»Kommt!« erwiderte Dur Tahar, und ihre Leute umringten die vier und begleiteten sie durch die Rampe. Hilfy machte zwei Schritte hinter ihnen her und blieb dann mit angelegten Ohren stehen, die Hände seitlich herabhängend, während ihre Verwandten im Rampengang der Mondaufgang verschwanden.
Ihre ganze Körperhaltung brachte Demütigung zum Ausdruck, die Erniedrigung einer abgewerteten und beiseite geschobenen Halbwüchsigen. Pyanfar steckte die Hände hinter den Hosenbund, weil sie in ihrer Verlegenheit nicht wusste, was sie mit ihnen machen sollte — sie konnte sie einfach nicht ausstrecken und Hilfy wie ein Kind trösten. Es war deren Sache, es so zu nehmen, wie es in ihren Kräften stand. »Sie haben einen Schock erlitten«, sagte sie einen Moment später. »Es tut mir leid, Tante.«
»Komm!« sagte Pyanfar und nickte in Richtung ihrer eigenen Rampe. Eine rote Flut überspülte ihr Blickfeld, ein langsames Sieden. Hilfys wegen musste sie die Sache einfach so nehmen, wie sie ausfiel, aber es nagte trotzdem an ihr. Sie ging als erste hinauf und Haral als letzte, und sie überließen Hilfy ihrem Schweigen und der Wiederherstellung ihrer Würde.
Feiglinge, dachte Pyanfar und schluckte auch diesen Gedanken Hilfys wegen hinunter. Sie benötigten die zusätzlichen Hände verzweifelt; auch diese weniger edle Erwägung fraß an ihr. Sie brauchten die Faha. Aber die Faha hatten genug von den Kif.
Und dort draußen lagen Kif-Schiffe und lauerten. Dessen war sie sich in zunehmendem Maße sicher — wenn nicht tatsächlich an den Rändern des Kirdu-Systems, wie es sehr wohl sein mochte, dann doch zumindest überall verstreut und auf ihre Gelegenheit wartend. Mehr und mehr Kif-Schiffe, ein sich sammelnder Schwarm von ihnen, und diese Kooperation miteinander war bislang ohne Beispiel.
Durch die Luftschleuse betraten sie den Korridor, und Chur und Geran, die sich mit der offenkundigen Absicht, ihre Faha-Gäste willkommen zu heißen, auf den Weg nach draußen gemacht hatten — blieben im Eingang des Op-Raumes stehen, einfach so.
»Unsere Freunde haben ihre Absicht geändert«, sagte Pyanfar knapp. »Sie haben sich entschlossen, mit den Tahar zu fliegen. Es hat etwas mit der Verletzung zu tun, die eine von ihnen erlitt, und die Tahar haben ihnen einen schnelleren Heimweg versprochen.«
Damit war der Geschichte in Hilfys Interesse ein akzeptabler Anschein verliehen. Chur und Geran wichen zurück, als Pyanfar in den Op-Raum trat und Geran und Tully betrachtete, der dort saß. Geran begriff gut und Tully sah beunruhigt aus, spürte die in der Luft liegende Stimmung, ganz ohne Zweifel, verstand sie aber nicht. »Hat nichts mit dir zu tun«, sagte Pyanfar abwesend und nahm in einem Sessel am hinten stehenden Tisch Platz, besah sich das Systembild, das Geran überwacht hatte. Hilfy und Haral kamen zusammen herein, und es herrschte eine gespannte Stille, als alle hier versammelt wären und Hilfy sich bemühte, ein neutrales Gesicht zu machen.
»Na ja, viel Glück für sie«, brummte Tirun. »Sie haben wirklich genug erlebt.«
»Es sind Kif draußen auf dem Dock«, berichtete Pyanfar. »Sie wissen zuviel und werden darüber frech. Sie sind vor uns von Kita hierher gekommen, ein Teil von dem Haufen auf Treffpunkt oder Urtur… Urtur, vermute ich, denn ich habe Namen überprüft, und es waren nicht mehr dieselben wie dort. Die Nachricht wandert einfach von einem Kif zum nächsten weiter. Es wird eng hier.«
»Bald werden noch mehr hier sein«, meinte Haral. »Ich wette, dass es draußen vor dem System welche gibt. Käpt‘n, glaubst du, wir könnten die Mahe überreden, uns zu unserem Sprungpunkt zu eskortieren? Sicherlich reicht unser Einfluss dafür aus.«
»Diese Geschichte wird ihren Weg von Station zu Station machen«, sagte Pyanfar bitter.
»Götter — aber ich glaube nicht, dass wir viel Wahl haben. Ich werde sie bewegen, uns nach draußen zu begleiten.«
»Wenn unser Heck wieder zusammengeflickt ist«, meinte Tirun verdrießlich.
