Verzweifelt versuchte ich mich zu befreien, doch es gelang mir nicht.
Hand über Hand ließ er den goldenen Sack herab, bis das Gebilde auf den Bodenfliesen stand. Dann öffnete er den Stoff und zog den verwundbaren, zitternden Körper einer nackten Frau heraus. Sie starrte ihn hilflos an. Sie war an Händen und Füßen gefesselt und trug einen Knebel.
»Sie haben dich in einen Sklavenkragen gesteckt!« rief er. »Wie konnten sie es wagen!«
Sie bemühte sich, vor ihm zu knien. In seiner Erregung schien ihm das gar nicht aufzufallen.
Der Eisenkragen gehörte natürlich Hassan. Er hatte ihr das Metall in Ar angelegt und es ihr seither offenbar nicht wieder abgenommen.
»Nein!« rief Ligurious. »Diese Ungeheuer! Sie haben deinen schönen Schenkel unter das Brandeisen gezwungen!«
Ich mußte daran denken, daß Hassan ihr in Ar gesagt hatte, sie würden noch einen kurzen Besuch machen, ehe sie seine Unterkunft aufsuchten. Dieser Besuch mußte einer Werkstatt der Metallarbeiter gegolten haben, wo man das Brandzeichen angebracht hatte.
Ligurious hantierte fahrig an ihren Fesseln herum. Er hatte zu schwitzen begonnen. Angstvoll kniete sie am Boden und hatte ihm den Rücken zugewendet.
»Was hat man mit dir gemacht!« rief er. »Was hat man mit dir gemacht!«
Sah er denn nicht, was aus ihr geworden war?
Sie war nicht mehr die Frau, die er zuletzt gesehen hatte. Er hatte sie als kalte, hochmütige, arrogante Frau gekannt, mürrisch und barsch, grausam, streng und fordernd. Mit jener Frau hatte das Mädchen, das da vor ihm kniete, nicht mehr viel gemein.
Es gab viele Unterschiede. Sie kniete, sie war nackt, sie trug einen engen Sklavenkragen und ein Brandzeichen. Ihr Herr Hassan hatte sie außerdem offenbar einem sorgfältig überlegten Diät- und Trainingsprogramm unterzogen, und ihr Körper strömte Lebenskraft und Gesundheit aus. All diese Dinge aber waren eher nebensächlich und äußerlich. Die wichtigsten Unterschiede betrafen innere Dinge, die Grundeinstellung, das Auftreten dieser Frau. Sie war nachgiebig und verwundbar, sie war äußerst weiblich geworden, sie war, wie es sich für eine Frau am besten auswirkte, eine Sklavin im ureigensten Sinne des Wortes.
Ligurious zerrte ihr den Knebel aus dem Mund.
»Herr!« schluchzte sie.
»Du kennst mich«, sagte er. »Ich bin Ligurious!«
»Ja, Herr«, sagte sie.
»Nenn mich nicht ›Herr‹!« rief er heiser vor Rührung. Dabei war er in Wirklichkeit begierig, dieses Wort aus ihrem Munde zu hören. Er stand im Widerstreit mit sich selbst. Zu lange hatte er diese Frau angebetet. Noch wollte er die Augen vor dem verschließen, was sie geworden war, vor der Tatsache, daß sie sich verwirklicht hatte; anscheinend wollte er nichts daran ändern, daß sie sich über ihm unerreichbar isolierte. Sein Hin- und Hergerissensein war früher von ihr offenbar rücksichtslos ausgenutzt worden. Er begehrte sie einerseits, wollte sie beherrschen, sah sie andererseits aber als ein eiskaltes Ideal, als etwas, das besser und anders war als alle anderen Frauen, als etwas, dessen es kaum würdig war, als etwas, das er womöglich gar nicht erstreben durfte, als etwas beinahe Unberührbares und Abstraktes. In seinem Verstand zwang er sie in die Vollkommenheit und übersah dabei ihre Rolle als Frau. Hassan dagegen sah sie nicht so. In seinen Armen würde sie sich nicht um sich selbst betrogen finden. Eine solche Situation ist übrigens gar nicht so selten. Eine Frau, die von einem Mann als Göttin verehrt wird, ist oft die unterwürfige, flehende Sklavin eines anderen.
»Aber du bist ein freier Mann«, flüsterte sie. »Was machst du hier? Was machst du? Wo ist Hassan, mein Herr?«
»Möchtest du aufgespießt werden?« fragte er.
»Nein!«
»Dein Körper!« rief er plötzlich los. »Es ist der Körper einer Sklavin!«
»Ja, Herr!« schluchzte sie und versuchte sich niederzuducken und ihre Brüste zu bedecken.
