Als sich der Ausdruck seiner Augen merklich veränderte, wusste sie, dass Alain erst in diesem Moment die Intimität ihres Arrangements auf dem Sofa deutlich wurde.
Sofort ließ er sich auf den Teppich zurückgleiten.
„Ach wäre es schön, wenn ich mehr Französisch könnte“, bedauerte Sonja und begann interessiert in Alains Manuskriptbündel zu blättern.
„Zum Beispiel hier oder zum Beispiel dort, ich verstehe kaum etwas davon!“
Dabei blieb ihr Blick am Fuß einer Seite an aufregend aussehenden Worten hängen.
„Ja“, rief sie, „zum Beispiel dieses Wort hier. Wirkt wie ein Gebetsanfang, aber was heißt es bloß: c-a-j-o-l-e-r?“
Von unten her peilte er sie an, mit einer großen Portion Zweifel im Blick, ob sie ihn auf den Arm nehmen wollte.
„Darf ich?“ fühlte er vorsichtig vor, führte dann seine Hand sacht über ihren Unterarm, dessen feine Haare sich sofort aufrichteten. Sonja sah ihm zu und genoss es stumm.
„Das ist ‚cajoler’!“ erklärte er. „In Deutschland sagt man dazu ‚liebkosen’!“
Ein schneller Blick aus dem Augenwinkel zeigte ihr, dass er sich ganz auf ihren Arm konzentriert hatte; seine Hand ruhte warm auf ihrer Haut.
„Das gleiche bedeutet übrigens auch ‚caresser’!“ fuhr er fort.
Dabei glitten seine Fingerspitzen am Ellbogen entlang ihren Oberarm hinauf.
Wie im Reflex zuckte seine Hand zurück; wieder war sich Alain bewusst geworden, dass er sich allzu bereitwillig von seinen Wünschen und Impulsen vorantreiben ließ.
Und er murmelte: „Pardon. Je m’excuse!“
Er wusste ja nicht, dass ihr gesamter Körper sich in Aufruhr befand, nicht allein durch seine zärtlichen Berührungen, sondern auch durch den Klang seiner Stimme.
Sie traute sich nicht, die Wünsche auszusprechen, die in diesem Moment durch ihren Kopf wirbelten.
„Mach weiter“, dachte sie. „Hör jetzt nicht auf“, beschwor sie ihn stumm.
„Es ist mir gleich, ob du dazu ‚cajoler’ oder ‚caresser’ sagst!“
Es gab eben noch sehr viele Stellen ihres Körpers, wo sie sich die Berührung seiner Fingerspitzen und seiner Hände herbeisehnte.
„Ich lerne sehr schnell“, behauptete Sonja, während sie sich an seinen Ellbogen festhielt.
„D’abord tu me cajole, puis tu me caresse et enfin tu fais l’amour avec moi, richtig? Oder?“
„Richtig!“ nickte er. „Völlig richtig !“ Seine Augen signalisierten gleichzeitig Unruhe und Konzentration.
„Was hat sie da jetzt gesagt?“ rätselte er. „Hat sie damit wirklich sagen wollen...?“
„Ich glaube mein Französisch ist doch noch nicht verständlich genug!“ unterbrach sie sein Grübeln und rückte an ihn heran, bis ihr Arm seinen Rücken fassen konnte.
„Besonders für dich ist es noch nicht verständlich genug!“ wurde sie jetzt noch deutlicher. Aber da hatte sie auch schon den anderen Arm um ihn geschlungen, sodass alle Quellen des Missverständnisses mit einem Schlag versiegten.
„Gib zu, dass du heimlich Französisch geübt hast!“ forderte Alain Sonja auf.
Da lag er rücklings auf dem Teppich, von den Haarspitzen bis zu den Schuhsohlen zugedeckt von einer Frau, die entschlossen war, nichts an ihm unentdeckt zu lassen.
„Eine schrecklich alberne Sprache, findest du nicht?“ nuschelte sie mühevoll, da sie zwischendurch ihre Zunge mit Alains Brustwarzen und den Haaren darüber bekannt machte.
Alain setzte sich vorsichtig auf, bis sie mit gespreizten Schenkeln auf seiner Mitte hockte.
„Hast du die Szene aus deiner neuen Geschichte eigentlich schon fertig geschrieben?“ fragte er, während er sich ihren Mund zurechtlegte, um dort gleich eine Expedition zu starten. „Du weißt welche? Die im Bad!“
„Musst du ausgerechnet jetzt so viel reden?“ dachte sie noch und kam sofort zu ihrem Vorschlag, der so nahe lag.
