Ich benutzte meine Sicht ohne die Rüstung. So nah an der bewussten Stelle brauchte ich sie nicht. Der Schwachpunkt hing direkt über uns in der Luft, fremde magische Kräfte wirbelten ihn wie einen Vortex herum. Unsere Annäherung hatte ihn irgendwie aktiviert; vielleicht war es mein Torques oder auch die Änderungen, die Blue an seinem Torques vorgenommen hatte. Das Portal formte sich, wurde solider und zog uns an. Allein seine Anwesenheit hier in unserer Welt war genug, um die Wetterbedingungen zu ändern. Je näher wir dem Ding kamen, desto mehr konnte ich sehen und desto weniger mochte ich es. Das hier war nicht einfach nur eine Schwachstelle oder eine natürliche Öffnung. Jemand hatte hier eine anständige Tür geformt und immer einen Spalt offen gehalten; entgegen allen Kräften dieser Welt, sich selbst zu heilen. Jemand wollte, dass diese Tür benutzt wurde.
Eine wachsende Spannung erfüllte die Kabine der Straße der Hoffnung, je näher wir dem Portal kamen. Wir alle konnten es fühlen: eine grundsätzliche Störung in Tonus und Schwingung der Welt, die uralte atavistische Instinkte weckte und an unseren Seelen kratzte. Die Spannung wurde schlimmer, wie das Damoklesschwert, das über unseren Köpfen hing, wie eine Gefahr, auf die wir zeigen, aber die wir nicht identifizieren konnten. Ich fühlte mich, als ginge ich die letzten Meter zu meiner Hinrichtung. Das musste man Honey lassen: Sie zuckte nicht mit der Wimper, wechselte nicht den Kurs und verlangsamte auch nicht unsere Annäherung.
Ich konnte das Portal über uns in der Luft hängen sehen. Es wartete auf uns und zog uns mit böser Absicht an. Ein Zusammenspiel von Kräften, als ob jemand mit einer gewaltigen Hand Raum und Zeit genommen und sie irgendwie gedreht hätte. Und je näher ich kam, desto mehr realisierte ich, dass das nicht unbedingt ein echtes Tor war, sondern eher ein potenzielles Tor. Deshalb hatte meine Familie hier auch nie eines vermutet. Es war nicht fest genug, um unsere Alarme und Verteidigungen auszulösen. Als ob die Elben es geöffnet hatten und dann weggegangen waren, um einfach auf die richtige Person zu warten, die vorbeikam und es aktivierte. Und ihnen in die Falle lief.
Es musste eine Falle sein. Bei den Elben ist es immer eine.
Um die Straße der Hoffnung materialisierten jetzt Schwaden von grünem Nebel aus dem Nichts; lange grüne Schwaden, die sich wanden und in der Luft drehten, während sich das Boot auf den zunehmend hohen Wellen hob und senkte. Die Nebel wurden immer dichter: Elfenmagie, die von unserer Annäherung an das Portal beschworen wurde. Der dicke grüne Nebel schnitt uns von unserer Welt ab, beugte die Gesetze unserer Realität, um den Übergang in das Land unter dem Hügel leichter zu machen. Walker und Peter sprangen aus ihren Sesseln auf und eilten zu Honey und mir ans Steuerrad herüber. Wir alle spürten das Bedürfnis nach einfachem menschlichem Kontakt.
Das Boot wurde jetzt hin und her geworfen, der Nebel waberte überall um uns herum. Honey kämpfte darum, die Straße der Hoffnung auf Kurs zu halten. Es fühlte sich an, als ließen wir alle Sicherheit hinter uns. Wir verloren alles, worauf wir uns immer hatten verlassen können. Als ob das Schiff selbst hätte auseinanderfallen und in den grünen Nebeln verschwinden können …
»Wir sind fast da«, sagte Walker. »Ich kann das Portal direkt vor uns spüren. Es fühlt sich an, als versuche man, ein Fass Schießpulver niederzustarren.«
»Ich spür' das nicht«, sagte Honey. »Ich fühle gar nichts. Außer dass es plötzlich wirklich kalt hier drin ist. Und meine Haut prickelt, wie das Gefühl, das man hat, kurz bevor einen der Blitz trifft. Und ich bin nicht mehr sicher, ob ich das Boot steuere. Das Steuerrad setzt mir keinen Widerstand mehr entgegen, aber es antwortet mir auch nicht. Ich glaube, dieses Boot weiß, wo es hin soll.« Sie nahm die Hände vom Steuerrad, und nichts passierte. Die Straße der Hoffnung war immer noch auf Kurs.