»Und der Kragen um deinen Hals, und das Brandzeichen, großartig!«
»Danke, Herr«, sagte sie schluchzend.
»Nein!« sagte er plötzlich zu sich selbst. »Das darf nicht sein!« Dann schaute er sie an, deutete zornig auf meine Tunika, die neben mir auf dem Boden lag. »Zieh das an!« befahl er. »Schnell! In den Sälen wird man dich für sie halten.«
»Ja, Herr«, sagte sie.
Im nächsten Moment zerrte mich Ligurious zu dem goldenen Sack. Dort drehte er mich auf den Bauch und ersetzte meine Fesseln durch jene, die Sheila getragen hatte. Auch der Knebel wurde ausgetauscht. Mit den Füßen voran wurde ich schließlich in den goldenen Sklavensack geschoben. Der Stoff wurde hochgezogen und über meinem Kopf zugebunden. Gleich darauf wurde ich hilflos in dem Sack in die Luft gezogen. Schließlich wurde das Seil festgebunden. In der Dunkelheit des Beutels pendelte ich hin und her, bis ich schließlich zur Ruhe kam und nur mein gelegentliches Zucken für neue Schwingungen sorgte.
Ich spürte, wie der Sack herabgelassen wurde. Ich hatte nicht das Gefühl, länger als eine Ahn darin gesteckt zu haben. Auf keinen Fall konnte das große Fest schon begonnen haben.
Wieder lag das Behältnis auf dem Boden und wurde geöffnet.
Ich riß die Augen auf.
Wegen des Knebels konnte ich nicht aufschreien. Drusus Rencius zerrte mich aus der Stoffhülle. Hinter ihm kniete nackt und gefesselt Sheila, die ehemalige Tatrix von Corcyrus.
Drusus Rencius nahm mir die Fesseln und schließlich auch den Knebel ab. »Still«, sagte er.
Ich nickte und kniete vor ihm nieder.
Dann sah ich, wie er Sheila unsanft die Fesseln und den Knebel anlegte, die er mir abgenommen hatte. Anschließend stieß er sie in den Sack, schloß ihn und hatte sie wenige Ihn später als hilflose Gefangene wieder unter das Dach des Saals gehievt.
Schüchtern streckte ich eine Hand aus und berührte Drusus Rencius. »Darf ich etwas sagen?« flüsterte ich.
»Ja.«
»Ich bin nicht die Tatrix von Corcyrus«, sagte ich.
»Davon bin ich überzeugt«, sagte er. »Ich war ein Dummkopf und ein Narr – aber das gilt für viele andere ebenso!«
»Wo ist Ligurious?« wollte ich wissen.
»Bei seinen Genossen aus Corcyrus, die sich als Turia-Gesandte ausgeben«, antwortete er. »Zum Glück haben sie mich nicht gesehen. Ich erkannte sie natürlich sofort. Überhaupt habe ich Ligurious im Auge behalten, seit ich merkte, daß er im Palast ist. So bekam ich mit, daß er den Thronsaal betrat, und sah dich, wie du ihm folgtest. Später kam er mit der anderen Frau heraus, der Frau, die ich mir später aus seinem Quartier holte, nachdem er gegangen war. Ich mußte sie wieder in den Sack stecken, wohin sie gehört! Als er seine Unterkunft verließ, trug er bereits seine Festkleidung. Ich nehme also an, daß er ihren Verbleib erst herausfinden wird, wenn der Sack geöffnet wird.«
»Ligurious’ Genossen haben die Absicht«, sagte ich, »Hassan daran zu hindern, an dem Bankett teilzunehmen.«
»Hassan kann auf sich selbst aufpassen«, sagte Drusus Rencius.
Ich blickte ihn verzweifelt an.
»Steh auf«, befahl er. »Ich glaube, dies gehört dir. Zieh es an.« Und er warf mir meine Tunika hin.
»Du bist sehr hübsch«, sagte er.
»Danke, Herr.«
»Die andere Sheila ist auch sehr hübsch«, sagte er. »Es wird interessant sein, euch heute abend zu vergleichen, wenn ihr Claudius und dem Hohen Rat präsentiert werdet.«
»Gewiß, Herr.«
Er hielt mich an den Oberarmen und schaute mir tief in die Augen. »Corcyrus ist lange her«, sagte er nachdenklich.
»Ja, Herr«, sagte ich.
»Vielleicht bist du ja doch die Tatrix von Corcyrus«, sagte er. »Wäre das möglich?«
»Nein, Herr!« rief ich. »Nein!«
»Es ist lange her, seit du mich als freier Mann gequält hast«, sagte er.
»Verzeih mir, Herr.«
Читать дальше