Ich spürte seine Dolchspitze unter meinem Kinn. Ich schrie auf und stellte mich auf die Zehenspitzen. So stand ich vor den beiden, aufrechter als je zuvor.
Der Mann trat zurück und begann, begleitet von dem anderen, um mich herumzugehen. Sie schienen sich über mich zu äußern – in einer Sprache, die ich nicht verstand. Ich zitterte. Es dauerte mehrere Minuten, bis die beiden ihre Inspektion beendet hatten. Sie beeilten sich nicht.
Ich spürte das Gewicht des Kragens; die Kette drückte gegen meine Brust.
»Bitte«, flüsterte ich, ohne die Haltung zu verändern.
Der Bärtige trat vor und versetzte mir plötzlich mit der rechten Hand eine heftige Ohrfeige. Ich hatte das Gefühl, daß mir der Kopf explodierte. Ich schmeckte Blut auf den Lippen.
Der Mann bellte ein Kommando. In meiner Panik wußte ich nicht, was ich tun sollte. Unwillkürlich fragte ich mich, wie es um die Frauen auf dieser Welt bestellt sein mochte – auf einer Welt, da es solche Männer gab.
Meine Haare sind dunkelbraun – von der Farbe, die auch meine Augen haben. Meine Haut ist hell, ich bin etwa einsfünfundsechzig groß und wiege ungefähr hundertundzehn Pfund. Meine Figur ist nicht auffällig, aber doch sehr gut.
Ich heiße Judy Thornton, bin Dozentin für Englisch und habe auch ein bißchen Lyrik veröffentlicht.
Nackt und angekettet kniete ich nun vor den beiden Barbaren und hatte entsetzliche Angst. Ich mußte nie derknien und die Beine spreizen, und die Männer blickten auf mich herab.
Ich wagte kaum zu atmen, aus Furcht, wieder geschlagen zu werden. Ich wußte nicht, wozu diese unberechenbaren Männer fähig waren. Ich beschloß, ihnen keinen Grund zum Zorn zu geben.
Die Männer musterten mich eingehend, und der Bärtige sagte etwas Unverständliches. Mit dem Speerschaft zwängte er schließlich meine Knie noch weiter auseinander. Unwillkürlich stöhnte ich auf, in dieser Position fühlte ich mich absolut hilflos. Wie ich später erfahren sollte, kniete ich so in der Haltung einer goreanischen Vergnügungssklavin.
Die beiden Ungeheuer wandten sich von mir ab und machten sich in der Nähe des Felsens zu schaffen. Anscheinend suchten sie etwas.
Nach einer Weile kam der Bärtige zu mir. »Bina?« fragte er aufgebracht. »Bina, Kajira? Var Bina?«
»Ich weiß nicht, was Sie wollen«, flüsterte ich. »Ich verstehe Sie nicht.«
Offenbar fragte er mich nach dem gesuchten Gegenstand.
Plötzlich versetzte er mir mit dem Handrücken einen brutalen Schlag ins Gesicht. Ich war außer mir vor Entsetzen über die Rücksichtslosigkeit dieses Verhaltens und kämpfte gegen die Bewußtlosigkeit. Galt diesem Vieh eine Frau nichts? Er zerrte mich an der Kette hoch und vergrub seine Hände in meinem Haar. »Var Bina, Kajira?« rief er.
»Ich verstehe nicht, was Sie meinen!« schrie ich verzweifelt. Der Schmerz war unglaublich. Meine zarten Finger vermochten gegen seine breiten Hände nichts auszurichten.
Er warf mich kettenrasselnd zu Boden. Entsetzt lag ich vor ihm. »Bitte schlagen Sie mich nicht!« rief ich. »Bitte!« Ich bedeckte den Kopf mit den Händen.
Zornig stand er über mir. Ich wagte nicht aufzublicken, sondern schluchzte vor mich hin.
Plötzlich sagte der andere Mann etwas und stieß mich mit dem Speerschaft an.
Ich richtete mich auf Hände und Knie auf und nahm die knieende Position wieder ein.
Die beiden Männer berieten sich. Zu meinem Entsetzen kam der Bärtige wieder auf mich zu. Er hockte sich vor mir nieder und zog den etwa sieben Zoll langen zweischneidigen Dolch aus der Scheide. Der andere Mann stellte sich hinter mich und zog mir den Kopf zurück.
»Nein!« flehte ich. »Nein!«
»Var Bina, Kajira?« fragte der Bärtige. »Var Bina?«
»Bitte!« flüsterte ich. Ich hätte alles getan für diese Männer. Ich hätte ihnen alles gesagt, was ich wußte, nur hatte ich keine Ahnung, was sie wollten. Ich konnte ihnen die gewünschte Information nicht geben.
