Die Pferde auf dem Pfad wieherten und stiegen in die Höhe, die Reiter drehten sich im Kreis und schrien und deuteten. Dann gab es einen hellen Lichtblitz.
Als Chris sich wieder umdrehte, sah er, daß Baretto noch immer bewegungslos dasaß, wahrend die Maschine mehrfach aufblitzte und schrumpfte.
Augenblicke später war die Maschine verschwunden. Helles Entsetzen stand den Reitern ins Gesicht geschrieben. Der Anführer mit dem schwarzen Federbusch rief den anderen etwas zu, und die Gruppe spornte die Pferde an und galoppierte den Hügel hoch und außer Sicht. Als der schwarze Reiter wenden wollte, stolperte sein Pferd über Gomez' Leiche. Fluchend riß er es noch einmal herum, ließ es steigen und auf der Leiche herumtrampeln. Blut spritzte in die Luft; die Vorderläufe des Pferds färbten sich dunkelrot. Schließlich wendete er wieder und galoppierte mit einem letzten Fluch den anderen nach. »O Gott.« Die Plötzlichkeit des Ganzen, diese beiläufige Gewalt ...
Chris rappelte sich hoch und rannte zum Pfad.
Gomez' Leiche lag, zertrampelt fast bis zur Unkenntlichkeit, in einer Schlammpfütze. Aber eine Hand war seitlich weggestreckt und lag geöffnet auf der Erde. Und neben der Hand lag der weiße Keramikmarker.
Er war gesprungen, die elektronischen Eingeweide waren zu sehen.
Chris hob ihn auf. Die Keramik zerbrach in seinen Händen, weiße und silberne Fragmente rieselten zu Boden und versanken im Schlamm. Und in diesem Augenblick wurde ihm die Situation bewußt.
Ihre Führer waren beide tot.
Eine Maschine war verschwunden.
Ihr Navigationsmarker für die Rückkehr war kaputt.
Was bedeutete, daß sie an diesem Ort festsaßen. Gefangen, ohne Führer oder Hilfe. Und ohne jede Aussicht, je zurückkehren zu können.
Nie mehr.
36:30:42
Achtung«, sagte ein Techniker. »Sie kommt.«
Auf dem Gummiboden im Zentrum der bogenförmigen Wasserschilde zeigten sich kleine Lichtblitze.
Gordon warf Stern einen Blick zu. »Jetzt erfahren wir gleich, was passiert ist.«
Die Blitze wurden heller, und auf dem Gummiboden erschien eine Maschine. Sie war gut einen halben Meter hoch, als Gordon sagte: »Verdammt! Dieser Kerl macht doch immer nur Schwierigkeiten.« Stern sagte etwas, aber Gordon achtete nicht auf ihn. Er sah, daß Baretto gegen eine Stange gelehnt auf dem Boden saß. Er war offensichtlich tot. Als die Maschine ihre volle Größe erreichte, erkannte Gordon die Pistole in Barettos Hand. Er wußte natürlich, was passiert war. Obwohl Kramer Baretto ausdrücklich davor gewarnt hatte, hatte dieser Hurensohn moderne Waffen mitgenommen. Natürlich hatte ihn Gomez deshalb zurückgeschickt, und — Ein kleiner dunkler Gegenstand rollte auf den Boden. »Was ist das?« fragte Stern.
»Ich weiß es nicht«, sagte Gordon und starrte die Bildschirme an. »Sieht fast aus wie eine Gra —«
Die Explosion blitzte durch den Transitraum, wuchs wie eine weiße Wolke auf den Bildschirmen und tauchte alles in gleißendes Licht. Im Kontrollraum war das Geräusch merkwürdig verzerrt, es klang eher wie statisches Rauschen. Der Transitraum füllte sich sofort mit hellem Rauch.
»Scheiße«, sagte Gordon und schlug mit der Faust auf die Tischplatte.
Die Techniker im Transitraum schrien. Ein Mann hatte ein blutüberströmtes Gesicht. Im nächsten Augenblick wurde er zu Boden gerissen, denn aus den von Granatsplittern zerstörten Schilden schoß das Wasser heraus. Einen Meter hoch schwappte das Wasser im Transitraum, fast wie eine Brandung. Doch es floß sehr schnell ab, und der nun wieder nackte Boden fing an zu zischen und zu dampfen. »Das sind die Batterien«, sagte Gordon. »Sie verlieren Flußsäure.« Verdeckt von Rauchschwaden liefen Gestalten mit Gasmasken in den Raum und halfen den verletzten Technikern. Von oben krachten Stützbalken herunter und zerstörten die restlichen Wasserschilde. Weitere Balken krachten auf den Boden.
