Etwa zur zwanzigsten Ahn, die auf Gor die Mitternachtsstunde ist, hörten wir außerhalb unserer Befestigung ein Geräusch.
»Nicht das Feuer löschen!« sagte ich zu meinen Leuten. »Wir wollen lieber etwas zurücktreten.«
Daß wir das Feuer brennen ließen, bezeugte unsere friedlichen Absichten. Allerdings hielten wir uns etwas abseits, damit wir den Panthermädchen kein zu leichtes Ziel boten.
Doch uns zu erschießen, konnte nicht in ihrer Absicht liegen, sonst hätten wir eben das Geräusch nicht gehört – das Knacken eines Astes, das uns alarmieren und den Mädchen unsere Reaktion zeigen sollte.
Ich stand in der Nähe der Flammen und hob die Hände hoch, damit die Panthermädchen sehen konnten, daß ich unbewaffnet war.
»Ich bin Bosk von der Freien Insel Tabor«, sagte ich. »Ich bin Kaufmann. Ich möchte mit euch verhandeln.«
Stille.
»Wir haben Waren anzubieten.«
Aus der Dunkelheit außerhalb unseres Lagers trat kühn eine Frau. Sie war mit einem Bogen bewaffnet und trug ein Pantherfell.
»Laßt das Feuer heller brennen!« befahl sie.
»Tu, was sie sagt«, wandte ich mich an Thurnock.
Widerstrebend häufte Thurnock mehr Holz auf das Feuer, bis das Innere des Lagers gut ausgeleuchtet war. Außerhalb des Feuerscheins war kaum etwas zu erkennen. Meine Männer und ich waren nun ein leichtes Ziel für die Mädchen des Waldes.
»Legt Schwertgürtel und Waffen ab!« befahl die Frau.
Auf mein Zeichen hin legten meine Männer ihre Waffen neben dem Feuer nieder.
»Ausgezeichnet«, sagte die Frau von der anderen Seite des Palisadenzauns und musterte uns. Auch ich konnte sie nun deutlicher erkennen. Sie trug einen goldenen Armreif um das linke Handgelenk und ein zweites goldenes Schmuckstück am rechten Bein.
»Ihr seid umstellt«, rief sie.
»Natürlich«, erwiderte ich.
»Auf jeden von euch ist mindestens ein Pfeil gerichtet.«
»Natürlich.«
»Worüber wollt ihr verhandeln?«
»Laßt uns das in Ruhe besprechen.«
»Dazu müßt ihr einige Palisadenpfähle entfernen.«
Ich gab Thurnock einen Wink. »Nehmt vier Pfähle heraus.« Widerstrebend gehorchte er.
Mit hoch erhobenem Kopf kam das Panthermädchen zu uns ins Lager und sah sich um. Sie hatte überhaupt keine Angst. Mit dem Fuß schob sie die am Boden liegenden Waffen näher zum Feuer.
»Setzt euch«, sagte sie zu meinen Männern und deutete auf den Fuß der Palisadenmauer.
Ich gab den Männern ein Zeichen, daß sie gehorchen sollten. Sie mußten sich so hinsetzen, daß sie ins Feuer blickten. So konnten sich ihre Augen nicht so schnell wieder an die Dunkelheit gewöhnen. Wurde das Feuer plötzlich gelöscht, waren sie eine Ehn lang geblendet und den Panthermädchen hilflos ausgeliefert.
Das Mädchen nahm nun mit untergeschlagenen Beinen mir gegenüber Platz.
Von draußen ertönten weitere Geräusche, und ich sah, wie sich etwas Weißes in der Dunkelheit bewegte, von zwei Panthermädchen flankiert.
Von zwei Wächterinnen gestützt, wurde Sheera ins Lager gebracht. Sie war natürlich noch immer gefesselt und wurde jetzt vor dem Feuer zu Boden gestoßen. Man schien sie ausgepeitscht zu haben.
»Wir haben diese verirrte Sklavin gefunden«, sagte die Anführerin.
»Sie gehört mir«, sagte ich.
»Weißt du, wer sie ist? Sie war einmal ein Panthermädchen – Sheera.«
»Oh.«
Das Mädchen lachte. »Sie war eine große Rivalin Vernas – und Verna macht sich jetzt das Vergnügen, sie dir zurückzugeben. Taugt sie überhaupt etwas?«
Ich sah Sheera nachdenklich an. »Ja, sie stellt sich ganz vernünftig an.«
Sheera senkte wütend den Blick. Einige Panthermädchen lachten höhnisch.
»Wir wollen vier Pfeilspitzen für das Mädchen.«
»Ein vernünftiger Preis«, bemerkte ich.