»Töten Sie mich nicht!« flehte ich. »Ich tue alles, was Sie wollen! Behalten Sie mich als Gefangene! Bin ich nicht schön? Könnte ich Ihnen nicht zu Diensten sein? Ihre Sklavin? Bitte!«
Ich erbebte, wurde mir doch erst in diesem Augenblick klar, was ich da Schreckliches sagte. »Ich will Eure Sklavin sein, Ihr Herren!« stöhnte ich mein Elend hinaus. Ich wußte es nicht, doch diese beiden Männer, reiche und mächtige Herren, verfügten über viele Frauen, die von gleichem oder größerem Reiz waren als ich. Auf der Erde hatte ich als Schönheit gegolten, während auf Gor – das sollte mir später aufgehen – Mädchen wie auf den Märkten für eine Handvoll Kupfertarsks den Besitzer wechselten. Ich war nichts Besonderes. Auf dem Elite-College war ich das schönste Mädchen der Unterstufe gewesen; im Jahrgang über mir hatte es nur ein Mädchen gegeben, das als schöner gegolten hatte als ich, die hübsche Elicia Nevins, eine Anthropologiestudentin. Wie ich diese Rivalin gehaßt hatte!
Ich spürte die Schneide des Dolches auf meiner Haut. Ich spürte Hand und Arm des Mannes. Mein Leben sollte zu Ende gehen! Ich sollte getötet werden, weil ich den Männern nichts mehr nützen konnte!
Doch die Klinge verhielt und entfernte sich wieder von meinem Hals. Der Bärtige blickte zur Seite, über die Ebene. Im gleichen Augenblick hörte ich es ebenfalls. Ein Mann sang unbeschwert vor sich hin, eine ins Ohr gehende Melodie, in der sich die Tonfolgen laufend wiederholten.
Der Bärtige hob zornig den Kopf, steckte den Dolch fort und ergriff Schild und Speer. Der andere Mann blickte dem Wanderer entgegen, wobei er den Speer in der rechten Hand balancierte. Der Bärtige stand in der Nähe seines Helms.
Ich hockte auf allen vieren im Gras. Der Schock hatte mir die Glieder gelähmt, ich mußte mich erbrechen. Ich zerrte hilflos an dem elenden Metallkragen. Wenn ich nur hätte fortlaufen oder wegkriechen können! Doch ich war angekettet.
Der dritte Mann näherte sich mit gleichmäßigen Schritten. Er machte einen gutgelaunten Eindruck. Er sang aus vollem Hals, als sei er an lange Wanderungen gewöhnt. Sein Haar war schwarz und lang. Auch er trug ein rotes Gewand und war ähnlich gerüstet wie die beiden anderen: mit einem kurzen Schwert an der linken Hüfte, einem kurzen Dolch und schweren Sandalen, die fast schon Stiefel waren. Über der linken Schulter trug er einen Speer, an dem ein Schild und ein Helm baumelten; über der rechten Schulter hing ein Beutel, in dem sich wohl seine Vorräte befanden; an seinem Gürtel war links hinter dem Schwert ein Sack befestigt, der vermutlich Wasser enthielt. Lächelnd kam er durch das hohe Gras näher. Auf den ersten Blick ähnelte er den beiden Männern, die mich miß handelt hatten. Die se aber reagierten auf ihn, als seien sie über sein Erscheinen nicht sonderlich erfreut. Seine Tunika war etwas anders geschnitten; an der linken Schulter befand sich ein Zeichen, das sie nicht hatten. Die Unterschiede waren minimal, doch wer solche Details zu deuten verstand, konnte einiges daraus ableiten. Ich zog an der Kette. Niemand kümmerte sich um mich. Ohne die Kette hätte ich mich vielleicht davonschleichen können.
Etwa zwanzig Meter vor uns hörte der Mann zu singen auf und stand lächelnd im Gras. Er hielt den Speer mit den daran hängenden Gegenständen in der linken Hand und hob die Rechte zum fröhlichen Gruß, die Handfläche nach innen gerichtet, zum Körper.
»Tal, Rarii!« sagte er lächelnd.
»Tal, Rarius«, antwortete der Bärtige.
Der Neuankömmling löste den Wassersack von seinem Gürtel und ließ den Beutel von der Schulter gleiten.
Der Bärtige schwenkte zornig den Arm. Er befahl dem anderen zu verschwinden. Dabei deutete er auf sich und seinen Begleiter. Sie waren zu zweit! Der Neuankömmling lächelte, legte den Speer auf den Boden und löste Helm und Schild.
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