Hammer nickte. »Waffenstillstand. Einstweilen.«
»Einverstanden«, sagte MacNeil und steckte sein Schwert in die Scheide. Hammer tat es ihm mit einer kleinen Verzögerung gleich. Das übergroße Heft des Langschwertes ragte über seine Schulter, als spottete es über alle, die sich mit ihm anzulegen wagten. Hammer reichte Jack die Laterne und ging zur verabredeten Stelle.
Flint tippte MacNeil auf den Arm, beugte sich an sein Ohr und flüsterte ihm zu: »Nimm dich vor ihm in Acht, Duncan. Auf sein Wort ist kein Verlass.«
»Danke für den Hinweis«, antwortete MacNeil. »Leider können wir auf ihn nicht verzichten, wenn wir uns dem stellen wollen, was da in der Erde lauert. Und tu mir einen Gefallen, Jessica, kümmere dich um Wilde, solange ich mit Hammer rede. Ja?«
»Natürlich. Kein Problem.«
MacNeil trat auf Hammer zu. Schweigend standen sie sich gegenüber und taxierten einander. Beide waren in etwa gleich groß und kräftig gebaut. Als die erfahrenen Kämpfer, die sie waren, wussten sie die Qualitäten des jeweils anderen ziemlich genau einzuschätzen.
Hammer war beeindruckt von der ruhigen, selbstsicheren Kraft, die der Ranger-Sergeant ausstrahlte, hatte aber trotzdem keinen Zweifel daran, dass er ihn würde bezwingen können. Ihm war am Ende jeder unterlegen. Also konnte er es sich getrost leisten, den Gentleman zu spielen und dem Ranger Honig ums Maul zu schmieren. Sie waren aufeinander angewiesen. Fürs Erste.
MacNeil wusste nicht, was er von Hammer halten sollte. Aber was dessen Langschwert zu bedeuten hatte, war ihm sehr wohl bewusst. Er hätte es auch ohne den Hinweis von Constance als Infernaleisen wiedererkannt. Aus der Nähe betrachtet kratzte das Schwert an seinen Nerven wie ein Schrei in der Stille der Nacht. MacNeil fragte sich, ob Hammer tatsächlich wusste, was er da auf dem Rücken trug.
»Du willst das Gold«, sagte MacNeil geradeheraus. »Ich dagegen hab's auf das Biest abgesehen, das mit dem Gold zusammen hier unter uns steckt.«
»Was für ein Biest?«, fragte Hammer.
MacNeil nickte in Richtung Constance. »Unsere Hexe verfügt über Hellsicht. Sie sagt, dass ein uraltes, bösartiges Ungeheuer unter dem Fort vergraben liegt und schläft. Sie nennt es das Biest. Es hat Schuld an dem, was hier geschah.«
»Bist du mit diesem Biest etwa schon in Berührung gekommen?«, fragte Hammer und starrte auf das Blut an MacNeils Kleidern.
»Als wir die Falltür zum ersten Mal geöffnet haben, spritzte jede Menge Blut daraus empor. In den Stollen unter dem Keller trieft es davon.«
Hammer runzelte die Stirn. »Wo kommt es her?«
»Von dem Biest«, antwortete MacNeil. »Es weiß, was uns Angst macht.«
Hammer wiegte den Kopf. »Du willst, dass wir uns zusammentun und es vernichten. Hab ich Recht?«
»Ja.«
»Verstehe. Und was hab ich davon?«
»Für deine Hilfe, das Gold zu bergen, wirst du eine Belohnung bekommen«, antwortete MacNeil.
