögen und wusste, dass sie keine weitere Lust auf kluge Wortspielereien sondern auf Spiele hatte, an denen die Haut und auch der ganze Körper beteiligt waren.
Ihr fordernder und auffordernder Mund verlangte nach einer Antwort. Seine Hände griffen in das feste Fleisch ihrer Schenkel, verschoben den unteren Saum ihres Kittels. Dinah spürte durch den Stoff der Hose seine pralle Rute, die sich zwischen ihre Schenkel drängte, und flüsterte Unverständliches in sein Ohr.
Mit einer Körperdrehung balancierte er sie in die Mitte des Bettes, wo sie rücklings landete und voller Verlangen versuchte, ihn mit sich zu reißen.
Der sich von unten her öffnende Kittel machte ihm eine Bahn frei, auf der er sich mit seiner Zungenspitze, unterbrochen von einem Zwischenhalt am Bauchnabel, den freiliegenden Ansätzen ihrer Brüste näherte.
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