»Wahrscheinlich sind sie verschlossen« , sagte Owen .
»Wahrscheinlich«, stimmte ihm Hazel zu . »Wahrscheinlich hast du recht. Ich nehme an , du besitzt nicht rein zufällig die Kodes dafür, oder?«
»Ich fürchte nein«, gestand Owen. »Ich nehme an, du hast nicht rein zufällig eine Ladung Sprengstoff mitgebracht, oder?«
»Ich fürchte nein«, gestand Hazel. »Ich schätze, wir müssen uns mit Hilfe brutaler Gewalt und purer Ignoranz Zutritt verschaffen.«
»Dann fangt mal damit an«, brummte Giles. »Ich habe einen weiten Weg zurückgelegt, und ich habe heute noch eine Menge vor.«
Owen und Hazel wechselten einen Blick; doch bevor einer von ihnen etwas darauf erwidern konnte, gab es einen hellen Lichtblitz, und Tobias Shreck, sein Kameramann Flynn und Johana Wahn erschienen wie aus dem Nichts. Johana hatte sich mit einem psionischen Schutzschild umgeben, aber als niemand sie angriff, senkte sie ihn wieder. Tobias und Flynn überzeugten sich davon, daß die Kamera noch immer bei ihnen war; dann sahen sie sich offenen Mundes um. Tobias erkannte, wer vor ihm stand und wo sie gelandet waren, und er gestikulierte Flynn drängend, mit dem Filmen zu beginnen.
»Was zur Hölle habt ihr hier zu suchen?« fragte Hazel wenig einladend.
»Die Mater Mundi wollte, daß wir hier sind«, sagte Johana Wahn. »Falls Euch das nicht gefällt, beschwert Euch bei ihr.
Offensichtlich möchte sie, daß der Sturz der Imperatorin live im gesamten Imperium übertragen wird. Aber warum sie mich hier haben will… ich weiß es nicht. Zweifellos werde ich es in Kürze herausfinden. Also, bitte bringt mich auf den neuesten Stand. Was liegt zwischen uns und dem Hof?«
»Nun, im Grunde genommen nur diese Türen hier«, sagte Owen. »Ich persönlich hätte gedacht, daß wir auf stärkere Sicherheitsmaßnahmen treffen würden.«
Er unterbrach sich, und alle fuhren beim Geräusch sich nähernder Schritte herum – einer ganzen Menge sich nähernder Schritte. Wer Waffen hatte, zog sie. Johana Wahn beschwor ihr ESP herauf, und reine psionische Energie erfüllte die Luft mit ihrem Knistern. Flynn schickte seine Kamera zur Decke empor, überzeugte sich davon, daß sie in die richtige Richtung schaute und beeilte sich anschließend, zusammen mit Tobias hinter den anderen in Deckung zu gehen. Er war kaum dort angekommen, als eine kleine Armee von Löwensteins persönlicher Leibgarde in die Vorhalle des Imperialen Hofs gestürmt kam . Sie waren mit Schwertern und persönlichen Schutzschilden ausgerüstet.
Owen packte sein Schwert fester . Es waren wenigstens zwei-hundert Angreifer. Hazel funkelte den Todtsteltzer an.
»Was mußtest du auch dein großes Maul aufreißen!«
»Ergebt Euch!« rief der kommandierende Offizier. »Ihr seid ganz gewaltig in der Unterzahl, und Ihr habt nicht die geringste Chance.«
Owen grinste Giles an. »Er scheint uns nicht zu kennen, was?«
»Wir wollen sie so schnell wie möglich ausschalten«, sagte Owens Urahn. »Es könnte ein Ablenkungsmanöver sein, um der Löwenstein Zeit zur Flucht zu verschaffen.«
»Dürfte ich darauf hinweisen, daß Flynn und ich absolut unparteiisch sind?« rief Tobias von hinten. »Wir stellen für niemanden eine Bedrohung dar!«
»Tötet sie alle!« schnappte der kommandierende Offizier und führte seine Leute in den Kampf.
Johana Wahn schwebte in die Höhe, breitete die Arme aus, und Blitze zuckten aus ihren Händen und streckten das erste Dutzend Leibwachen nieder. Hazel d’Ark schimmerte, und plötzlich gab es ein ganzes Dutzend Hazels. Vielleicht kamen sie aus anderen Zeitlinien, wie Giles behauptet hatte; aber wie auch immer: Sie grinsten voller böser Vorfreude auf den Kampf. Giles teleportierte unter den Wachen hierhin und dorthin. Er streckte Gegner nieder und war wieder verschwunden, bevor er selbst angegriffen werden konnte. Owen grinste und schüttelte den Kopf. Alles Angeber. Er hob das Schwert und fiel in den Zorn ; dann stellte er sich den Angreifern mit dem Tod in den Augen entgegen. Zwei Männer und zwei Frauen, die gegen eine Armee in den Krieg zogen, und die schiere Überzahl der Angreifer bedeutete nicht das geringste Problem für sie.