»Dieser Sturm wird schlimmer!«, schrie Peter über das Heulen der immer stärker werdenden Böen draußen hinweg. »Hört doch!«
»Ich glaube nicht, dass das der Sturm ist«, sagte ich. »Das Portal öffnet sich.«
»Also sind wir sicher, wenn wir erst mal durch das Tor sind?«
»Naja«, sagte ich. »So weit würde ich jetzt nicht gehen.«
»Ich will nach Hause«, jammerte Peter.
Der grüne Nebel kochte jetzt um uns herum; dichte, flaschengrüne Schwaden, die uns von der Außenwelt trennten und isolierten. Seltsame Lichter flammten auf und leuchteten in die Kabine. Sie schmerzten, wo sie die nackte Haut berührten, und bewirkten, dass sie sich vor Widerwillen zusammenzog. Da war etwas grundsätzlich Unsauberes an diesem Nebel. Er roch nach Schwefel und Blut und seltsamen Tiergerüchen. Es war schwierig, etwas zu erkennen, selbst innerhalb der Kabine. Die Straße der Hoffnung gab Gas, sie stampfte und rollte bei weitem nicht mehr so stark, aber sie wurde jetzt schneller und schneller, wie ein Zug, der sich beschleunigte.
»Ein Problem«, sagte ich.
»Nur eins?«, fragte Honey prompt. »Mir fallen Hunderte ein!«
»Durch das Portal durchzukommen wird kein Problem«, sagte ich. »Ich glaube, es erkennt meinen Torques. Aber wieder zurückkommen - das könnte sich etwas schwierig gestalten.«
»Großartig«, sagte Peter. »Warum springen wir beide nicht einfach über Bord und schwimmen zurück?«
»Das würde ich nicht tun«, sagte Walker. »Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir nicht mehr in unserer Welt als solche sind. Kein Wasser, kein Himmel, nur grüne Nebel. Wir sind jetzt in einem anderen Ort, der Zwischenwelt. Und sie stinkt ganz schön übel.«
»Wirf dich selbst über Bord«, meinte ich, »und keiner kann wissen, wo du landest.«
»Ich würde jetzt gern ein bisschen heulen, wenn das keinen aufregt«, sagte Peter.
»Halten Sie die Ohren steif, Mann«, sagte Walker. »Zeigen Sie Schwäche vor den Elben, und Sie nehmen Ihre Hoden in einer Tragetasche nach Hause.«
»Das ist wirklich nicht hilfreich«, sagte Peter.
»Es ist nicht, als würden wir allein da reingehen«, sagte Honey. »Ich gehöre zur CIA, schon vergessen? Ich kann gute Verstärkung, Unterstützung und schmutzige Tricks herholen, an die Elben niemals denken würden.«
»Das wird sie nicht kümmern«, sagte Walker. »Ich spreche für die Nightside. Ich habe mächtige Freunde und auch Feinde, die sicher kommen, wenn ich sie rufe, oder die meinen Tod rächen würden. Aber die Elben werden uns immer noch töten, wenn sie einen Grund dafür haben, oder vielleicht tun sie das auch, wenn sie keinen haben. Es sind Kreaturen des Augenblicks und der Bosheit, und sie kümmern sich kein bisschen um die Konsequenzen.«
Honey sah mich an. »Aber du bist ein Drood, Eddie. Du hast sogar für eine Weile deine Familie geführt, sie würden es nicht wagen, dich anzurühren.«
»Die Elben würden das wagen«, erwiderte ich. »Das ist es, was sie tun. Meine Familie würde sicher meinen Tod rächen und dem Anderen Land fürchterliche Dinge antun, aber die Elben würden dennoch tun, was sie wollen. Keiner kann sie einschätzen oder bestrafen. Und - wie ich schon sagte - die Elben haben guten Grund, mich töten zu wollen. Oder Schlimmeres.«
»Vielleicht hätten wir Sie zurücklassen sollen«, meinte Walker.
»Ohne mich würden Sie doch gar nicht erst reinkommen«, antwortete ich.
»Du sagst das, als wäre das etwas Schlimmes«, sagte Peter.
»Also«, meinte Honey. »Keine Unterstützung und keine Drohungen, die wir benutzen können, um unsere Position zu stärken. Nicht gerade das, was ich hören wollte.«
»Hat die CIA jemals mit den Elben direkt zu tun gehabt?«, fragte Peter. »Nicht, dass mich das besonders kümmern würde, verstehst du, ich will nur etwas reden, um nicht an all die schrecklichen Dinge zu denken, die auf uns warten.«
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