»Mehr als genug für eine billige Sklavin.«
Sheera hatte die Fäuste geballt. Ich gab Zeichen, daß sich ein Panthermädchen vier Pfeilspitzen aus einem unserer Lastballen nehmen solle. Sie gehorchte und nahm vier Spitzen, nicht mehr.
»Du bist also Verna?« fragte ich die Anführerin.
»Nein.«
Ich sah sie enttäuscht an.
Sie musterte mich mißtrauisch. »Du suchst Verna?« fragte sie.
»Ich bin weit gereist, um Geschäfte mit ihr zu machen.« Mürrisch starrte ich das Mädchen an. »Ich hatte angenommen, ich befinde mich in dem Gebiet, das von Verna und ihrer Gruppe beansprucht wird.«
»Ich gehöre zu Vernas Gruppe«, erwiderte das Mädchen.
»Das ist gut.«
Das Mädchen, das mir gegenübersaß, war blond und blauäugig, wie man es oft bei Panthermädchen findet. Sie war sehr hübsch, hatte jedoch einen grausamen Zug um den Mund.
»Ich bin Bosk aus Tabor«, sagte ich.
»Und ich heiße Mira.«
»Kannst du für Verna sprechen?«
»Ja, und für wen sprichst du?«
»Für mich.«
»Nicht für Marlenus aus Ar?«
»Nein.«
»Das ist interessant«, sagte sie nachdenklich. »Aber Verna sagte uns ohnehin, daß Marlenus aus Ar anders vorgehen würde.«
»Da hat sie wahrscheinlich recht.« Marlenus würde als Angreifer in den Wald eindringen und nicht als Unterhändler kommen.
»Weißt du, daß sich Marlenus im Wald aufhält?« fragte sie.
»Ja, davon habe ich gehört.«
»Weißt du, wo sich sein Lager befindet?«
»Nein – außer daß es irgendwo nördlich oder nordöstlich von Laura liegen soll.«
»Wir wissen, wo es zu finden ist«, sagte Mira.
»Mich interessiert besonders eine Frau, die angeblich in Vernas Lager gefangengehalten wird.«
»Eine Sklavin?«
»Möglich. Sie soll dunkelhaarig und sehr schön sein.«
»Du meinst Talena«, sagte Mira lächelnd, »die Tochter Marlenus’ aus Ar.«
»Ja«, sagte ich. »Befindet sie sich in eurem Lager?«
»Vielleicht«, sagte Mira. »Vielleicht auch nicht.«
»Ich bin bereit, eine große Summe für sie zu bieten – ganze Gewichte an Gold.«
Ein goreanisches Gewicht ist zehn goreanische Stein schwer. Und ein »Stein« entspricht etwa zwei irdischen Kilogramm.
»Und würdest du dieses Mädchen für noch mehr Geld an Marlenus weiterverkaufen?«
»Ich will mit ihr keine Gewinne machen«, sagte ich.
Mira stand auf, und ich folgte ihrem Beispiel.
»Viel Gold«, wiederholte ich.
Doch als ich in Miras Augen blickte, wurde mir klar, daß Talena nicht zum Verkauf stand.
»Ist das Mädchen in eurem Lager?« fragte ich noch einmal.
»Vielleicht«, antwortete Mira ausweichend. »Vielleicht auch nicht.«
»Setzt einen Preis für sie fest.«
»Dieser Wald gehört den Panthermädchen, Kaufmann«, sagte Mira. »Du solltest ihn morgen früh schleunigst verlassen. Es ist ein Glück für dich, daß wir ein Geschäft miteinander gemacht haben.«
Ich nickte.
Sie musterte meine Männer. »Gute Ware – die Burschen würden sich in Sklavenketten gut machen.«
Mit diesen Worten kehrte sie zur Öffnung in unserer Palisadenmauer zurück und drehte sich noch einmal um. »Kaufmann«, sagte sie, »in Zukunft solltest du dich nicht in die Angelegenheiten von Verna und Marlenus mischen.«
»Verstanden«, sagte ich.
Das Mädchen machte kehrt und verschwand schnell in der Dunkelheit, gefolgt von ihrer Truppe.
Meine Männer sprangen auf und packten wutschnaubend ihre Waffen.
Ich ging zu Sheera und faßte sie unter das Kinn. »Hast du Verna gesehen?«
»Ja.«
»Warst du in ihrem Lager?«
»Nein.«
»Halten die Panthermädchen Talena hier gefangen?«
»Weiß ich nicht.«
Ich ließ sie los.
»Hat dir Verna etwas für mich aufgetragen?«
»Nein.«
Ich stieß sie wütend von mir. »Thurnock!« brüllte ich. »Setz die Pfähle wieder ein!«
Mein getreuer Freund machte sich sofort an die Arbeit.
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