Investigator Razor und Kit Sommer-Eiland traten hastig vor den Eisernen Thron und zwischen die Löwenstein und die Neuankömmlinge. Sturm eilte zurück zum Hohen Lord Dram und Valentin Wolf. Schwejksam und Frost zückten ihre Schwerter. Stelmach zog seinen Disruptor. Die Jungfrauen der Eisernen Hexe regten sich unruhig und fauchten die Eindring-linge an, während Owen seine Kameraden ungerührt zum Thron führte. Neben Ruby Reise machten sie halt. Ruby blickte ihre Freunde an und spuckte einen Mund voller Blut aus.
»Hat ganz schön lange gedauert, bis ihr hier wart.«
»Tut uns leid«, antwortete Owen. »Wir wurden ein wenig aufgehalten. Brauchst du Hilfe?«
»Du träumst wohl, Aristo.« Ruby erhob sich, spannte die Arme, und die Ketten zerrissen und fielen von ihr ab. Sie grinste den wie betäubt dastehenden Sturm an. »Du hast doch nicht ernsthaft geglaubt, Ketten und Drogen könnten jemanden wie mich halten, oder?«
Owen blickte sich am Hof um und ließ die schwelenden Krater, die brennenden Engel und die großen Löcher im Boden, aus denen die Schreie der Verdammten nach oben drangen, auf sich einwirken. Er betrachtete die Reihen mit den Gepfählten und die gefolterten Sünder, die an ihren Ketten von der Decke baumelten und das blutrote Licht, in das alles getaucht war, und als sein Blick schließlich wieder zurück zur Löwenstein wanderte und er sprach, da war seine Stimme so eiskalt wie seine Augen. »Hübscher Ort, den Ihr Euch da ausgesucht habt, Löwenstein. Er paßt zu Euch. Ihr hattet schon immer einen Hang zum Extremen, aber diesmal habt Ihr Euch selbst über-troffen, schätze ich. Ihr habt den Schritt von der geistig Verwirrten zur Psychopathin hinter Euch. Ihr seid krank im Kopf, Löwenstein. Eine tollwütige Hündin, ein rasendes wildes Tier; es ist unsere Pflicht, Euch aus dem Verkehr zu ziehen .«
Die Löwenstein lehnte sich offensichtlich ungerührt auf ihrem Thron zurück. »Willkommen an Unserem Hof, Verbrecher . Wir haben Ihn und Seine Begleiter bereits erwartet, und Wir haben sogar ein paar Gäste eingeladen, besondere Freunde, die Er sicher gerne wiedersieht. Zum Beispiel…«
Sie schnippte mit den Fingern, und eine tarnende Holoillusion erlosch. Schräg hinter dem Eisernen Thron kam ein großes hölzernes Kreuz zum Vorschein, und an das Kreuz genagelt war Schwester Oberin Beatrice Cristiana, die Heilige von Technos III.
Ihre Nonnenrobe war zerrissen und blutverschmiert, und ihre Haube war verschwunden und durch eine Dornenkrone ersetzt worden. Getrocknetes Blut klebte an ihren durchbohrten Hand-gelenken und Knöcheln, und noch mehr Blut war über ihr Gesicht gelaufen, als man die Dornenkrone mit Gewalt auf ihren Kopf gedrückt hatte. Sie lebte noch und war bei vollem Be-wußtsein, so daß sie die schrecklichen Schmerzen der Wunden spürte, die man ihr zugefügt hatte. Ihr Gesicht war verzerrt und ließ nichts mehr von seiner normalen Ernsthaftigkeit erkennen, nur noch reines animalisches Leiden.
»Sie schien so begierig darauf zu sein, als Märtyrerin zu sterben, daß Wir dachten, Wir sollten ihr den Gefallen tun«, höhn-te die Löwenstein. »Wenn sie es mit ihrer Religion wirklich ernst meint, müßte sie es eigentlich als Kompliment auffassen, oder nicht? Der Märtyrertod ist doch angeblich die höchste Ehre, die man ihnen in diesem Leben erweisen kann, stimmt’s?«
»Du verdammtes Miststück! Du elende verfluchte Hure!«
Überraschenderweise war es Tobias Shreck, der als erster unter dem Druck zerbrach. Er sprang vor, außer sich vor Wut, als wolle er Beatrice mit roher Gewalt befreien. Flynn mußte ihn packen und festhalten. »Laß mich los!« schrie Tobias und wehrte sich aus Leibeskräften. »Ich ertrage das nicht! Nicht Beatrice! Nicht sie! Sie ist der einzige anständige Mensch, dem ich je begegnet bin!«
»Du wärst tot, bevor du auch nur in ihre Nähe kommen würdest, Chef«, sagte Flynn. Er mußte beinahe schreien, damit Tobias auf ihn hörte. »Sie will doch nur, daß einer von uns etwas Unüberlegtes versucht, damit sie ihre Jungfrauen auf ihn hetzen kann! Um eines ihrer verdammten Exempel zu statuieren!«
»Er hat recht, Shreck«, sagte Giles. »Hört auf Euren Freund.
