1 ...7 8 9 11 12 13 ...20 Ehe ich mich versah schossen wir auf eine weite Straße hinaus. Der Fahrtwind rauschte um meine Ohren, welche unter dem höllischen Lärm des Zentrums im Nachhinein zu explodieren drohten.
„Wir steuern am besten gleich Ras El-Sudr an. Dort bekommen wir etwas zu essen und zu trinken. Die Fahrt dauert allerdings ein paar Stunden.“ Aleandro brüllte über den Fahrtwind hinweg. Professor Bachmann schien ein gutes Hörvermögen zu besitzen, denn obwohl ich kaum die Worte unseres Fahrers verstanden hatte, brüllte der Akademiker seine Zustimmung über meinen Kopf hinweg zurück. Zufrieden eingekeilt zwischen den beiden Männern, ergab ich mich dem Tosen des Fahrtwindes und schlief gleich darauf ein.
Mein Schlaf war traumlos und viel zu kurz. Ruckartig schoss ich aus den Tiefen des Schlummers heraus, ohne zu wissen, was oder wer mich aus dem Schlaf gerissen hatte. Blinzelnd suchte ich nach Orientierung. Ein Geräusch? Eine Person? Angst? Verwirrt sah ich mich um. Mein Herz raste wie wild, während die sengende Hitze der Wüste mir den Krieg erklärte. Stöhnend schloss ich die Augen und versuchte, mich zu erinnern.
„Wir sind an einer Raststätte nicht unweit von Ras El-Sudr. Jetzt gibt’s Essen!“
Verstört blickte ich den Mann neben mir an. Aleandro! „Oh, Gott, mein Kopf!“
„Möchtest du etwas gegen die Schmerzen?“
„Nein, es geht schon.“ Der Brasilianer half mir beim Aussteigen. „Wo ist der Professor?“
„Er bestellt gerade das Essen.“
Unsicher einen Fuß vor den anderen setzend, folgte ich torkelnd meinem neuen Führer durch die sengende Glut. „Man! Ist das heiß! Es fühlt sich an, als hätten wir 50 Grad.“
„Nicht ganz, es dürfte so um die 45 sein. Keine Sorge, heute haben wir absoluten Temperaturrekord. In der Nähe des Meeres ist es normalerweise nicht so heiß, meist liegt das Thermometer knapp unter vierzig Grad.“ Er führte mich über den siedend heißen Sand auf eine Holzterrasse eines alten herunter gekommenen Restaurants.
Beinahe enttäuscht schweifte mein Blick über die sandfarbene Terrasse. Keine Palmen, keine romantischen ägyptischen Sonnendächer oder sonst irgendwelcher tausendundeine Nacht Flair. Nur Hitze, Sand und noch mehr Sand. Das war nicht das Ägypten, welches ich aus meinen Träumen kannte. Statt exotisch in eine fremde Welt entführt, fühlte ich mich in einen einsamen Westernfilm mit verwaisten Farmen versetzt. Vor meinem inneren Auge sah ich schon rollende Steppenläufer vorbeiziehen. Die zwei Stufen auf die Terrasse hätten sich beinahe als ein unüberwindbares Hindernis in der Hitze herausgestellt. Doch Aleandro reichte mir helfend seine Hand und führte mich zum nächsten freien Platz. Stöhnend plumpste ich in einen laut knarrenden Korbsessel. Ein wackliger Korbtisch stand vor mir.
Der Brasilianer setzte sich mir gegenüber. „Enttäuscht?“
Obwohl dem so war, schüttelte ich stumm meinen Kopf. Kurz darauf erschien der Professor und stellte uns eiskaltes Wasser vor die Nase.
Überrascht starrte ich auf das kühle Nass. „Ich dachte immer, dass man wegen den fremden Keimen und Bakterien kein offenes Wasser in heißen Ländern trinken soll. Heißt es nicht, dass man davon krank wird?“
„Das gilt für Touristen, die für ein oder zwei Wochen bleiben und wieder gesund nach Hause möchten. Besser Sie gewöhnen Ihren Magen an die arabische Esskultur. Immerhin müssen Sie hier mehrere Wochen verbringen.“
„Was gibt’s zu essen?“
Ein leises Schnauben ging seinen Worten voran. „Keine Ahnung, bei den Ägyptern weiß man das nie so recht.“
„Das hört sich nicht gerade sehr vielversprechend an.“
Aleandro lachte. „Hier draußen gibt es keine Speisekarten, nur in den großen Städten. Außerhalb wird gekocht, worauf der Koch gerade Lust hat. Zwei, drei Gerichte und damit hat sich der Fall erledigt.“
„Auf was kann ich mich einstellen? Schlangensuppe? Kamelaugen?“
„Kann es sein, dass du zu viel Asterix gelesen hast?“
„Nein, zu viel Camel-Werbung gesehen.“
Aleandro blinzelte verwirrt, aber dann brach er in dunkles Gelächter aus.