Im Kontrollraum gab jemand Gordon eine Maske und eine andere Stern. Gordon setzte seine auf.
»Wir müssen gehen«, sagte er. »Die Luft ist kontaminiert.« Stern starrte die Bildschirme an. Durch den Rauch konnte er erkennen, daß die anderen Maschinen größtenteils zerstört auf dem Boden lagen und Dampf und hellgrünes Gas herauszischte. Nur eine einzige stand noch etwas abseits, und noch während er hinsah, krachte ein weiterer Balken herunter und zerschmetterte sie. »Es gibt keine Maschinen mehr«, sagte Stern. »Heißt das -« »Ja«, erwiderte Gordon. »Ich fürchte, vorerst sind Ihre Freunde auf sich selbst gestellt.«
36:30:00
Reg dich nicht auf, Chris«, sagte Marek.
»Ich soll mich nicht aufregen?« Chris schrie es beinahe. »Schau doch mal her, um Himmels willen, Andre — ihr Marker ist kaputt. Wir haben keinen Marker. Was bedeutet, wir haben keine Möglichkeit mehr heimzukommen. Was bedeutet, daß wir absolut in der Scheiße sitzen, Andre. Und du willst, daß ich mich nicht aufrege'?« »Genau, Chris«, sagte Marek mit sehr ruhiger, gelassener Stimme. »Genau das will ich. Bitte, reg dich nicht auf. Ich will, daß du dich zusammennimmst.«
»Warum zum Teufel sollte ich das?« fragte Chris. »Wozu? Sieh den Tatsachen ins Auge, Andre: Wir werden hier alle umgebracht. Es gibt für uns keinen Ausweg mehr.« »Doch, den gibt es.«
»Ich meine, wir haben ja nicht mal was zu essen, wir haben rein gar nichts, wir stecken hier in diesem ... diesem Scheißloch fest, ohne irgendwas, und —« Er hielt inne und wandte sich Marek zu. »Was hast du gesagt?«
»Ich habe gesagt, es gibt einen Ausweg.« »Wie?«
»Überleg doch mal. Die andere Maschine ist zurückgekehrt. Nach New
Mexico.«
»Und?«
»Sie werden sehen, in welchem Zustand er ist -«
»Tot, Andre. Sie werden sehen, daß er tot ist.«
»Wichtig ist doch, sie werden merken, daß was nicht stimmt. Und dann kommen sie uns holen. Sie schicken uns eine andere Maschine«, sagte
Marek.
»Woher weißt du das?«
»Weil sie es tun werden.« Marek drehte sich um und ging den Hügel hinunter.
»Wo gehst du hin?«
»Kate suchen. Wir müssen zusammenbleiben.« »Ich rühre mich nicht vom Fleck.« »Wie du willst. Aber dann bleib wirklich hier.« »Keine Angst. Ich bin hier.«
Marek trottete davon und verschwand hinter einer Biegung des Pfads. Chris war allein. Und fast sofort fragte er sich, ob er nicht doch lieber laufen und Marek einholen sollte. Vielleicht war es besser, nicht allein zu sein. Zusammenbleiben, wie Marek gesagt hatte. Er ging ein paar Schritte den Hügel hinunter und blieb dann wieder stehen. Nein, dachte er. Er werde hierbleiben, hatte er gesagt. Nun stand er da und versuchte, seine Atmung zu beruhigen. Als er den Kopf senkte, sah er, daß er auf Gomez' Hand stand. Er trat schnell zur Seite und ging ein Stückchen den Pfad hoch, um eine Stelle zu finden, von wo aus er die Leiche nicht sehen konnte. Seine Atmung wurde wirklich langsamer. Er konnte wieder einen klaren Gedanken fassen. Marek hatte recht. Sie würden eine andere Maschine schicken, und wahrscheinlich schon sehr bald. Ob sie genau hier landen würde? War das ein bekannter Platz für Landungen? Oder würde es nur irgendwo in der weiteren Umgebung sein?
Wie auch immer, Chris war sicher, daß er genau da bleiben sollte, wo er war.
Er schaute den Pfad hinunter, in die Richtung, in der Marek verschwunden war. Wo Kate jetzt wohl war? Vermutlich ein Stückchen weiter unten. Ein paar hundert Meter, vielleicht ein bißchen mehr. O Gott, er wollte nach Hause.
Plötzlich hörte er im Wald rechts von sich ein Krachen. Jemand kam näher.
Er verkrampfte sich, denn ihm wurde bewußt, daß er keine Waffe hatte. Dann erinnerte er sich an den Beutel, der unter seiner Kleidung am Gürtel hing. Er hatte ja diesen Gaskanister. Besser als nichts. Er tastete unter seinem Wams herum, suchte nach dem — »Pst.«
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