Von weiter unten aus dem Korridor drang ein Geräusch herein — Schritte in der Luftschleuse.
Alle Köpfe drehten sich zur Tür, und Pyanfar griff nach der Pistole in ihrer Tasche, bahnte sich ihren Weg an Tirun vorbei zur Tür des Op-Raumes und entsicherte die Pistole klickend.
Es war eine Hani — Hilan Faha, die überrascht eine Hand hochwarf und stehen blieb, als sie Pyanfar erblickte. Letztere schaltete mit einer Krallenspitze wieder die Sicherung ein und stieß die Waffe in die Tasche zurück. Sie spürte, dass die anderen von ihrer Besatzung hinter ihr standen.
»Plötzlich die Meinung geändert?« fragte sie die Faha.
»Ich muss mit dir reden. Und mit meiner jungen Kusine.«
»Mit deiner Kusine, verflucht, und mit mir. Komm rein! Weder sie noch ich werden uns hier draußen wie Dockshausierer unterhalten.«
»Ker Pyanfar«, murmelte die Faha eine Anstandsformel, die in keiner Weise den Zorn der Angesprochenen besänftigte. Pyanfar winkte die ganze Gesellschaft zurück in den Op- Raum — erinnerte sich erst dann an Tully, der dort in der Falle saß, aber es gab ja kein Geheimnis um seine Anwesenheit auf dem Schiff und keinen Grund, ihm zu befehlen, sich an all den anderen vorbei hinauszustehlen. Sollte die Faha doch vor ihm sprechen; sollte sie doch ihre Entschuldigungen unter dem Blick des Außenseiters abgeben — das geschah ihr recht.
Und Hilan Faha blieb beim Anblick Tullys im Eingang stehen, dieser nackthäutigen Kreatur von Hani-Gestalt und in Hani-Kleidung, die mit der Besatzung am Tisch saß. Hilans Ohren sanken herab. »Das da«, sagte sie, sich zu Pyanfar umwendend, »ist das Ding, das die Kif wollen — oder?«
»Sein Name lautet Tully.«
Hilan presste die Lippen zusammen, wobei sich bedrohlich die Nase runzelte. »Ein lebendiges Ding. Bei den größeren Göttern, wo bist du gewesen, Chanur, und was geht eigentlich vor sich in dieser Geschichte?«
»Wenn du mit diesem Schiff reisen würdest, dann könntest du fragen, und ich würde eventuell antworten. Wie die Dinge stehen, kannst du aber dann noch alles erfahren, wenn es auch die Tahar tun.«
»Verdammt, für dich ist die Sternjäger untergegangen — hierfür …« Sie spie aus und schluckte weitere Worte hinunter, als Pyanfar sie finster anblickte. »Es war die Entscheidung des Kapitäns. Wir haben bei Urtur alles ausgeladen und sind abgehauen, um euch einen Ausbruch zu ermöglichen. Aber wo wart ihr dann? Wo ist die Hilfe für uns geblieben?«
»Blind, Hilan Faha — wir haben im Staub gehockt und waren völlig blind. Wir haben es versucht, glaub mir; aber letztlich hatten wir nur noch die Wahl, zu springen oder einen Zusammenstoß zu riskieren. Wir hofften, ihr würdet in dem von uns erzeugten Durcheinander entkommen.«
Hilans Atem ging ruhiger. »Es war die Entscheidung des Kapitäns, nicht meine. Ich hätte mich nicht aus dem Dock gerührt, merk dir das! Ich wäre da hockengeblieben und hätte es euch überlassen, mit den Kif zurechtzukommen, mit diesem sogenannten Diebstahl…«
»Du erachtest ein Kif-Wort für höher als meines?«
»Wenn du eine Erklärung hast, würde ich mich freuen, sie zu hören. Meine Kusinen sind tot.
Wir sind erledigt. Wahrscheinlich werden wir kein neues Schiff mehr bekommen. Das große Chanur macht Pläne, aber Leute wie wir… wir gehen auf andere Faha-Schiffe, wo immer wir einen Kojenplatz finden. Ich vermute, du weißt, wo Gewinne zu holen sind, und — mögen die Götter dein intrigantes Fell verfaulen lassen — du hast etwas aufgestört, wofür eine Menge Schiffe bluten werden. Wofür eine Menge kleine Gesellschaften untergehen werden. Sie haben mir eine Botschaft für dich mitgegeben, Pyanfar Chanur; das soll ich dir von den Kif ausrichten: Das, was du gemacht hast, ist zu wichtig, als dass man es ignorieren oder durchgehen lassen könnte. Sie werden dir überallhin folgen, egal wie viel Leute dafür erforderlich sind — sogar bis Anuurn! Sie sagen, sie würden allen Hani klarmachen, dass deine Beute kein Gewinn für sie ist. Soviel von ihrem Hakkikt, Akukkakk, dem von Urtur. Seine Worte.«
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