Dann drehte er sich um.
„Omar, was gibt es sonst noch zu berichten?“
Dr. Evans war entlassen. Sie drehte sich um und ging mit der Wache wieder in ihr Quartier.
„Und was hat er gesprochen? Hat er Sie gleich angeschrien?“, fragte Dr. Meier.
„Nein wieso sollte er? Ich habe den Schlüssel und werde vor dem Abendessen abgeholt.“
Sie staunten nicht schlecht.
„Und wer gibt ihm noch die letzten Ratschläge und die Tablette?“
„Das mache ich! Was macht Ihr Euch denn so viele Sorgen?“, fragte Dr. Evans belustigt und ging in ihr Zimmer.
Etwas später holte sie eine Wache ab und brachte sie zum Operationsaal. Sie hatte aber leider vergessen zu sagen, dass sie ja auch Eimer und Wasser benötigte. Die Wache zeigte ihr eine Tür, die sie ebenfalls mit dem Schlüssel aufschließen konnte. Und darin befand sich alles, was sie brauchte. Desinfektionsmittel hatte sie sicherheitshalber dabei. Eva schloss auf und hinter sich wieder zu, damit kein Unbefugter eintreten konnte. Sie machte alles sehr gründlich sauber und war pünktlich zum Abendessen fertig.
Man erwartete Dr. Evans schon. Zwei Frauen brachten sie in einen Raum, wo sie sich vorher noch baden konnte. Das war sehr weise von dem Sultan. Nur hatte Eva jetzt ihr Kleid nicht dabei. So musste sie noch mal zurück in ihr Zimmer. Das passte Omar zwar nicht, der sie abholte, aber es war eben notwendig. Sie zog sich rasch um und trug jetzt unter dem Kaftan ihr Kleid. Ihre Schuhe und die Tablette für den Sultan musste sie noch mitnehmen. Eva wickelte alles in ein Tuch. Dann durfte Omar sie zum Sultan bringen. Die beiden anderen Ärzte wunderten sich nur darüber. Der Sultan war sehr enttäuscht, als er sie im Kaftan sah. Er schickte Omar weg, der nicht gerne ging. Ihn immer mit dieser Frau alleine zu lassen, gefiel ihm nicht.
„Habe ich dich nicht um etwas gebeten?“, fragte er sofort böse.
„Herr Sultan, wie sähe das aus, wenn der Arzt - ihr Arzt - in Frauenkleidern, noch dazu in westlichen, durch ihre Gänge geht?“, fragte Dr. Evans dagegen.
Da hatte sie auch wieder recht.
„Bevor wir zum gemütlicheren Teil kommen“, denn sie hatte schon das Essen gesehen, „muss ich Ihnen noch etwas erklären und geben.“
Eva wartete seine Reaktion ab. Er deutete mit der Hand an, dass sie weitersprechen konnte.
„Ich habe hier noch eine Tablette, die müssten Sie heute Abend vorm Einschlafen nehmen, damit Sie ruhiger schlafen. Und morgen wird ihnen Dr. Weck noch eine Beruhigungstablette geben, zwei Stunden vor der OP. Wir haben sie für 10 Uhr angesetzt, also um 8 Uhr. Und Sie dürfen natürlich auch nichts frühstücken. Dr. Weck wird Ihnen noch ein OP-Hemd geben und ich würde Sie bitten, das anzuziehen. Sie können dann den Kaftan darüber anziehen und so in den OP gehen. Vor der Tür ihn dann bitte wieder ausziehen. Also heute nach dem Essen bitte nichts mehr speisen und keinen Alkohol trinken. Das wäre vorläufig alles. Sollte noch etwas sein, bitte die Anweisungen von Dr. Weck befolgen. Er macht das dann auf meine Anweisung. Und … er ist so schon nervös genug, bitte machen Sie es nicht noch schlimmer. Ich brauche einen ruhigen Arzt.“
Sie legte die Tablette, die sich in einer Schachtel befand, auf den Tisch zu ihrer rechten.
„Ich werde den Anweisungen folgen, die Sie mir gegeben haben. Und sind Sie nicht nervös wegen morgen?“
„Nein heute noch nicht, erst morgen. Darum komme ich auch nicht selber und hole Sie ab. Ich muss mich vorbereiten und konzentrieren.“
Das leuchtete ihm ein. Er hatte ihrer Stimme zugehört, was sie sprach war zweitrangig. Er hörte gerne ihre Stimme. Er wird sie vermissen, das wusste er jetzt schon.
„Sind wir dann mit dem offiziellen Teil fertig?“, fragte er.
„Ich schon, außer Sie wollen noch etwas wissen.“
„Ich würde gerne etwas wissen, aber auf das haben nicht mal Sie eine Antwort.“
Sie wusste, was er meinte. Er deutete ihr an, dass sie sich setzen sollte. Doch sie blieb stehen.