Hammer grinste. »Warum sollte ich mich mit einem Bruchteil zufrieden geben, wenn ich alles haben kann?«
»Weil du, um daran zu kommen, sowohl uns als auch das Biest überwinden müsstest, und deine Chancen dafür stehen nicht annähernd so gut, wie du glaubst. Wilde ist ein guter Schütze, aber wir haben den Tänzer auf unserer Seite. Und zugegeben, dein Schwert ist sehr beeindruckend, du hast aber nicht den leisesten Schimmer davon, was da unten in den Stollen auf dich lauert.«
Hammer kniff die Brauen zusammen. »Was weißt du über mein Schwert?«
»Es ist ein Infernaleisen.«
Hammer nickte bedächtig. »Ja. Der Wolfsfluch.«
»Ich dachte, es wäre im Dämonenkrieg verloren gegangen.«
»Das war es auch. Aber ich habe es gefunden. Oder richtiger: Es hat mich gefunden.« Er fing plötzlich leicht zu zittern an, und einen Moment lang verrieten seine Augen einen verzweifelten, gequälten Blick, der jedoch, kaum dass MacNeil darauf aufmerksam wurde, sofort wieder verschwand. »Sei's drum, ziehen wir an einem Strang. Ihr scheint euch besser mit dem Biest auszukennen. Was unternehmen wir als Erstes?«
»Zuerst werden wir, du und ich, durch die Falltür nach unten steigen und nachsehen, wie die Dinge stehen.«
Hammer taxierte MacNeil mit skeptischer Miene. »Nur wir beide?«
MacNeil schmunzelte. »Wo ist dein Sinn für Abenteuer, Hammer? Unsere Hexe sagt, dass das Biest noch schläft. Zu zweit könnten wir leise heranschleichen, ohne dass es aufwacht. Und außerdem… in diesem Fort passieren seltsame Dinge. Es könnte sein, dass uns das Biest mit dem Gold einen Köder ausgelegt hat. Wenn dem so ist, möchte ich nicht, dass wir alle auf einmal nach unten steigen. Auf einem Pack zusammen wären wir in den engen Gängen sehr viel leichter angreifbar. Mir ist wohler, wenn ich weiß, dass uns jemand den Rücken freihält.«
»Also gut«, sagte Hammer. »Machen wir's so.«
MacNeil warf einen Blick auf Flint und den Tänzer, die sich mit Wilde unterhielten. Die drei schienen sich gut zu verstehen. Jedenfalls waren die beiden Männer nicht mehr darauf aus, sich gegenseitig umzubringen.
Anfangs hatte Flint nicht gewusst, was sie sagen sollte, als sie sich diesem Wilde gegenübersah. Kümmere dich um ihn, hatte MacNeil gesagt. Aber womit zum Teufel sollte sie ein Gespräch anfangen. Der Mann, der vor ihr stand, hatte mit dem Wilde, wie sie ihn aus der letzten großen Schlacht des Dämonenkrieges in Erinnerung hatte, nicht mehr viel gemein. Er war zwar auch damals schon ungehobelt und vulgär gewesen, gleichzeitig aber im Umgang mit anderen ganz und gar aufrichtig und ehrlich. Heute trug Wilde ein Gesicht, das auffällig hart und müde war und um Mund und Augen Züge von praktizierter Brutalität verriet.
»Du siehst gut aus, Jess«, sagte Wilde. Seit wann bist du bei den Rangern?«
»Seit ungefähr acht Jahren. Vielleicht ein bisschen länger. Und seit wann ziehst du als Räuber durch die Gegend?«
Wilde zuckte die Achseln. »Ich weiß nicht mehr. Ein Jahr ist wie jedes andere.«
An Flint gewandt, bemerkte der Tänzer: »Ich wusste gar nicht, dass du Edmond Wilde kennst.«
Wilde grinste. »Wie sich die Zeiten doch ändern, nicht wahr, Jess? Früher hat sich jeder damit gebrüstet, mich zu kennen. Heute wollen selbst ehemalige Freunde nichts mehr mit mir zu tun haben. Die Welt ist doch grausam, oder?«
Flint rührte keine Miene. »Du bist nicht der Mann, den ich von früher kenne. Der hat nicht vergewaltigt und getötet.«
»So gut hast du mich nie gekannt«, entgegnete Wilde.
»Ich bin erleichtert«, sagte der Tänzer. »Es hätte mir nicht gefallen zu erfahren, dass du dich mit üblen Vögeln herumgetrieben hast.«
»Du glaubst wohl, so was steckt an«, entgegnete Wilde.
»Sieh dich vor«, warnte der Tänzer im Flüsterton. »Komm Jessica nur ja nicht zu nahe.«
Wilde lachte. »Wenn ich wollte, würde ich sie mir nehmen. Nichts und niemand könnte mich aufhalten. Ich gehe mit meinem Bogen geschickter um als du mit deinem Schwert. Mir kann keiner was.«
Flint ließ eine Hand auf den Arm des Tänzers sinken, als der nach dem Schwert griff. »Lass stecken, Giles. Wir brauchen ihn noch.«
Der Tänzer sah sie mit ausdrucksloser Miene an. »Keine Sorge, Jessica. Er hat nichts von mir zu befürchten.
Vorerst nicht.«
Er kehrte Wilde den Rücken zu und entfernte sich. Wilde sah ihm grinsend nach.
»Den Tänzer so zu reizen, ist saudumm«, sagte Flint.
»Mit ihm werde ich schon noch fertig.«
»Nein«, antwortete Flint. »Du hast keine Chance gegen ihn. Er würde dich töten.«
»Würde dir das denn was ausmachen?«, fragte Wilde. »Es ist lange her, dass man sich meinetwegen Sorgen gemacht hat.«
»Man hat nur wenig Freunde auf der Welt und sollte aufpassen, dass einem von den wenigen nicht noch einer verloren geht.«
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