Jedenfalls anfangs nicht.
Die Rebellen bahnten sich mit grimmiger Effizienz ihren Weg durch die feindlichen Wachen, und bald lagen überall Leichen und behinderten die Kämpfenden. Die Rebellen töteten und töteten, und noch immer strömten neue Wachen herbei.
Owen schwang das Schwert mit beiden Händen, und niemand vermochte ihm standzuhalten.
Er war im Zorn , und Kraft und Schnelligkeit rasten durch seinen Adern. Doch so sehr er sich auch bemühte, für jeden niedergestreckten Gegner schienen zwei neue aufzutauchen, um seinem Platz einzunehmen. Sie schwärmten um ihn herum, und griffen ihn aus allen Richtungen zugleich an. Bald schon hatte er nicht mehr genug Raum, um das Schwert zu schwingen, und er konnte nur noch stechen und stoßen. Seine Streiche waren vom Zorn verstärkt, und sie waren noch immer fürchterlich und tödlich; aber mit Feinden zu allen Seiten konnte er sich nicht für einen Augenblick entspannen. Er kämpfte weiter, wirbelte in diese und in jene Richtung, hielt seine Gegner auf Abstand und wußte, daß er ein toter Mann war, falls er langsamer werden oder auch nur einen Augenblick zaudern würde.
Rasche Seitenblicke verrieten ihm, daß es seinen Freunden nicht besser ging. Die Hazels waren voneinander getrennt worden und über die gesamte Ausdehnung der Vorhalle verstreut: aber sie kämpften noch immer wütend. Owen mußte grinsen.
Aus welcher Realität auch immer die verschiedenen Hazels kommen mochten, sie waren allesamt höllische Kämpferinnen.
Eine von ihnen wurde in seine Richtung zurückgedrängt, und Owen war froh zu sehen, das es die echte war. Rasch stellten sie sich Rücken an Rücken und kämpften so weiter. Owen war froh darüber. Hazel und er hatten schon immer ein gutes Team abgegeben.
Owen sah seinen Urahn Giles in einiger Entfernung. Der ursprüngliche Todtsteltzer brüllte seine Schlachtrufe und schwang sein großes breites Schwert wie einen Hammer, und die Wachen, die ihn umringten wie Kampfhunde, hatten alle Mühe, auch nur einen einzigen Schlag gegen ihn zu führen.
Giles hatte aufgehört zu teleportieren. Zwischen den Kämpfenden war nicht mehr genug freier Raum, in den er hätte teleportieren können. In Owen wuchs das Gefühl, daß die Wachen inzwischen noch zahlreicher geworden waren als zu Beginn, trotz all der Toten, die den Boden der Vorhalle bedeckten. Anscheinend brachten sie unablässig Verstärkungen heran. Wie unfair.
Johana Wahn schwebte noch immer in der Luft und war in Blitze gehüllt, doch sie hatte aufgehört, diese auf die Wachen zu schleudern. Owen erkannte den Grund erst, als er sah, wie Leibwächter Dutzende von ESP-Blockern herbeischafften und übereinander stapelten in dem Versuch, Johanas verstärkte Macht durch schiere Zermürbung auszuschalten.
Und zum ersten Mal dämmerte es Owen, daß er vielleicht doch nicht weiter kommen wurde als bis in diesen Vorhof der Hölle. Er hatte so viele Hindernisse überwunden und war einen so weiten Weg gegangen; doch selbst jemand wie er hatte seine Grenzen. Selbst ein Mann im Zorn konnte nicht gegen eine ganze Armee bestehen. Owen erinnerte sich, wie alles angefangen hatte, vor gar nicht allzu langer Zeit: wie er auf Virimonde vor einer übermächtigen Bande seiner eigenen verräterischen Wachen gestanden hatte und im Begriff gewesen war zu sterben. Vielleicht schloß sich hier der Kreis. Nur, daß Hazel diesmal nicht imstande sein würde, ihn zu retten. Sie steckte genauso tief in Schwierigkeiten wie Owen selbst. Es erschien ihm verrückt, daß er nach allem, was er durchgestanden hatte, am Ende doch noch von einem Haufen bewaffneter Leibwächter zur Strecke gebracht werden sollte, und zwar allein deswegen, weil es so viele waren.
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