„Wieso bleibst du stehen?“
„Ich muss ja noch Ihrer Bitte nachkommen.“
Er sah sie zuerst verwirrt an. Dann nahm sie den Turban ab und ihre dunklen lockigen Haare fielen ihr bis über ihre Schultern. Dann wickelte sie aus dem Tuch Ihre Schuhe und zog sie statt der Sandalen an. Zum Schluss zog sie den Kaftan über ihren Kopf. Dann stand sie mit ihrem weiß-roten Petticoat Kleid vor ihm. Er starrte sie nur an. Auf das war er jetzt nicht mehr gefasst gewesen. Sie fand zuerst die Sprache wieder.
„Haben Sie sich so etwas gewünscht?“
„Ja meine Blume und du siehst auch wie eine Blume aus.“
„Wieso nennen Sie mich immer Blume.“
„Weil du eine Blume bist und ich weiß noch keinen Namen für dich.“
Er kam auf sie zu, nahm ihre Hand und küsste sie. Dann brachte er sie zum Tisch und konnte kaum seine Augen von ihr abwenden.
„Ich heiße mit Vornamen Eva“, sagte sie.
„Nein, du brauchst einen arabischen Namen. Aber ich kann mich nicht entscheiden, welchen Namen ich meiner Blume geben soll.“
„Jasmin ist eine Blume.“
„Nein, du bekommst deinen eigenen. Wir werden ihn schon finden bis zur Hochzeit. Und du wirst vorher noch reiten lernen müssen.“
Jetzt sah Eva ihn verwirrt an.
„Wieso muss ich reiten lernen?“
„Das erfährst du, wenn es so weit ist. Und jetzt wollen wir noch den Abend genießen.“
Dann speisten sie und es wurde nicht mehr von der OP gesprochen. Er erzählte ihr, wie sein Tag aussah, was er so machen musste, für was er verantwortlich war usw. Denn diesmal bat sie ihn darum, von sich zu erzählen.
„Bitte lenken Sie mich von den Gedanken an die OP ab.“
Er tat es gerne und brachte sie dann wieder in ihr Quartier zurück. Die Wache blieb draußen und er ging noch kurz mit hinein. Die anderen Ärzte schliefen schon. Es war schon nach Mitternacht.
„Bitte sage nur einmal meinen Namen, ich will ihn einmal aus deinem Munde hören und dann morgen in der Narkose davon träumen und auch heute schon.“
„Aber Herr Sultan von Karisi, das mache ich doch die ganze Zeit.“
„Nein, nenne mich beim Vornamen, bitte.“
„Und der wäre?“
Sie wusste nicht wie er mit Vornamen hieß, man sagte immer Sultan oder Sultan von Karisi.
„Kasim 5, meine Blume.“
„Gute Nacht Kasim und träume von mir.“
Es hörte sich wundervoll an aus ihrem Mund.
„Gute Nacht meine Blume und schlafe gut.“
Dann küsste er sie rasch und ließ sie auch sogleich wieder los. Er drehte sich um und verschwand. Eva stand da und wusste nicht, hatte sie geträumt?
„Kasim“, sagt sie für sich und ging auch schlafen. Es würde noch ein harter Tag werden.
Die OP
Am nächsten Morgen waren alle sehr geschäftig unterwegs. Dr. Weck ging zum Sultan und brachte ihm den OP-Kittel und die Tablette. Nach der gestrigen Tablette hatte er die letzte Nacht gut geschlafen. Er tat alles, was die Ärzte sagten bzw. was sie ihm schon gesagt hatten. War etwas anders, fragte er sofort nach. Dr. Weck brachte ihn dann auch später in den Operationsaal, so wie Dr. Evans gesagt hatte. Eva sah er nirgends. Dr. Weck bat ihn, sich auf den OP-Tisch zu legen. Dann legte er ihm ein Tuch auf den Bauch und hängte ihm am Arm die Narkose an. Dann bat er ihn, von 100 an rückwärts zu zählen. Er fing auf Arabisch zu zählen an. Das war ihm egal. Denn nach ein paar Sekunden war er sowieso im Traumland.
Dr. Meier holte Dr. Evans aus dem Nebenraum. Die Tür war zugesperrt und so konnte sie keiner mehr stören. Die Operation verlief komplikationslos. Sie brachten ihn dann in den Nebenraum und Dr. Evans überwachte alles ganz genau. Sie wusste oder hoffte, er würde bald aufwachen und dann sollte er sie als erstes sehen. Dr. Weck putzte und räumte schon den OP-Saal auf. Er verabschiedete sich und ging. Eva sperrte sofort zu. Sie brauchte und wollte keinen hier haben. Nicht mal im Aufwachraum. Die Wache blieb vor der Tür. Die passte draußen auf, sie drinnen. In fünf Stunden würde Dr. Meier sie ablösen. Eva hoffte, er würde in der Zwischenzeit die Augen öffnen. Und wirklich - nach drei Stunden wurde er kurz wach. Er sah sich zuerst verwirrt um und hatte Durst. Sie benetzte ihm seine Lippen mit Wasser. Dann erst erkannte er Eva.
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