»Du scheinst dich gar nicht zu freuen«, sagte er. »Das verstehe ich nicht. Ich dachte, du würdest außer dir sein vor Freude.«
»Ich bin außer mir vor Freude, Herr«, flüsterte ich.
»Das ist gut. Ich mag es, wenn meine Mädchen glücklich sind. Außerdem habe ich fünfzehn Silber-Tarsks für dich bezahlt.«
»Das ist viel zuviel für mich!« rief ich erstaunt.
»Ich glaube nicht«, sagte er lächelnd.
»Ich bin bei weitem nicht soviel wert«, sagte ich. Für einen solchen Preis konnte er eine erstklassige Tänzerin bekommen.
»Mir bist du soviel wert«, sagte er.
»Ich will mich bemühen, dir das Gefühl zu geben, daß du dein Geld nicht verschwendet hast.«
»Keine Sorge«, sagte er, »dafür sorge ich schon selbst.« Und er ergriff mich und drängte mich an die Wand.
»Oh!« rief ich.
»Gut siehst du aus, meine ehemalige Tatrix, meine hilflose Sklavin!«
»Ich kann nichts dafür, wenn ich ihr ähnlich sehe!«
»Du bist ihr nicht nur ähnlich«, sagte er.
»Herr!« rief ich.
»Du bist es selbst!«
»Nein, nein!« rief ich.
Der Thronsaal des Palasts von Argentum war kühl und unbeleuchtet. Angstvoll trat ich ein, eine Sklavin, die an einem solchen Ort eigentlich nichts zu suchen hatte. Hoch über mir spannte sich die Decke. Barfuß schritt ich über die Fliesen und näherte mich der Plattform mit dem Thronsessel.
Erschrocken fuhr ich plötzlich herum, denn die Tür fiel hinter mir zu. In dem Schatten konnte ich nicht ausmachen, wer sie geschlossen hatte.
»Herr?« fragte ich und kniete nieder, denn mir fiel nichts anderes ein. Es war der Nachmittag des großen Festtages, für den die Bankettsklavinnen angeblich von Ar geholt worden waren. Allerdings gehörte ich nicht mehr zu der Truppe. Ich war Arbeits- und Vergnügungssklavin im Eigentum von Miles aus Argentum. Heute abend sollte ich Claudius, dem Ubar von Argentum und dem Hohen Rat vorgestellt werden. Ich schaute zur Decke auf. Etwa vierzig Fuß über dem Boden hing an einem langen Seil ein goldener Sack. Das Gewicht des Sacks spannte das Seil. Zuweilen bewegte sich der Sack leicht hin und her, und man hörte das Seil quietschen.
Aus der Richtung der Tür vernahm ich ein Geräusch. Hastig schaute ich in diese Richtung.
Ich vermochte in der Dunkelheit nichts zu erkennen.
»Herr?« rief ich.
Ein Mädchen hatte mir ausgerichtet, ich solle mich im Thronsaal einfinden. Sie übermittle mir den Befehl eines freien Mannes, den sie nicht kannte. Er habe sehr bedeutsam und mächtig ausgesehen. Als Sklavin hatte ich gehorchen müssen.
Als sich meine Augen allmählich an das schwache Licht gewöhnten, konnte ich ihn in den Schatten erkennen. Er stand neben der Tür – ein großer Mann. »Senk den Blick«, sagte er.
Ich gehorchte sofort. Die Stimme kam mir bekannt vor, doch erriet ich nicht, wem sie gehörte. Sie klang seltsam angespannt. Vielleicht sprach der Mann mit verstellter Stimme.
Ich hörte Schritte hinter mir näherkommen. Plötzlich wurde ich gepackt, die Hände wurden mir auf dem Rücken gefesselt. Der Mann steckte mir sodann einen zusammengeknüllten Stoffetzen als Knebel in den Mund.
Dann erst wurde ich herumgedreht. Entsetzt starrte ich zu dem Mann auf.
»Ja«, sagte er, »ich bin es, ich, Ligurious, ehemals erster Minister von Corcyrus!«
Entsetzen durchflutete mich.
»Ich und zwei andere«, fuhr er fort, »konnten dem Angriff in Ar entkommen.« Ich erinnerte mich, daß ich in dem Haus Schwerterklirren gehört hatte. »Wie man sieht, bist du jetzt eine gebrandmarkte, kragentragende Sklavin«, sagte er. »Das ist angemessen. Es war nicht der Hauptgrund, weshalb du nach Gor gebracht wurdest, doch wäre es früher oder später ohnehin dein Schicksal gewesen, in einem Sklavenkragen zu dienen.« Hilflos starrte ich ihn an.
