Der Kampf hatte begonnen. Und irgendwo in einem entfernten Winkel seines Bewußtseins war Marek klar, daß es ein Kampf auf Leben und Tod sein würde.
Kate schaute dem Geschehen vom Geländer aus zu. Marek schlug sich tapfer, und an körperlicher Kraft war er seinem Gegner überlegen, aber es war offensichtlich, daß er nicht das technische Können von Sir Guy hatte. Seine Hiebe waren unkontrollierter, seine Körperhaltung weniger sicher. Das schien nicht nur ihm, sondern auch seinem Gegner bewußt zu sein — immer wieder wich Sir Guy mit seinem Pferd ein Stückchen zurück, um Platz für einen vollen Schwung zu haben. Marek dagegen rückte immer sofort nach, er hielt den Abstand klein, fast wie ein Boxer, der den Clinch sucht.
Aber Marek konnte das nicht ewig durchhalten, das sah Kate. Früher oder später würde Guy, vielleicht nur einen Augenblick lang, genug Abstand haben, um ihm einen tödlichen Hieb zu versetzen. Mareks Haare waren triefnaß unter dem Helm. Der Schweiß brannte ihm in den Augen, aber er konnte nichts dagegen tun. Benommen schüttelte er den Kopf, um die Augen klar zu bekommen, aber es half nicht viel.
Bald rang er nach Atem. Durch die Schlitze seines Helms sah er Sir Guys unversöhnliche Miene, er griff unermüdlich an und schwang sein Schwert in sicherem, geübtem Rhythmus. Marek wußte, daß er bald etwas unternehmen mußte, bevor er zu müde wurde. Er mußte den Rhythmus des Ritters durchbrechen.
Seine rechte Hand, mit der er das Schwert hielt, brannte bereits vor Anstrengung. Aber seine linke Hand war stark. Warum nicht auch die einsetzen?
Einen Versuch war es wert.
Marek spornte sein Pferd an und rückte noch näher an Guy heran, bis sie Brust an Brust standen. Er wartete, bis er einen Hieb des Gegners mit seinem Schwert pariert hatte, dann schlug er mit dem Ballen seiner linken Hand von unten gegen Sir Guys Helm. Der Helm kippte nach hinten, er spürte, wie Guys Kopf mit einem befriedigenden Tank gegen die Vorderseite des Helms knallte.
Sofort drehte Marek sein Schwert um und rammte den Knauf seines Schwertgriffs gegen Guys Helm. Es krachte, und Guys Körper machte im Sattel einen Satz. Kurz sackten seine Schultern nach unten. Marek schlug noch einmal, fester, gegen den Helm. Er wußte, daß er ihm weh tat. Aber nicht genug.
Zu spät sah er, daß Guys Schwert in weitem Bogen auf ihn niedersauste. Es traf ihn am Rücken. Marek spürte den Schlag wie einen Peitschenhieb quer über die Schulter. Hatte das Kettenhemd gehalten? War er verletzt? Er konnte seinen Arm noch bewegen. Nun schlug er mit seiner Klinge kräftig gegen die Rückseite von Guys Helm. Guy tat nichts, um den Schlag abzuwehren, und Stahl auf Stahl klirrte hell wie ein Gong. Anscheinend ist er benommen, dachte Marek. Er holte noch einmal aus, wendete dann sein Pferd und schlug aus der Drehbewegung heraus in weitem Bogen nach Guys Hals. Guy parierte den Hieb, aber die Wucht des Aufpralls warf ihn nach hinten. Er schwankte, kippte im Sattel zur Seite, und obwohl er nach dem Knauf griff, konnte er nichts tun, um seinen Sturz zu verhindern. Marek wendete und schwang ein Bein über sein Pferd, um abzusteigen. Die Menge schrie wieder auf; als er sich umdrehte, sah er, daß Guy leichtfüßig wieder aufgesprungen war, offensichtlich hatte er seine Verletzungen nur vorgetäuscht. Er griff Marek an, während der noch im Absteigen begriffen war. Mit einem Fuß im Steigbügel parierte er unbeholfen den Hieb, befreite sich schließlich von seinem Pferd und griff selbst an. Aber Sir Guy war stark und selbstsicher. Marek erkannte, daß seine Lage jetzt noch schlimmer war als zuvor. Er griff wütend an, aber Guy parierte und wich behende zurück, seine Fußarbeit war geübt und schnell. Marek keuchte und schnaufte in seinem Helm, er war sicher, daß Guy es hören konnte und wußte, was es bedeutete.
Marek verließen die Kräfte.
Sir Guy mußte nichts anderes tun, als zurückzuweichen, bis Marek erschöpft war.
Außer...
Ein Stückchen weiter links lag Chris noch immer gehorsam flach auf dem Rücken.