„Ich hab die Szene vom Bad auf den Teppich verlegt! Ist dir nicht auch schon die Idee gekommen, dass wir schon mitten in der Hauptszene sind?“
Da er mittlerweile damit beschäftigt war, mit den Lippen die salzig gewürzte Haut zwischen ihren Brüsten zu kosten und dabei war, diese aus ihrer Umhüllung zu befreien, sah sie ein, etwas spät dran zu sein mit ihrer Frage.
Sonja lachte auf.
„Du weißt doch noch gar nicht, was da alles vorkommt!“
Für einen Moment unterbrach er alle Zuwendungen, die er Sonja mit Händen, und Lippen zukommen ließ, und versprach:
„Warte nur ab! Ich lass mir etwas besonders Schönes einfallen!“
I.
Wer hatte ihm noch diesen fantastischen Tipp gegeben? Eine grandiose Abkürzung über die Dörfer! 10 Kilometer gespart!
Herold trat fluchend auf die Bremse. Auch wenn er sich im Verdacht hatte, die entscheidenden Hinweisschilder übersehen zu haben. Eher wurde er sich immer sicherer, dass es hier gar keine Hinweisschilder mehr gab.
Ein Wunder, dass die Straße nicht plötzlich endete, vielleicht an einem pompösen Hinweisschild: Hier entsteht im kommenden Jahr ein weiteres Stück Straße!
Und dann noch dieser ununterbrochene Schnürregen, der heute den letzten Rest Tageslicht am frühen Abend auch noch verschluckte.
Mach ich schon die Scheinwerfer an oder warte ich noch?
An der Ortsausfahrt gab er Gas zur Geradeausfahrt und spürte plötzlich, wie die Wegstrecke rumpelig wurde; er sah gerade noch, dass er auf tief eingefahrene Spuren zusteuerte, und blieb abrupt stecken.
„Willkommen in der Hölle“, dachte sich Herold, „das konnte ja nun wirklich nicht die Hauptverkehrsstraße sein.“
Ein Blick aus dem Fenster machte ihm klar, dass er im größten Schlammloch weit und breit gelandet war. Ein Desaster, eigentlich ein erstklassiger Grund für ultimative Panik, - aber ihm gingen mit zunehmender Erheiterung die lustigsten Sprachbilder durch den Kopf: versackt sein, tief im Dreck stecken, bis zum Kopf im Schlammassel stecken.
Er schätzte ab, ob es intelligenter wäre, im Wagen sitzen zu bleiben, bis eine lange Trockenperiode ihm freie Fahrt verschaffte oder mit den Beinen die Tiefe dieser Schlamm-Einöde zu vermessen und die Umgebung zu erkunden.
Das schmatzende Geräusch beim Öffnen der Wagentür verriet ihm, dass er wohl auch im Inneren des Wagens nicht länger auf Schmutzbrühe und Schlamm verzichten brauchte. Da stieg er doch lieber gleich aus, schließlich trug er ja Stiefel.
Danach konnte er die Tiefe des Schlammloches schon wesentlich genauer bemessen; das Wasser lief ihm von oben in den Stiefelschaft und der maß knapp 50 Zentimeter Höhe.
Eine Bestätigung dieser ersten Schätzung erhielt er sogleich, da er beim ersten Schritt ausrutschte und auf dem Grund der Riesenpfütze zu sitzen kam.
Fluchen oder lachen: Die Entscheidung fiel ihm nicht so schwer, wie er vermutet hatte. Der Vorrat an guter Laune aus der ersten Tageshälfte schien immer noch nicht aufgebraucht.
II.
Dinah war mit dem Traktor auf dem Heimweg und zuckelte die letzten hundert Meter auf den Ortseingang zu. Nicht das erste Mal im Lauf des Nachmittags verhedderte sich ihre Hose am Schalthebel, als sie eine ungeschickte Bewegung machte.
Vielleicht sollte sie sich für die verbleibenden Wochen doch noch eine grobe Hose in ihrer Größe besorgen, statt sich mit den ausgeliehenen Mordssäcken von Trainingshosen zu behelfen, die der große Bruder ihr überlassen hatte.
Die Ortseinfahrt war erreicht; flüchtig warf sie einen Blick nach rechts, wo der Feldweg zu den mittlerweile abgesoffenen Feldern abzweigte; als Erstes fiel ihr ein großer roter Fleck ins Auge.
Ein roter Fleck in einem Tümpel? Sensationell für diese ereignisarme Gegend;
Читать дальше