John Norman
In Sklavenketten auf Gor
Ich lag im sonnenwarmen Gras. Ich spürte die grünen Halme, die sanft meine linke Wange berührten, ich spürte sie am Körper, an Bauch und Schenkeln. Ich reckte mich, bewegte die Zehen. Ich war schläfrig und wollte gar nicht aufwachen. Die Sonne schien mir warm, fast heiß auf den Rücken. Meine Finger berührten den warmen Boden zwischen den Grashalmen. Meine Augen waren geschlossen. Ich widersetzte mich der Rückkehr in das Bewußtsein, wollte noch nicht aufstehen. Vorsichtig bewegte ich den Kopf. An meinem Hals schien sich ein Gewicht zu befinden; ich hörte ein leises Klirren, das ich nicht verstand.
Ich öffnete die Augen, doch nicht ganz, denn das Licht war grell. Ich sah das Gras und spürte die warme Erde. Ich schloß die Augen wieder. Mir wurde heiß. Ich mußte jetzt wirklich aufstehen. Ich mußte mir ein schnelles Frühstück machen und zur Vorlesung eilen. Es war sicher schon spät.
Da erinnerte ich mich plö tzlich an das Tuch, das mir vor Mund und Nase gepreßt worden war, an den unangenehmen Geruch, an die Kräfte des Mannes, der mich festgehalten hatte. Ich hatte mich verzweifelt gewunden, war aber nicht gegen seinen Griff angekommen. Entsetzt hatte ich versucht, den Atem anzuhalten. Ich hatte mich gewehrt, doch ohne Erfolg. Ich hatte nicht gewußt, daß ein Mann so stark sein konnte. Er hatte geduldig abgewartet, bis meine Lungen nicht länger untätig sein konnten. Keuchend hatte ich schließlich die beißenden Dämpfe tief eingeatmet und hatte zu husten und zu würgen begonnen. Unfähig, mich der lähmenden Wirkung zu widersetzen, hatte ich gleich darauf das Bewußtsein verloren.
Ich öffnete die Augen und sah wieder nur Gras vor meinem Gesicht. Ich machte vorsic htig den Mund auf und spürte die Halme an meinen Lippen. Ich grub die Finger in die Erde und spürte die Erde unter meinen Fingernägeln. Da hob ich den Kopf, rollte mich entsetzt aufschreiend herum, richtete mich auf und spürte die Kette. An meinem Hals hing ein metallisches Gewicht, die schwere Kette, die an dem Kragen um meinen Hals befestigt war, fiel zwischen meinen Brüsten herab und lag über meinem linken Bein. Im nächsten Augenblick wurde mir bewußt, daß ich nackt war. Es war kein Traum, es war grausame Wirklichkeit!
»Nein!« schrie ich. »Nein!«
Ich sprang auf. Die Kette rasselte. Ich zerrte verzweifelt daran, versuchte den Metallkragen über den Kopf zu streifen. Ich drehte das Gebilde, wobei ich mir Abschürfungen zuzog, und drückte den Kragen nach oben, der sich aber nicht abstreifen ließ. Der Ring paßte genau: zwischen Hals und Metallkragen war gerade Platz für meinen kleinen Finger. In meiner Verzweiflung wandte ich mich zur Flucht; die Kette wickelte sich zwischen meine Beine, und ich brach in die Knie. Weinend versuchte ich davonzukriechen, aber die Kette war nur etwa zehn Fuß lang; sie endete an einem kräftigen Eisenring, der in einen unregelmäßigen Granitblock eingelassen war.
Ächzend richtete ich mich auf, die Hände um die Kette gelegt, und sah mich um. Der Felsbrocken lag einsam auf einer sanft gewellten Ebene, bewachsen mit Gras, das sich im leichten Wind bewegte. Über mir spannte sich ein blauer Himmel mit ungewöhnlich weißen Wolken. Ich war allein. Hinter mir ragte der Felsbrocken auf. Ich erschauderte.
Ich war nackt. Ich, klein, bleichhäutig, war mit dem Hals an einen großen Felsbrocken gekettet, der auf der anscheinend endlosen Ebene lag.
Ich atmete tief durch. In meinem ganzen Leben hatte ich noch keine solche Luft geatmet. Sie war sauber und klar, sehr frisch, fast als wäre sie lebendig. Sie war wie die Luft einer neuen Welt, die die Gifte der menschlichen Vorherrschaft noch nicht kannte, die die gefährlichen zweischneidigen Geschenke von Zivilisation und Technologie noch nicht ertragen mußte. Mein Körper lebte auf. Der ungetrübte Sauerstoff wirkte so unmittelbar auf meinen Körper, daß ich mich lebendiger und wacher fühlte als je zuvor. Es war, als hätte sich mir eine zusätzliche Dimension des Erlebens eröffnet. Selbst mein Auge schärfte sich in der reinen Luft. Ich blickte weiter und sah mehr als in der trüben, vergifteten Atmosphäre meiner bisherigen Umwelt. Wie weit entfernt erschienen mir in diesem Augenblick die Verschmutzungen der grauen Welt, an die ich mich erinnerte.