Marek griff weiter an und bewegte sich mit jedem Schlag ein
Stückchen nach rechts. Guy wich behende aus. Aber jetzt trieb Marek ihn nach hinten, auf Chris zu.
Langsam wachte Chris auf. Schwerter klirrten. Noch benommen machte er sich seine Lage klar. Er lag auf dem Rücken, über sich den blauen Himmel. Aber er lebte. Was war passiert? In seinem schwarzen Helm drehte er den Kopf. Der schmale Sehschlitz ließ kaum Luft ein, es war heiß und stickig und bedrückend eng. Er merkte, daß ihm schlecht wurde.
Die Übelkeit wurde schnell stärker, aber er wollte sich nicht im Helm übergeben. Es war zu eng darin, er würde an seinem eigenen Erbrochenen ersticken. Er mußte ihn vom Kopf bekommen. Noch immer auf dem Rücken liegend, griff er mit beiden Händen nach dem Helm. Und zerrte daran.
Aber der Helm rührte sich nicht. Warum? Hatten sie ihn irgendwie an ihm befestigt? Oder lag es daran, daß er auf dem Boden lag? Gleich würde er sich übergeben. In dem verdammten Helm. O Gott.
Hektisch drehte er sich um.
Marek schwang verzweifelt sein Schwert. Direkt hinter Sir Guy fing Chris an, sich zu bewegen. Marek hätte ihm zugeschrien, er solle liegenbleiben, aber er hatte nicht genug Atem dazu. Wieder und wieder hieb er auf Guy ein.
Jetzt zerrte Chris an seinem Helm, versuchte, ihn vom Kopf zu bekommen. Guy war noch zehn Meter von ihm entfernt. Er tänzelte und parierte geschickt Mareks Schläge, der Kampf schien ihm richtig Spaß zu machen.
Marek wußte, daß er fast am Ende seiner Kräfte war. Seine Hiebe wurden immer schwächer. Guy war noch immer stark, noch immer geschmeidig in seinen Bewegungen. Er wich nun zurück und parierte. Und wartete auf seine Chance.
Chris hatte sich auf den Bauch gedreht und richtete sich langsam auf. Jetzt kauerte er auf allen vieren. Ließ den Kopf hängen. Dann war ein lautes Würgen zu hören.
Auch Guy hörte es und drehte ein wenig den Kopf, um hinzusehen. Marek stürmte los und rammte ihm seinen Helm in den Brustpanzer. Guy stolperte nach hinten, fiel über Chris und stürzte zu Boden. Malegant drehte sich schnell um, aber Marek war schon über ihm, stellte einen Fuß auf Guys rechte Hand, um das Schwert am Boden festzunageln, und trat dann mit dem anderen Fuß auf seine linke Schulter. Dann hob er das Schwert, bereit zum Zustoßen. Die Menge verstummte. Guy rührte sich nicht.
Langsam senkte Marek sein Schwert, durchtrennte die Riemen von Guys Helm und schob ihn mit der Schwertspitze nach hinten. Guys Kopf war jetzt entblößt. Marek sah, daß er aus dem linken Ohr blutete. Guy starrte ihn böse an und spuckte aus.
Wieder hob Marek sein Schwert. Wut kochte in ihm, der Schweiß brannte, die Arme schmerzten, sein Blickfeld war rot vor Haß und Erschöpfung. Er spannte die Arme, bereit, das Schwert niedersausen zu lassen und den Kopf vom Rumpf zu trennen. Guy sah es. »Gnade!«
Er schrie es, so daß alle es hören konnten.
»Ich flehe um Gnade!« rief Sir Guy. »Im Namen der Heiligen Dreifaltigkeit und der Jungfrau Maria! Gnade! Gnade!« Die Menge schwieg. Und wartete.
Marek wußte nicht so recht, was er tun sollte. Irgendwo in seinem Hinterkopf sagte eine Stimme: Bring den Mistkerl um, sonst bereust du es später. Er wußte, daß er sich schnell entscheiden mußte; je länger er dastand und Sir Guy nur am Boden festnagelte, um so sicherer würde er die Nerven verlieren.
Er sah zu der Menge hinüber, die sich am Geländer drängte. Keiner rührte sich, alle starrten nur. Er schaute zur Tribüne, wo Lord Oliver im Kreis seiner Damen saß. Auch dort bewegte sich keiner. Lord Oliver war wie erstarrt. Marek schaute zu den Knappen, die sich am Rand des Platzes drängten. Auch die waren starr. Dann hob einer, in einer fast unbewußt wirkenden Bewegung, die Hand und fuhr sich mit dem gestreckten Daumen über den Hals: abschlagen. Er gibt dir einen guten Rat, dachte Marek.
Читать дальше