1 ...7 8 9 11 12 13 ...23 53
Exkurs/Vertiefung:
Unabhängig von etwaig bestehenden Unterhaltsausschlussgründen i.S.d. § 1579, dürfte ein Ausschluss oder eine Reduzierung nach § 1579 1. Hs. ohnehin nur vorgenommen werden, wenn dennoch die Belange des beim Berechtigten lebenden gemeinschaftlichen Kindes gewahrt bleiben. Bei der nach § 1579 1. Hs. vorzunehmenden Billigkeitsabwägung zwischen den Interessen des Unterhaltspflichtigen und denen des gemeinsamen Kindes, stellt die Sicherstellung der ausreichenden Kinderbetreuung ein mit Vorrang zu behandelndes Moment dar[42], wobei eine unzulässige Beeinträchtigung der Kindesbelange i.d.R. vorliegt, wenn der/die Berechtigte aufgrund der Unterhaltsreduktion selbst arbeiten muss und sich deswegen nicht mehr ausreichend um das Kind kümmern kann oder wenn zur Deckung des eigenen Existenzminimums der Unterhalt des Kindes mit eingesetzt werden muss[43].
4. Vertraglicher Ausschluss i.S.d. § 1585c bzw. Ausschluss i.S.d. § 1586
54
Ein vertraglicher Ausschluss nachehelicher Unterhaltsansprüche, der nach § 1585c grundsätzlich möglich ist, wurde zwischen J und M nicht vereinbart.
Exkurs/Vertiefung:
Um künftige Unterhaltsstreitigkeiten möglichst zu vermeiden, muss die nacheheliche Unterhaltsvereinbarung gemäß § 1585c seit dem 1.1.2008 notariell beurkundet sein oder in Form eines gerichtlich protokollierten Vergleichs i.S.d. § 127a BGB abgegeben werden. Zu beachten ist zudem, dass ein vertraglich vereinbarter Unterhaltsverzicht gegen § 138 verstoßen und damit unwirksam sein kann[44].
Ein Ausschlussgrund nach § 1586 aufgrund von Wiederheirat oder Tod ist hier ebenfalls nicht gegeben[45].
55
Exkurs/Vertiefung:
In Klausuren kann insbesondere auch die Tatsache relevant werden, dass die Geltendmachung von Unterhalt für die Vergangenheit grundsätzlich nicht möglich ist (in praeteritum non vivitur). Anders ist es bei Sonderbedarf i.S.d. §§ 1585b I, 1613 II oder, wenn der Verpflichtete zum Zwecke der Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs aufgefordert worden ist, über seine Einkünfte und sein Vermögen Auskunft zu erteilen oder wenn er in Verzug ist bzw. der Unterhaltsanspruch rechtshängig geworden ist, §§ 1585b II, 1613 I.
VI. Art der Unterhaltsgewährung
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Gemäß § 1585 ist der Unterhalt monatlich im Voraus durch eine Geldrente zu zahlen.
57
J hat folglich gegen M einen Anspruch auf nachehelichen Unterhalt nach den §§ 1569 ff. Zur Ermittlung des Unterhaltsanspruches besteht gemäß § 1580 eine Auskunftspflicht.
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Exkurs/Vertiefung:
Ein Auskunftsanspruch wird üblicherweise im Wege einer Stufenklage (§ 254 ZPO) mit der Klage auf Unterhaltsleistung verbunden und die wertmäßige Anspruchsbezifferung wird bis zur Rechnungslegung vorbehalten[46]. Um das Unterhaltsverfahren zu beschleunigen, wurde mit Wirkung zum 1.9.2009 in § 235 II FamFG die Pflicht des Gerichts normiert, unter bestimmten Voraussetzungen anzuordnen, dass Antragsteller und Antragsgegner Auskunft über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie ihre Einkünfte und ihr Vermögen erteilen müssen[47].
B. Anspruch der J gegen M auf Zugewinnausgleich i.S.d. § 1378 i.V.m. §§ 1372 ff.
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Darüber hinaus könnte J gegen M nach der Scheidung auch ein Anspruch auf Zugewinnausgleich gemäß § 1378 i.V.m. §§ 1372 ff. zustehen. Sinn und Zweck des Zugewinnausgleichs ist es, der Tatsache Rechnung zu tragen, dass der erhöhte Erwerb des einen Ehegatten zumeist erst durch die Arbeitsteilung in der Ehe ermöglicht oder zumindest gefördert worden ist[48].