Ich hatte Angst.
Ungläubig starrte ich auf die Kette, die von meinem Halskragen herabhing. Die einzelnen Glieder waren kurz und schwer und bestanden aus primitivem, schwarzem Eisen. Die Kette wirkte nicht besonders gut gearbeitet, erfüllte aber sichtlich ihren Zweck. Den Kragen konnte ich nicht sehen, doch fühlte er sich unter meinen Fingern rauh an; vermutlich bestand er ebenfalls aus Eisen. Unter meinem rechten Ohr befand sich ein Scharnier; die Kette endete an einem Ring, der unter meinem Kinn am Kragen befestigt war, während ich unter dem linken Ohr ein unförmiges Schloß ertastete, das für einen großen Schlüssel gearbeitet schien. Ich fragte mich, wer den Schlüssel zu dem Kragen bei sich tragen mochte.
Ich sah mich um und redete mir ein, daß ich nun langsam aufwachen müsse! Dies alles war ein schrecklicher Traum. Vielleicht hatte ich den Verstand verloren! Nein, sagte ich mir, ich träume nur, ich träume einen seltsamen Traum, der sich überaus real anfühlt. Es muß ein Traum sein, ein Traum!
Da fiel mir zu meinem Kummer der Mann ein, der mich von hinten überwältigt hatte, und die Wahrheit dämmerte mir mit überwältigender Logik. Ich fühlte mich wach wie nie zuvor, mein Körper bewegte sich auf eine Weise und mit einer Leichtigkeit, die ich nicht kannte; es gab da einen kaum merklichen Unterschied im Gewicht, im Schwung meiner Bewegungen, ein Gefühl, das ich bisher aus meinem Bewußtsein verdrängt hatte, eine Erkenntnis, an der ich nun nicht mehr vorbeikam.
Ich ahnte, daß ich mich nicht mehr auf der Erde befand! Die Schwerkraft dieser Welt war anders. Ich stand auf einer anderen Welt, einer unbekannten Welt. Sie war hell und wunderschön anzuschauen, doch sie war nicht die Erde, nicht meine Heimat. Man hatte mich hierhergebracht, ohne mich zu fragen; den Kräften, die hier am Werk waren, hatte mein Wille nichts bedeutet.
Allein, nackt und wehrlos – so stand ich vor dem großen Felsbrocken und starrte in die Weite. Ich war allein und hatte Angst. Ich schlug die Hände vors Gesicht und begann zu schluchzen. Im nächsten Augenblick war mir, als bewege sich der Boden unter meinen Füßen. Dunkelheit hüllte mich ein, und ich verlor das Bewußtsein.
Ich spürte, wie ich rücksichtslos auf den Rücken gerollt wurde. »Veck, Kajira«, sagte eine rauhe Stimme. Ich riß erschrocken die Augen auf. Eine Metallspitze berührte an der linken Hüfte meinen Körper; der Speer wurde gewendet und mir mit dem Schaft heftig gegen den Oberschenkel gestoßen. Der Mann trug einen Bart. Ich lag zwischen seinen Beinen und blickte entsetzt zu ihm auf.
Er war nicht allein; ein Stück hinter ihm stand ein zweiter Mann. Beide trugen rote Tuniken, Schwerter und Dolche; der weiter entfernt stehende Mann hatte sich einen Schild auf den Rücken geschnallt und trug einen Speer, unter dessen Klinge ein Helm mit einem flauschigen Federbüschel hing; um den Hals trug er eine Kette aus den Zähnen eines mir unbekannten wilden Tiers. Der Mann hatte Helm und Schild abgelegt; die Helme schienen den ganzen Kopf zu umschließen und besaßen vorn Öffnungen, die ungefähr die Form eines ›Y‹ aufwiesen. Beide Männer trugen ihr Haar lang.
Ich stand auf und versuchte meine Blöße zu bedecken. Solchen Männern war ich noch nicht begegnet. Sie strahlten etwas beängstigend Animalisches aus.
Der Bärtige trat dicht vor mich hin. Ich sah die breiten schimmernden Ledergurte, die die mächtige Klinge hielten; darunter spannte sich das rote Leinengewebe seiner Tunika. Wenn er mich jetzt ergriffe und mit aller Kraft an sich drückte, deren ich ihn für fähig hielt, so müßten sich die Gurte und das grobe Gewebe auf meinen Brüsten abzeichnen.
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