Es gab tatsächlich eine Camel-Werbekampagne in der gezeigt wurde, wie ein Araber genießerisch Kamelaugen verspeiste. Ich habe nie richtig begriffen, wie ein kamelaugenessender Orientale den Menschen das Rauchen schmackhaft machen sollte.
Der Professor schüttelte amüsiert seinen Kopf und zog sein Glas zurück, um dem Kellner Platz zu machen, der gerade aus dem Lokal heraustrat. Wenigstens sah der Ägypter wie ein Ägypter und nicht wie ein Cowboy aus. Es wurden drei dampfende Schüsseln sowie ein großer Korb mit Fladenbrot auf den Tisch gestellt. Der Kellner verschwand ebenso rasch, wie er gekommen war. Misstrauisch beäugte ich den Inhalt der Gefäße. In einer schwammen Fleischbällchen in Tomatensoße, in einer anderen häufte sich undefinierbares Gemüse, während die dritte Schüssel Reis beherbergte.
Erstaunt sah ich den Professor an. „Ich hatte mich auf das Schlimmste gefasst gemacht. Ich glaube kaum, dass es an diesem Essen etwas zu beanstanden gibt.“
Der Professor lächelte mir geheimnisvoll zu, während er sich großzügig aus den Schüsseln bediente. Aleandro folgte mit herzhaftem Appetit dessen Beispiel. Das Essen türmte sich in seiner Schale bedenklich, so dass akute Einsturzgefahr bestand. Verwirrt blickte ich zwischen ihren beiden Schüsseln hin und her. „Bekommst du im Lager nichts zu essen?“
„Als unser Chef fort war, hatte Justin die Herrschaft über den Proviant inne. Es hat sich herausgestellt, dass er weitaus geiziger veranlagt ist als unser hochgeschätzter Professor.“ Mit großem Genuss löffelte er das Essen in sich hinein. Irgendetwas klopfte mahnend in mir an, dass es besser war abzuwarten wie der Brasilianer auf das Essen reagieren würde. Ich studierte jede Regung in seinem Gesicht. Außer Entzücken konnte ich nichts entdecken. Also schaufelte ich mir ebenfalls eine beachtliche Portion in meine Schale.
„Nun verlange ich eine Erklärung, Aleandro! Warum ist unser Gegengift aus? Hat euch eine Schlangenhorde im Lager überfallen?“, fragte Bachmann, während er sich etwas Reis auf sein Fladenbrot streute.
„Nicht die Schlangen uns, sondern wir die Schlangen. Wir haben in der Decke der zweiten Kammer eine lose Steinplatte entdeckt.“ Aleandro schob sich ein Fleischbällchen in den Mund. Er machte sich nicht die Mühe das Essen runterzuschlucken, bevor er weitersprach: „Justin hatte uns mit schussbereiter Kamera zugesehen, als wir die Platte losgehebelt haben. Dabei ist ihm ein Schlangenkopf aufgefallen, der sich zwischen die Ritzen schob. Er schrie uns noch irgendetwas Unverständliches zu, dann ergoss sich ein wahrer Schlangensegen über uns. In letzter Sekunde hat Justin mich und Joseph zur Seite gestoßen. Ein paar Schlangen haben die beiden und Nagib erwischt. Justin wurde zweimal gebissen, Joseph einmal und Nagib sogar viermal. Dieser verlor beinahe augenblicklich die Besinnung. Wir mussten ihn beatmen und die dreifache Dosis an Serum injizieren. Es hätte nicht viel gefehlt und er wäre gestorben. Ein Hubschrauber hat ihn ins Krankenhaus geflogen. Bis jetzt ist er noch nicht aufgewacht. Joseph geht es wieder gut. Er hat sogar noch am selben Tag die Schlangen ausgeräuchert. Seitdem haben wir keine einzige mehr gesehen. Es ist, als würden sie die Stätte ihrer Niederkunft meiden.“
Entsetzt starrte ich auf den Brasilianer. Wie konnte er sich nur so unbekümmert das Essen einverleiben, während er von so grauenvollen Dingen erzählte? Ein Schauer schoss über meinen Rücken. Ob es eine so gute Idee gewesen war hier her zu kommen? Ohne es verhindern zu können, schob sich das Bild einer sich windenden fauchenden Schlange vor mein inneres Auge. Meine Kopfhaut begann zu kribbeln.
Der Professor selbst hatte allerdings ganz andere Sorgen. Seine Beunruhigung war deutlich herauszuhören. „Was ist mit Justin. Wie geht es ihm?“
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