»Es gab stets Gerede, und Kara Mahn trieb sich immer im Distrikt umher — er und Tahy. Es wurde in diese und jene Richtung geredet, und ich glaube, Na Khym hat direkt mit Vater gesprochen.«
»Verflucht soll er sein! Kohan hätte in seinem Brief etwas sagen können.«
»Er hat mich geschickt«, sagte Hilfy mit dünner und schmerzerfüllter Stimme. »Als die Stolz im System aufkreuzte, bat ich darum, gehen zu dürfen, und er sagte, er würde das nie erlauben. Und dann… in der darauffolgenden Nacht gab er mir den Brief und steckte mich ins Flugzeug — Götter, auf diese Weise verschwand ich in Richtung Hafen, fast ohne Gelegenheit, etwas einzupacken. Er sagte, ich müsste mich beeilen, oder die Stolz wäre schon wieder weg aus dem Hafen und damit auch meine Chance. So war es in jener Nacht, aber ich dachte…, ich dachte, der Grund für alles liege darin, dass Schiffe nicht mit Tag und Nacht rechnen und dass sowieso eine Fähre hinaufging.«
»Oh, Götter!« ächzte Pyanfar und setzt sich an den Tisch gelehnt hin, blickte dann wieder zu dem Kreis ängstlicher Gesichter auf. »Soweit geht mein Sohn noch nicht. Mögen die Götter die Kif vernichten; wir werden sie erledigen, aber wir werden uns auch um diese kleine Sache zu Hause kümmern, und zwar als erstes.«
Ohren richteten sich auf. »Wir stehen zu dir«, sagte Haral. »Götter… ja, nach Hause! Werden dort einige Nacken schütteln.«
»Hai!« stimmten Geran und Tirun zu, und Tully zuckte sichtlich zusammen und beruhigte sich erst wieder, als Chur seine Schulter tätschelte. Er setzte sich und Hilfy nahm neben ihm Platz und legte ihm eine Hand auf die Schulter — zwei niedergeschlagene Seelen; die miteinander nicht viel mehr teilten als ihr Elend.
»Wir bringen das in Ordnung«, sagte Pyanfar zu Hilfy. »Und wir tun das zu unseren Bedingungen. Einverstanden, Nichte?«
»Er hat mich weggeschickt«, sagte Hilfy. »Ich hätte helfen können, und er sah es kommen und schickte mich fort.«
»Huch. Du bist noch nicht alt genug, um deinen Vater so zu sehen wie ich, bei allem Respekt vor dir. Er denkt nach, bevor ihn ein Problem erwischt — kein großes Überlegen, während es abläuft, die Götter wissen es, aber er baut die Teile auf wie Spielfiguren auf einem Brett. Verdammt zu stolz, um mich auf den Planeten herabzurufen, ah ja; zu verdammt fein, um die junge Hilfy Chanur bei der Hand zu haben, damit sie sich mit ihren Mahn-Kusinen in die Wolle kriegt und seine eigene Stimmung anheizt… lass hier nicht deine Ohren hängen, Kleine! Wir sind hier in der Familie. Soweit es deinen Vater betrifft, finden Sonnenauf- und Untergang auf dem Horizont deiner Schultern statt, und mein verfluchter Sohn würde schnurgerade auf den größtmöglichen Ärger zumarschieren, den er deinem Vater nur bereiten kann, um Chanur zu übernehmen, und das beträfe deine kostbare und unerfahrene Person. Nein, Kohan hat einfach das Feld geklärt, sonst nichts. Es bestehen Chancen, dass er damit einen Fehler gemacht hat; auch dagegen ist er nicht immun. Ich hätte es vorgezogen, dich dort zu haben, weil ich glaube, du wärst mit Klein-Kara gut fertig geworden und mit Tahy obendrein. Aber wenn die Mondaufgang heimwärts fliegt, dann deswegen, die hier gewonnenen Neuigkeiten dorthin zu bringen; und das wird Probleme aufwerfen, dank den Faha. Und es wird einen Zeitpunkt geben, zu dem Kohan in der Enge sitzen wird. Welche Gefährtinnen hat er im Haus? Deine Mutter — und wen sonst noch?«
»Akify und Lilun.«
»Ich hoffe, dass deine Mutter zu ihm steht«, sagte Pyanfar mit Nachdruck. Die Kihan und die Garas waren nur Zierrat. Sie ging hinüber zum Pult und starrte einen Moment lang auf den Scanner. »Egal. Was da auch vor sich geht, wir werden es in Ordnung bringen.«
»Pyanfar…«
Tullys seltsame Stimme. Sie drehte sich um und schaute ihn an, erinnerte sich an das Funkgerät und stellte es auf Sendung, machte sich nicht die Mühe mit dem Ohrhörer.
»Frage«, sagte Tully und machte eine vage Geste in Richtung der Tür, durch die die Faha hinausgegangen war. »Er kämpfen«.