»Du bist die geborene Sklavin«, fuhr er fort. »Vielleicht weißt du das inzwischen. Als Sklavin bist du tausendmal schöner, als du es als freie Frau jemals warst.« Ich wand mich in seiner Fessel.
»Zu gern wüßte ich, wie du aus dem Lager Miles’ aus Argentum entkommen konntest«, sagte er. »In dieser Beziehung hast du unsere Pläne gründlich gestört. Diese Möglichkeit hatten wir überhaupt nicht in Betracht gezogen. Aber wie es aussieht, könnte sich die ehemalige Miß Collins von der Erde noch immer als sehr nützlich erweisen.«
Ich wimmerte unartikuliert.
»Ich bin nicht als Gefangener hier«, berichtete Ligurious, »ebensowenig bin ich heimlich in den Palast eingedrungen. Ich bin freiwillig gekommen. Man hat mir Immunität zugesichert, dafür werde ich bei der Identifizierung der Tatrix von Corcyrus für den Staat von Argentum aussagen. Wer kennt sie wohl besser als ich? Meine beiden Gefolgsleute, die mir treu ergeben waren und mit mir aus dem Haus in Ar fliehen konnten, befinden sich derzeit ebenfalls im Palast – verkleidet als Gesandte aus dem fernen Turia. So wie ich hier meine Aufgabe zu erfüllen habe, müssen auch sie etwas erledigen. Es gibt da nämlich eine gewisse Unsicherheit, wer die echte Tatrix von Corcyrus ist – die Frau, die im goldenen Sack unter der Decke dieses Saales hängt – oder du, die du hier hilflos vor mir liegst. Zeugen werden aussagen. Zum Beispiel ist Drusus Rencius aus Ar angereist. Zweifellos wird er dich – wie schon einmal – als die echte Tatrix identifizieren. Wir sorgten dafür, daß er wie auch etliche andere nur dich als Tatrix kennenlernte. Dementsprechend habe ich auch Kleidung aus Corcyrus herüberschmuggeln lassen, die du damals am Leibe trugst. Sleen werden dich als die Frau erkennen, die diese Kleidung trug. Claudius und sein Hoher Rat werden es bei ihrer Entscheidung natürlich noch etwas leichter haben, denn wenn der goldene Sack herabgelassen und geöffnet ist, wird nicht die echte Sheila darin stecken, sondern du, ihr Doppel. Daran wird uns der Sklavenjäger Hassan nicht hindern, da er das Bankett versäumen wird. Meine beiden Männer werden dafür sorgen. Ebensowenig rechnen wir mit Einwänden von Miles aus Argentum. Er wird Informationen erhalten, angeblich von Hassan, daß er das falsche Mädchen hatte und daß du die echte Tatrix bist. So hat dich Hassan in den Sack gesteckt und in seiner Verlegenheit und Sorge um seine Ehre den Palast verlassen, das andere Mädchen mitnehmend, das eine geeignete Verwendung als Sklavin finden soll. Auf diese Weise gedenken wir Miles aus Argentum zufriedenzustellen. Wie du wohl weißt, ist er ohnehin überzeugt, daß du die echte Tatrix warst, und nicht die andere Frau – eben weil wir dafür sorgten, daß er als Tatrix immer nur dich zu Gesicht bekam. Er wird dich als echte Tatrix identifizieren, denn er weiß es nicht besser, mit derselben Überzeugungskraft wie Drusus Rencius und andere. All dies entspricht unseren Planungen. Und natürlich werde auch ich dich als echte Tatrix wiedererkennen, darauf kannst du dich verlassen. Unterdessen wird die echte Sheila in meinem Quartier versteckt sein, um später als freie Frau verkleidet aus dem Palast geschmuggelt zu werden, als Gefährtin eines meiner Gefolgsleute, angeblich Gesandter aus Turia. Die Sklavin, die in dieser Rolle in den Palast geholt wurde, ist bereits an einen Offizier der Palastgarde verkauft. Er konnte dem günstigen Preis nicht widerstehen.«
Tränen ließen meine Umgebung verschwommen erscheinen. Vergeblich zerrte ich an meinen Handfesseln.
»Als Sklavin bist du sehr hübsch«, sagte er nachdenklich. »Man könnte in Versuchung kommen. Aber nein – das wäre zu sehr, als besäße ich sie. Bestimmt ist sie in dem Sack unbekleidet«, fuhr er fort. »Nackt wie eine Sklavin! Bestimmt haben ihr die Ungeheuer so etwas angetan! Ich darf sie nicht länger anschauen, als unbedingt nötig.«
Er richtete sich auf und ging zu einer Seitenwand des Saals. Dort löste er das Seil, das zu einem Ring in der Decke führte, und von dort zu dem Sack.
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