60
Exkurs/Vertiefung:
Durch das Gesetz zur Änderung des Zugewinnausgleichs- und Vormundschaftsrechts vom 6.7.2009[49] wurde das BGB mit Wirkung zum 1.9.2009 dahingehend geändert, dass nunmehr im Rahmen des Zugewinnausgleichs der Abbau von Schulden während der Zugewinngemeinschaft berücksichtigt wird und für die tatsächliche Höhe des Zugewinnausgleiches die Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages maßgeblich ist. Durch die Änderung des Stichtages soll verhindert werden, dass die Eheleute ihr Vermögen zu Lasten des Partners verringern.
Ein Anspruch auf Zugewinnausgleich setzt voraus, dass zwischen J und M eine wirksame Ehe bestanden hat, was oben bereits festgestellt wurde und sie im Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt haben.
I. Vorliegen einer Zugewinngemeinschaft
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Gemäß § 1363 leben die Ehegatten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft, sofern sie nicht durch einen formbedürftigen Ehevertrag i.S.d. §§ 1408, 1410 eine abweichende Vereinbarung getroffen haben.
62
Exkurs/Vertiefung:
Im LPartG, das am 1.8.2001 in Kraft getreten ist, war zunächst vorgesehen, dass gleichgeschlechtliche Paare, die eine eingetragene Lebenspartnerschaft eingingen, eine Erklärung darüber abgeben mussten, welchen Güterstand sie eingehen wollten. Die Entsprechung zum Güterstand der Zugewinngemeinschaft hieß: Ausgleichsgemeinschaft. Mit Wirkung zum 1.1.2005 wurde die Rechtslage im Lebenspartnerschaftsgesetz entsprechend angepasst, so dass die Zugewinngemeinschaft auch der gesetzliche Güterstand der eingetragenen Lebenspartner:innen wurde, vgl. § 6 LPartG. Seit dem 1.10.2017 ist die Eingehung einer Ehe auch für gleichgeschlechtliche Paare möglich, so dass für alle Ehepaare das eheliche Güterrecht i.S.d. §§ 1363 ff. Anwendung findet, vgl. dazu auch Rn. 99.
Die Eingehung einer Lebenspartnerschaft ist seit dem 1.10.2017 nicht mehr möglich, so dass das LPartG zunehmend an praktischer Bedeutung verlieren wird.
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Da J und M keine abweichende ehevertragliche Regelung getroffen haben, ist für sie der Güterstand der Zugewinngemeinschaft einschlägig.
64
Exkurs/Vertiefung:
Es steht den Ehegatten frei, unter Einhaltung der Form des § 1410, jederzeit durch Vereinbarung den Zugewinnausgleich ganz oder teilweise auszuschließen oder in den Grenzen des § 1409 eine von der gesetzlichen Regelung abweichende Modalität festzulegen und z.B. bestimmte Vermögenskomplexe oder Erträge aus der Berechnung herausnehmen.
II. Beendigung zu Lebzeiten
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Des Weiteren müsste dieser Güterstand zu Lebzeiten beendet worden sein („anders als durch den Tod eines Ehegatten“, § 1372). Dies wird hier nach der Scheidung der Ehe gegeben sein.
III. Zugewinnausgleichsforderung
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Gemäß § 1378 I beträgt die Ausgleichsforderung die Hälfte der Differenz zwischen dem Zugewinn des Anspruchsgegners und dem Zugewinn des Anspruchstellers, wobei der Zugewinn nach § 1373 die Differenz zwischen End- und Anfangsvermögen darstellt[50].
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Exkurs/Vertiefung:
Während vor der Gesetzesänderung das Anfangsvermögen nicht negativ sein konnte, sondern mit Null angesetzt wurde, wenn die bestehenden Verbindlichkeiten das Aktivvermögen überstiegen (vgl. § 1374 I a.F.), gilt dies seit dem 1.9.2009 nicht mehr, vgl. § 1374 III, der bestimmt, dass Verbindlichkeiten über die Höhe des Vermögens hinaus, abzuziehen sind.
Nach bis dato geltendem Recht wurde derjenige Ehegatte benachteiligt, der im Laufe der Ehe die Verbindlichkeiten des anderen Ehegatten tilgte und zusätzlich eigenes Vermögen aufbauen konnte, da nicht nur die Schuldentilgung auf Seiten des anderen unberücksichtigt blieb, sondern zudem das eigene Vermögen, soweit es den Zugewinn des Partners überstieg, hälftig geteilt wurde.
Auch nach der Gesetzesänderung verbleibt es jedoch dabei, dass Vermögen, das ein Ehegatte nach Eintritt in die Zugewinngemeinschaft von Todes wegen oder mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht durch Schenkung oder als Ausstattung (vgl. § 1624) erworben hat, keine Zugewinnausgleichsansprüche auslösen soll. Dies wird dadurch erreicht, dass dieses Vermögen – obschon nach der Eheschließung erworben – noch dem Anfangsvermögen hinzugerechnet wird, vgl. § 1374 II.
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