»Sie«, stellte Pyanfar ungeduldig richtig. »Alles sie.« Tully biss sich auf die Lippe und sah verwirrt aus. »Es hat nichts mit dir zu tun«, sagte Pyanfar. »Nichts, was du verstehen würdest.«
»Ich gehen«, bot er an und machte Anstalten, seinen Platz am Tisch zu verlassen, aber Chur hielt ihn an der Schulter fest. »Nein«, sagte sie. »Alles in Ordnung, Tully. Niemand ist böse auf dich.«
»Du bist nicht der Grund«, fügte Pyanfar hinzu. »Nicht davon.« Sie ging zur Tür, wandte sich noch einmal zu ihrer Mannschaft um. »Wir bringen das in Ordnung«, sagte sie, drehte sich um und ging hinaus, allein den Korridor hinab zum Lift.
Khym gestürzt. Vielleicht tot. Zumindest im Exil. Der Verlust ihres Gefährten bedrückte sie in überraschendem Maße. Mahn würde in den Händen des jungen Kara nicht mehr das sein, was es zu Khyms Zeiten gewesen war. Khyms Stil war lässig und würdevoll gewesen und zugegebenermaßen faul. Er war ein angenehmer Bursche von einer Art, zu der man gerne zurückkehrte; jemand, der schöne Dinge mochte und es liebte, im Schatten seines Gartens zu sitzen und den Geschichten zu lauschen, die sie ihm von fernen Häfen erzählen konnte, von Orten, die er niemals sehen würde. Grenzenlose, freundliche Neugier. Das war Khym Mahn. Und der Sohn, mit dem er Nachsicht hatte walten lassen und dem er verziehen hatte, war zurückgekommen und hatte ihm Garten und Haus und Namen genommen, während der arme Khym… die Götter mochten wissen, wo er sich befand und in welchem Elend.
Sie fuhr mit dem Lift zum Hauptdeck hinauf und betrat ihr Quartier, schloss die Tür und setzte sich an den Schreibtisch… verzichtete lange darauf, die wenigen Erinnerungsstücke hervorzuholen, die aufzubewahren sie sich die Mühe machte; sie bewahrte die Heimat eher im Geist als in Gegenständen. Schließlich betrachtete sie, was sie hatte, ein Bild, einen glatten grauen Stein — merkwürdig, wie angenehm sich ein kleines Stück Stein anfühlte und wie fremd es in dieser stählernen Welt wirkte; ein Stein, der die Kahin-Berge vor ihrem inneren Auge heraufbeschwor, den Anblick und das Rauschen des Grases im Wind, die Wärme der Sonne und die glatte Kälte des Regens auf den Felsen, die aus den grasbewachsenen Bergflanken herausragten.
Ihr Sohn… hatte Khym hinausgeworfen, sich neben Chanur niedergelassen, um Kohan selbst zu bedrohen, alles auseinander zunehmen, was sie getan und aufgebaut hatte und was Kohan bewahrte. Kaum verwunderlich, dass Kohan Wert darauf gelegt hatte, Hilfy vor Schaden zu bewahren, vor einer Situation, in der Gefühle ausgelöst wurden und Vernunft verlorenging.
Lass sie Erfahrungen machen! hatte Kohan gebeten… Und: Pass auf sie auf!
Sie legte die Andenken weg und dachte nach, denn solange die Reparaturen im Gang waren, gab es wenig anderes zu tun. Sie saßen in der Umarmung der Station fest und hofften, dass die Kif nicht hinter ihrem verwundbaren Rücken auftauchten. Saßen hier — während ihre Feinde die Zeit fanden, zu tun, was sie wollten.
Anuurn selbst angreifen — so unbesonnen konnte Akukkakk nicht sein. So viele Schiffe besaß er nicht, wie dafür nötig waren. Es handelte sich um großes Geschrei, wie es die Kif stets von sich gaben, völlig übertrieben… von der Art, wie sie es immer herausbrüllten in der Hoffnung auf größere Gewinne durch die Angst eines Feindes, größer als sie durch Anwendung von Gewalt möglich waren. Sofern der Hakkikt nicht wahnsinnig war — eine Definition, der es zwischen verschiedenen Lebensformen an Exaktheit mangelte. Sofern der Hakkikt nicht Gefolgsleute befehligte, die mehr am Zerstören interessiert waren als an Gewinn.
Noch nie zuvor in der aufgezeichneten Geschichte hatte ein Hakkikt ein so weites Gebiet aufgewühlt und dabei so viele Schiffe eingesetzt. Noch nie hatte einer das gemacht, was dieser hier getan hatte, eine Stsho-Station angegriffen, ein ganzes Sternsystem und dessen ganzen Verkehr schikaniert und bedroht, wie bei Urtur geschehen.
Читать дальше