Wir kümmern uns darum. Schließlich sind wir aus diesem Grund gekommen.«
»Genau«, stimmte ihm Hazel zu. »Achte du nur darauf, daß deine Kamera läuft. Du wirst live vom Tod der Imperatorin berichten. Wie praktisch, daß du dir schon deine eigene Hölle gebaut hast, Löwenstein. Dann hast du es nicht mehr so weit, wenn wir dich von deinem Thron zerren und dir den verdammten Kopf abschneiden.«
»Die Sache ist noch nicht vorbei!« fauchte die Löwenstein.
»Beatrice, das ist dein Augenblick. Komm herunter und töte diesen Abschaum für mich!«
Die Rebellen beobachteten ungläubig, wie die Schwester Oberin den Kopf hob und ihnen zulächelte. Mit einer konvulsi-ven Kraftanstrengung riß sie ihre Arme und Beine von den Nägeln los und sprang leichtfüßig zu Boden. Noch immer lächelnd setzte sie sich in Richtung der Rebellen in Bewegung, und jeder in der Nähe des Throns beeilte sich, ihr aus dem Weg zu gehen. Die Löwenstein lachte laut auf. Tobias starrte sie einen Augenblick lang dümmlich an, dann gestikulierte er Flynn, ja alles aufzunehmen.
»Sie ist nicht echt«, knurrte Hazel. »Sie kann unmöglich echt sein. Kein Mensch hätte sich so leicht von diesem Kreuz befreien können!«
»Stimmt«, sagte Owen. »Wahrscheinlich ist sie eine Art Furie. Eine Maschine. Die Löwenstein hat sie an das Kreuz genagelt, um uns aus der Fassung zu bringen.«
»Und es hat funktioniert«, sagte Tobias. »Ich kann nicht glauben, daß ich mich schon wieder an der Nase habe herum-führen lassen. Ist denn niemand mehr das, was er zu sein vor-gibt?«
»Ihr wärt überrascht«, sagte Owen. »Und jetzt tretet zurück und macht ein wenig Platz für uns, Nachrichtenmann. Es könnte gleich hektisch werden.«
»Ich wußte gleich, daß sie Euch gefallen würde«, sagte die Löwenstein. »Sie ist ein Geschenk von Unserem lieben Valentin hier. Ursprünglich ließ er sie als Sexspielzeug konstruieren, weil er die echte nicht kriegen konnte; aber er dachte ganz richtig, daß Wir einen besseren Verwendungszweck finden würden. Wir haben dann noch ein paar besondere Aufrüstungen einbauen lassen, speziell für Euch. Sind Wir nicht gut zu Euch?
Beatrice, Liebste, tötet sie allesamt und bringt Uns ihre Köp-fe.«
Das Ding, das wie Schwester Beatrice aussah, sprang unglaublich schnell vor. In den Löchern seiner Hände wurden mit einem Mal Disruptormündungen sichtbar, und blendend grelle Energiestrahlen zuckten durch den Raum. Sie verfehlten Hazel und Owen nur knapp, weil die beiden sich rechtzeitig zur Seite geworfen hatten; doch Giles wurde mitten in die Brust getroffen. Der Einschlag warf ihn rückwärts zu Boden. Hazel riß ihre Projektilwaffe hoch und eröffnete das Feuer, aber die Kugeln prallten als harmlose Querschläger von der Stahlkarkasse unter der künstlichen Haut ab. Owen feuerte seinen Disruptor ab.
Unglücklicherweise duckte sich die Maschine unter dem Strahl weg und stürmte weiter vor. Sie war über Hazel, bevor sie die Waffe wegwerfen und ihr Schwert herausreißen konnte. Mit einer Hand packte sie Hazel an der Kehle und hob sie hoch.
Hazel keuchte und rang nach Atem, während sie hilflos in der Luft zappelte und mit beiden Händen versuchte, den stählernen Würgegriff zu lockern, der sie zu ersticken drohte.
Owen warf sich von hinten auf die Maschine, doch sie wirbelte unmenschlich schnell herum und schlug ihn mit der freien Hand zur Seite wie ein störrisches Kind. Hazels Augen traten hervor, und sie lief puterrot an. Owen war augenblicklich wieder auf den Beinen, rief den Zorn herbei und stürzte sich erneut auf die Furie. Diesmal duckte er sich unter ihrem Schlag hindurch und hämmerte das Schwert gegen Beatrices ungeschützte Kehle. Stahl krachte gegen Stahl, und der Schlag prellte Owen das Schwert aus der Hand. Er zögerte keine Sekunde und hämmerte die nackte Faust mit der gesamten Kraft seines Zorns in die metallene Seite der Maschine. Zu seiner eigenen Überraschung gaben die Stahlrippen unter der Wucht seines Schlages nach, und die Maschine taumelte zur Seite, aber ihr Griff um Hazels Kehle lockerte sich keinen Deut. Owen schlug wieder und wieder zu, ohne auf die Schmerzen in der Faust zu achten, und die Maschine zeigte Wirkung, wenn auch nicht genug, um ihre Beute loszulassen.
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